Seltsam. Ja, wahrlich seltsame Dinge geschehen. Heute fanden sich zwei Briefe in meinem Postkasterl. Der eine ist von der Schaten Universitätsbibliothek Bochum, der andere vom Informationsverbund Buchhandel (IBU) in Frankfurt.
Das Schaten Uni-Center bestellte ein Exemplar des „Dichters Tiret“. Das geschah am 29. Juli 2008. Fein. Da freut sich der Selbstverleger. Aber welch kryptischen Phrasen werden da aufs dünne Papier gesetzt? Als „Zahlungsbedingungen“ wird „BAG in jeder Höhe“ angeführt. Es kostete einige Minuten, trotz Google & Co, um herauszufinden, was es mit diesem ominösen BAG zu tun hat. Voilà, hier ist die Auflösung: Buchhändler- Abrechnungs-Gesellschaft, mit Sitz in Frankfurt. Eigentlich dachte ich, ich hätte den Buchhandel einigermaßen durchschaut. Mitnichten. Diese Gesellschaft, so entnehme ich es der WebSite, dient als „Clearingstelle/Drehscheibe“ für Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Buchhändler und Verlage. Die Idee ist freilich simpel: der Buchhändler bekommt eine Gesamtrechnung von der BAG, egal, bei welchen Verlagen er seine Bücher bestellt hat. Der Verlag bekommt eine Gesamtrechnung von der BAG, egal, an welche Buchhändler er seine Bücher geliefert hat. Wir sehen: alle sind glücklich. Komischerweise taumelt aber die BAG seit diesem Jahr finanziell angeschlagen herum. Das entnehme ich wiederum der WebSite des Deutschen Börsenvereins. Außerdem, um als Verleger am BAG (mein BAG, dein BAG, unser BAG?) teilzunehmen, muss man Mitglied des Deutschen Börsenvereins sein (= bitte Jahresbeitrag abliefern). Aha.
Wir rekapitulieren: das Buchgeschäft im Jahre 2008 ist weit davon entfernt, transparent zu werden. Man möchte nicht meinen, wie viele Leutchen am Buch mitverdienen wollen:
AUTOR: er bekommt etwa zwischen 8 -10 % von jedem VERKAUFTEN Buch (der offene Betrag wird etwas zwei Mal jährlich ausbezahlt); sind mehrere Autoren beteiligt (oder ein Zeichner), wird dieser Prozentsatz auf alle Beteiligten aufgeteilt.
VERTRETER: jeder Verlag, der etwas auf sich hält, schickt Vertreter zu den Buchhändlern, denen die neuesten Bücher des Frühjahrs- bzw. Winterkollektion vorgestellt werden. Für jedes an einem Buchhändler verkaufte Buch gibt’s natürlich eine Provision. Der Buchhändler, der schon im Voraus bestellt, erhält einen zusätzlichen Rabatt als Anreiz.
LOGISTIK: damit die Bücher vom Verlag zur Buchhandlung kommen, gibt es die „Auslieferung“. Diese haben die wichtigsten Bücher (von verschiedenen Verlagen) auf Lager und beliefern von ihrem Bestand die Buchhandlungen. Der Buchhändler bestellt und bezahlt somit bei der „Auslieferung“, nicht beim Verlag. Der Verlag bekommt eine Abrechnung über die verkauften/gelieferten Bücher. Natürlich erhält die „Auslieferung“ dafür einen Prozentsatz von jedem verkauften/gelieferten Buch. Die „Auslieferung“ fungiert nur als Drehscheibe und besitzt im Normalfall die Bücher nicht. Diese verbleiben im Eigentum des Verlages (nach einer gewissen Zeitspanne möchte natürlich die Auslieferung Platz für die neuen Bücher schaffen und karrt die liegengebliebenen Bücher dem Verlag vor die Haustür). All jene Verlage, die sich so eine Auslieferung nicht leisten können (bzw. werden nicht alle Verlage akzeptiert, da es ja vornehmlich um Umsatz, nicht um Archivierung geht), müssen also selbst Hand anlegen und ihre Bücher zur Post bringen. Das Porto ist ja auch nicht gerade gering. In Österreich gibt es den kostengünstigen „Bücherversand“, wie in Deutschland, nicht mehr. Ist dem Sparstift zum Opfer gefallen. Tja.
BUCHHANDEL: und zu guter Letzt möchte natürlich der Buchhandel, der schließlich die Bücher an den Mann, an die Frau bringt, ein gutes Stück vom literarischen Kuchen. Der Rabatt beträgt wohl zwischen 30 und bald 50 %.
ISBN: Ohne der Internationalen Standard Buch Nummer geht heutzutage gar nix mehr. Wer also ein Buch auf den Markt wirft, braucht unbedingt so eine Nummer. Diese gibt es in Österreich vom Hauptverband des Österreichischen Buchhandels in Paketen: 1, 10 oder 100 ISBNs. Freilich, das ist auch nicht umsonst.
ZVAB: Damit der Buchhändler überhaupt ein Buch (vom Verlag) bestellen kann, braucht es einen Eintrag im „Verzeichnis der lieferbaren Bücher“. Damit ist gewährleistet, dass das gesuchte Buch auch vom Buchhändler im System gefunden werden kann. Die Eingabe der Bücher ins ZVAB kann entweder schriftlich oder elektronisch erfolgen. Dafür ist natürlich eine jährliche Gebühr fällig.
Kommen wir wieder zum Ausgangspunkt zurück. Da ich also kein BAG-Teilnehmer bin, habe ich mir erlaubt, eine E-Mail nach Bochum zu schicken, mit der Frage, ob eine Überweisung auf mein österreichisches Konto (!) möglich ist. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Antwort im September wieder per Brief kommt.
Die Probe-Bestellung von der Wiener Buchhandlung am Quellenplatz habe ich erhalten. Per Post. Aus Frankfurt! Absender: Informationsverbund Buchhandel (IBU). Ich schätze, jüngere Zeitgenossen würden sich über das seltsam anmutende Papier mit den vielen Löchern am Rand wundern. Aber nicht nur, dass es sich hier um das altbekannte Endlospapier handelt, nein, auch der Nadeldrucker (?) dürfte schon seine beste Zeit hinter sich haben. Und das Softwareprogramm wohl auch, mit dem der Ausdruck erstellt wurde. Andererseits, warum ein laufendes und funktionierendes System verändern? Bei genauerer Betrachtung hat sich der Buchhandel seit seinen Anfängen kaum verändert. Viele Köche. Viel literarischer Brei. Zumeist lauwarm serviert. Mahlzeit.
Übrigens, bevor ich es vergesse zu erwähnen: HEUTE, um etwa 12h50, ging das erste Rotkäppchen über den (im wahrsten Sinne des Wortes) Ladentisch. Wenn das kein Grund zum Feiern ist. Darauf trinke ich einen Krug voll Met.
glückwunsch zum ersten rotkäppi-ladentisch-verkauf 🙂
du bist „nur“ selbstverleger oder hast du nebenberuflich auch einen verlag angemeldet? das hatte ich damals ja gemacht (ohne eigene sachen zu verlegen). dann merkt man erstmal, wer da so alles geld haben will. obwohl „nebenbei“ wollte gleich die berufsgenossenschaft ihren jahresbeitrag (trotz x-maliger erinnerung, meine firma besteht nur aus einem schreibtisch und pc), mitglied im buchhandel, isbn-nummern und, und, und… dazu dann die ganzen rabatte 😉
Und nett wird es auch, wenn man versucht, zu klären, warum ein Buch, das man beim ZVAB gemeldet hat, nach einigen Monaten immer noch nicht bei amazon gelistet ist, obwohl das doch automatisch geliefert wird, oder wenn bei amazon 2 unterschiedliche Werke gegenseitig verlinkt sind, die gar nichts miteinander zu tun haben. (Zweiteres zu korrigieren habe ich nach 6 Monaten entnervt aufgegeben!!!)
@ wortman: ich bin „nur“ Selbstverleger. Ich denke, es ist schon eine Menge Arbeit, seine eigenen Bücher an den Mann, an die Frau zu bringen.
Tja. Eigentlich will ich ja nur schreiben. Hmm. Naja, ein bisserl herumlayouten und ein paar Münzen für sein kreatives Tun zu bekommen tut auch der Seele gut.
Ja, alle wollen sie mitnaschen, vom kleinen Kuchen.
@ pebo: amazon ist ein einziger Moloch, in dem Dinge geschehen, die Akte-X-verdächtig sind. Kommt mir manchmal wie ein virtueller Seelenfänger vor.
Vermutlich haben sich die BORGs aus amazon entwickelt.
amazon ist schon seltsam… hatte damals ein hörbuch produziert mit isbn und allem drum herum. es ist trotz meldung nie bei amazon aufgetaucht 😦
du hast deine sachen ja auch beim buchhandel gemeldet. in deutschland muss man dann ja jedes buch, was man auf den markt bringt, kostenlos mit 2 exemplaren an die deutsche bibliothek in frankfurt schicken. gibt es das auch in old austria?
Natürlich gibt es auch in „old austria“ das „Ablieferungsgesetz“. Muss noch aus Metternichs Zeiten stammen. Vermutlich ist es für manchen Autor das einzige Mal, dass jemand ein Exemplar von ihm FORDERT und VERLANGT!
Außerdem kommt die Deutsche Bibliothek in Leipzig und bittet mich höflich um eine „Buchspende“. Was soll ich sagen, natürlich schick ich denen auch ein Exemplar. Man will ja schließlich unsterblich werden 😉
ich wusste ganz genau, warum ich die nr. 115 von rotkäppchen haben wollte 🙂
1 x ausgepackt
1 x reingeguckt
5 sekunden bis zum ersten lacher 🙂
lieber richard, vielen dank für die schöne widmung. der mammon ist schon unterwegs zu dir 🙂
sobald ich es durchgelesen habe, bekommst du auch eine rezi.
nachher mach ich noch einen kommentar in meinen blog. ich sag dann bescheid 🙂
Na, das hört und liest man gerne!
Danke für die prompte Berichterstattung.
Mit dem Mammon werd ich meinen Blog in Gold einfassen. Man gönnt sich ja sonst nix 😉
eine ausführliche rezi kommt dann demnächst.
hier kannst schon mal gucken:
http://wortman.wordpress.com/2008/08/07/vom-swing-zur-leiche-und-dem-rotkappchen/
ok, ich hab es erstmal grobflächig überflogen und hier und da bisschen geguckt. wenn ich ein neues buch hab, blätter ich da immer erstmal durch. überrascht war ich von den vielen farbseiten und was ich jetzt schon sagen kann: gefällt mir gut diese art „dialog-schreibweise“, als hätte man ein theaterdrehbuch in der hand 🙂
die waffen sind übrigens schaukampfschwerter. also keine dekowaffen für die wand. ich glaub, ich hab dir dadrüber schon mal einen link von meinem blog gegeben, oder?
Hast du? Hmm. Kann mich jetzt gar net erinnern. Also her mit dem Link. Auf dass er dann schwarz auf weiß hier vermerkt ist.
Ja, „Dialog-Schreibweise“ ist nicht jedermanns Sache („Ist das jetzt ein Theaterstück oder was?“). Freut mich, dass du dich damit anfreunden kannst.
hier die links richard:
http://wortman.wordpress.com/2008/03/22/hau-mich-doch/
oder
http://wortman.wordpress.com/2008/04/03/wortman-knight/
ich finde diese art der „dialog-schreibweise“ überaus interessant. da kann ich mich sogar sehr gut mit anfreunden. 🙂 wenn man es genau nimmt, verfeinert man es noch eine runde und hat im prinzip bald ein fertiges theaterdrehbuch.
dann bevorzuge ich auch eher ridley scott als spielberg 🙂
die idee hatten wir schon mal, leider ist das gemachte video zu den bildern verschwunden 😦
so mal wieder bisschen spassvideos drehen, da hätte ich auch wieder mal lust zu…