Mittwoch, 25. Juni 2008
Halbfinale 1: die Deutschen sind die besseren Türkei oder Ungerechtigkeiten im Fußball
HF 1, in Basel (20:45): Deutschland : Türkei 3:2
Nach dem Gewittersturm über Wien, als man meinen hätte können, die Götter würden sich gegen uns verschwören, sitze ich im Trockenen und … ärgere mich! Weil sich die Götter gegen uns verschworen haben.
*grummel* Was soll man dazu sagen? Die Deutschen versuchen der Welt zu zeigen, dass man auch mit der schlechtesten Leistung einer Mannschaft im Turnier ein Spiel gewinnen kann. Dabei bedienen sie sich der Taktik des Gegners auf das Unverschämteste und schießen in der letzten Minute den Siegestreffer.
Ich könnte zerspringen vor Wut. Weil die 90 Minuten gezeigt haben, warum ich sie nicht ausstehen kann, die Deutsche Elf: da kicken sie, als würden sie die letzten Tage durchgefeiert haben, stehen völlig neben (oder hinter) sich, kriegen nichts auf die Reihe (mit etwa drei oder vier Ausnahmen), liefern ein erbärmliches, beinah peinliches Bild ab, wenn man sieht, wie sie sich vor der C-Mannschaft der Türken ängstlich zurück ziehen und keinen Plan haben, wie sie gegen den großartig aufspielenden Gegner bestehen können UND gewinnen am Ende. Unverdient, versteht sich.
Natürlich kann man – wie Peter Stöger – sagen, dass man daran die Klasse der Deutschen Nationalmannschaft erkennen kann: nämlich schlecht zu spielen und trotzdem zu gewinnen. Er mag Recht haben. Aber ich bin nun mal ein Verfechter des guten Fußballs. Und ich hasse es, ja, ich hasse es zutiefst, wenn die schlechtere Mannschaft, die nichts für das Spiel tut, die nur auf eine Chance wartet, auf sie hofft, als Sieger vom Platz geht – und nach dem Spiel höre ich den guten Löw sagen, dass es ein „Schlagabtausch“ zwischen beiden Mannschaften war. Jetzt weißt ich natürlich nicht, woher diese Wahrnehmungsverzerrung kommt. Vielleicht Restalkohol? Ein anderes Spiel dürfte er ja nicht meinen. Wie dem auch sei, ich frage mich, was unsere (und vor allem die deutschen) Kinder davon halten? Dass es nur auf das Ergebnis ankommt? Das mag vielleicht im Krieg und in der Wirtschaft so sein. Von mir aus. Aber im Fußball?
Bin ich blauäugig? Vermutlich. Ich weiß. Es geht um sooo viel (Geld). Keiner möchte verlieren. Aber wenn wir nur noch den „taktisch effizienten ergebnisorientierten“ Fußball zu Gesicht bekommen, wer soll sich dann noch dafür begeistern? [„Hast du gestern die Bayern gegen die Madrilenen gesehen?“ – „Ja, aber ich bin nach 7 Minuten leider eingeschlafen. Und? Wie war’s?“ – „Hey, du wirst es nicht glauben, aber in der 57. Minute gab es einen Torschuss!“ – „Shit. Und ich hab das verpasst!“]
Jetzt stelle man sich vor, die Italiener hätten sich ins Finale „gemauert“. Gott behüte. Das hätten meine Nerven nicht mehr mitgemacht. Das wäre eindeutig zu viel gewesen. Jetzt ruhen meine Hoffnungen auf die Russen. Und auch wenn sie scheitern, dann scheitern sie mit Herz, mit Bravour und wohl zutiefst Unglücklich. Das werde ich von der EM mitnehmen. Alles andere wird die Toilette hinuntergespült. Vergangenheitsbewältigung nennt sich das.
Jetzt geh ich heia.