Freitag, 13. Juni 2008
Spieltag 2 – Gruppe C: die Fußballwelt steht Kopf
Gruppe C, in Zürich (18:00): Italien – Rumänien 1:1
Der Abgesang des italienischen Fußballs. Es tut mir Leid, Maureen, aber falls die Italiener – wider erwarten – weiterkommen, dann muss etwas passieren. Vor zwei Jahren, zur WM, hatte die Erfahrung zwei Mannschaften ins Finale bugsiert, die heute mit dem europäischen Spitzenfußball nicht mehr mithalten können. Vermutlich hätte man schon vor zwei Jahren beginnen sollen, frisches Blut mit den Routiniers zu mischen. Jetzt tut man es zwanghaft, aus der Not heraus. Ein Jammer.
Die Italiener haben sich gesteigert, sind motiviert gestartet. Aber diese Rumänen, sie sind für mich noch immer so schwer einschätzbar. Bis auf Mutu, Chivu, Contra und Lobont kennt man die anderen so gut wie gar nicht. Aber jeder steht seinen Mann. Gegen die Italiener verstecken sie sich nicht, kommen zu großen Chancen und hätten beinah gewonnen, hätte Mutu nicht den Elfer „verschossen“, bzw. Buffon diesen gehalten. Schlapperlot.
Ja, die Italiener konnten die Rumänen nicht zwingend einschnüren, nicht oft unter Druck setzen. Manchmal. Selten. Gefährlicher waren die Rumänen. Und ihr Kurzpass-Spiel blitzte manchmal gefährlich holländisch auf. Ja, diese Rumänen dürfen wir bitteschön nicht abschreiben. Jetzt spielen sie gegen die B-Mannschaft der überragenden Niederländer. Und die Italiener? Die müssen zum „Endspiel“ gegen die Franzosen. Egal, wer in dieser Partie gewinnt, verdient hat es keiner von beiden.
Gruppe C, in Bern (20:45): Niederlande – Frankreich 4:1
45 Sekunden! 45 Sekunden konnten sich die Franzosen über den wichtigen Anschlusstreffer von Henry freuen. 20 Minuten vor Schluss. Plötzlich stand es 2:1. Erfreulich. Weil ich immer die Emotion suche, in einem Fußballspiel. Ich freute mich auf ein Offensiv-Spektakel der Franzosen. Aber 45 Sekunden später schoss Robben aus unmöglichen Winkel ein Wundertor. Das war’s. 3:1. Snejder schoss knapp vor Ende auch noch ein Wundertor. Ziemlich viel „Wunder“ bei den Holländer. Wunderlich.
Die Franzosen? Ein Jammer. Sie sind nur noch Schatten längst vergangener (glorreicher) Tage. Ihr Fußball (und das der Italiener) entstammt dem vorigen Jahrhundert: langsam, behäbig, ideenlos, durchschaubar. Eigentlich gehört Domench ausgepeitscht, dass er einen torgefährlichen Trézeguet zu Hause ließ und dafür einen unerfahrenen jungen Gomis, der nicht mal ansatzweise Gefahr erzeugen kann (seine Haarpracht ist allerdings top!), mitgenommen hat. Makelele und Toulalan, die Abräumer im Mittelfeld, sind technisch auf Gattuso-Niveau, also keine Ballverteiler, keine Spielemacher. Für die Franzosen (und Italiener, Griechen) wäre es wohl das Beste, sie scheiden allesamt aus. Dann werfen sie die Trainer raus und fangen (hoffentlich) von vorne an.
Die Holländer? Da läuft alles am Schnürchen. Sie spielen perfekten Fußball. Hut ab. Respekt. Aber erinnern wir uns: die Österreicher haben ihnen vor nicht allzulanger Zeit 3 Tore gemacht. Warum? Weil van der Saar nicht im Tor stand. Das ist ihr erster Schwachpunkt. Holland ohne van der Saar würde nicht weit kommen. Der zweite Schwachpunkt: ihre körperliche Unterlegenheit. So lange sie ihr schnelles Kurzpass-Spiel praktizieren, so lange sie ihre Schnelligkeit und Wendigkeit ausspielen können, gibt es nichts gegen die Holländer zu gewinnen. Aber wenn man sie zwickt, kratzt, beißt, spuckt, nah am Mann steht (= extremes Pressing), dann werden sie Fehler machen, dann kann man sie unter Druck setzen. Man sehe sich Portugal : Holland von der WM 2006 an. Sicherlich eines der emotionellsten Spiele aller Zeiten. Am Ende gewinnt Portugal. Nicht weil die Mannschaft besser war, sondern weil sie konsequenteres Pressing betrieben hat.
Das will heißen: die Holländer sind Top-Favorit für den EM-Titel, dummerweise werden sie wohl im Halbfinale auf Spanien treffen. Und die haben auch gerade einen Lauf.