17:13 Im Zug. Auf dem Weg nach Hause. Wie so oft eine zweischneidige Sache. Zum einen ist man froh, erleichtert, zufrieden, glücklich. Zum anderen nachdenklich, überlegend, vorsichtig, prüfend, fragend. Das zu Hause ist (im besten aller Fälle) der sichere (weil bekannt) Hafen, der jedem Sturm trotzt.
So lange man unterwegs ist, so lange man in und durch fremde Welten reist, ist das zu Hause fern. Damit auch all der Ballast, der einem das Leben so erschwert. Wie auch immer, es tut gut, die eigenen vier Wände zu sehen und zu spüren, tun und lassen zu können, was einem gerade in den Kopf kommt, ohne Rücksicht auf Regeln („wenn das Haustor offen ist, dann lassen Sie es bitte offen; wenn es schon zu ist, dann sperren Sie es nachher bitte zu.“) oder fremden Terminen („wann möchten Sie zum Frühstück kommen?“). Außerdem gibt es zu Hause kein schlechtes Gewissen, wenn man den Tag Tag sein lässt. In der Fremde, wenn jede Nacht in klingender Münze berappt werden muss, stolpert man unweigerlich in eine Kosten/Nutzen-Falle, in der sich alle Touristen (im Gegensatz zum Reisenden, der keinen längerfristigen Plan hat) verstricken und verheddern. Weimar und all die vielen Touristen-Metropolen schlagen mir auf den Magen. Eigentlich will man mit den Pauschal-„Klick-und-weg“-Touristen nicht in einen Topf geworfen werden – und doch ist man ein Teil dieser. Deshalb ist es so wunderbar angenehmst, jemanden in fremden Landen zu kennen, den man besuchen kann. Damit ist man kein Tourist mehr, sondern vielmehr Besucher oder Gast. Der kleine, aber feine Unterschied.
home, sweet home. Noch ehe man heimischen Boden betreten hat, beginnt die Pläneschmiederei. Gesellschaftliche und finanzielle Verpflichtungen wollen erledigt werden. Das Kreative genauso. Am Buch arbeiten, jetzt, wo die Karten in Jena auf den Tisch gelegt wurden. Am Cartoon mit Ecki arbeiten, jetzt, wo die Ideen in Dresden auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Die virtuelle Kontakteknüpferei nach 9to5 weiterhin pflegen, auf dass die Visionen nicht ausgehen mögen.
Eine Woche und ein Tag in Ostdeutschland. Berlin, Leipzig, Dresden, Jena, Weimar, Nürnberg. In Nürnberg nur deshalb Zeit für ein schnelles Essen und einen Espresso („Der Beck“-Café) gehabt, weil sich die Deutsche Bahn (DB) mit Erfolg bemüht, italienische Verhältnisse herbeizuführen. Nicht dass ich wüsste, wie es mit der italienischen Bahn bestellt ist oder war, aber Verspätungen im großen Stil hat man eher dem südländischen Zugsverkehr zugetraut, als dem überkorrekten und ordentlichen nordländischen. Mir scheint, das Vorurteil muss revidiert werden. Durch die beinah 40minütige ICE-Verspätung, kam ich in den Genuss einer Vergütung. Freilich, diese anzumelden ist keine leichte Sache. Jedenfalls nicht für den gerade in der Schulung befindlichen Praktikanten. Als er von seiner erfahrenen Kollegin erklärt bekommt, was er wo wie einzutragen und abzustempeln hat, bekam ich Mitleid mit ihm. Armer Tropf. Bald wird ihm seine Seele vom teuflischen System genommen, sprich assimiliert Widerstand ist zwecklos. Als Ersatz bekommt er freilich einen Überziehungsrahmen für sein Konto, welches sich bis an sein Lebensende zumeist um den Nullpunkt bewegen wird. Immerhin ein Anreiz, es immer wieder aufzufüllen. Ansonsten müsste man sich ja fragen, wozu und wofür, nicht?
Im ersten großen Vortrag am 9to5-Festival sprach ein Engländer Tom Hodgkinson, der den „Ausstieg“ geprobt und erfolgreich durchgezogen hat, über die Arbeit und dass sie krank mache („work kills“). Das ist gar keine Plattitüde, sondern (so behauptet er) wissenschaftlich bewiesen: Arbeit tötet mehr Menschen als Alkohol und (harte) Drogen zusammen. Ich frage mich, ob es Studien gibt, die sagen, wie viele der arbeitenden Bevölkerung ihren Job gerne, freiwillig, mit Freude und Spaß machen. Falls das Ergebnis ernüchternd ausfallen sollte (wir können davon ausgehen), was würde es uns und der herrschenden politischen Kaste sagen? Arbeit abschaffen? Oder die Studie abschaffen?
21 Uhr 20 Wien! Dunkel ist’s. Nach dem ich die Zugfahrt über im Manuskript gelesen habe, tja, darf ich fest stellen, dass es so schlecht nicht ist. Ist’s wieder mal die Blindheit des Künstlers vor seinem eigenen Werk? Vermutlich.
23:30 Jetzt geh ich heia.