Im Februar 2010 stürzte ich mich auf die neue Veröffentlichungsmöglichkeit und bastelte in mühseliger Handarbeit ein E-Book. Gewiss, ein PDF lag in der Lade, respektive auf der Harddisk, aber wer möchte schon ein stinknormales PDF lesen? Amazon hingegen lockte mit famosen Aussichten im virtuellen Buchbereich, dank eines brauchbaren digitalen Lesegeräts (kindle), drahtlose Shopanbindung inklusive! Die Zahlen überschlugen sich. Vorerst nur in den USA. Trotzdem wollte ich als Autor und Verleger dabei sein. Und bin dabei. Einer der ersten deutschsprachigen Autoren, die ihre Bücher bei amazon.com anboten (»German Edition«). Aber die Suchmöglichkeiten nach deutschen E-Books war bescheiden und die deutschsprachigen Kunden zierten sich, trotzdem ging die eine oder andere Kopie über den Ladentisch. Man ist ja immer wieder erstaunt, dass wildfremde Leutchen Münzen auf den virtuellen Tresen legen und sich mit einem meiner Bücher eindecken – ohne dass ich lächelnd daneben stehe oder mit einem scharf durchdringenden Blick ungeduldig auf den Kaufabschluss warte.

Kurzer Einschub: Möchte jemand en detail wissen, wie man ein E-Book erstellt oder welche Fallstricke auf einen warten, bitte sehr, hier geht’s zum relevanten Blog-Beitrag.
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Erst als amazon im Arpil 2011 auch in Deutschland mit seinem Kindle und einem überquellenden E-Book-Regal (zumeist englischsprachige Bücher) landete, gab es kein Halten mehr. Die Prognosen überschlugen sich (schon wieder). Aber das war schon Ende 2010 so. Und 2009 sowieso. Mit Sommer 2011 lasse ich meine E-Books über den digitalen Vertrieb bookwire vertreiben. Diese kümmern sich um Einstellung in den vielen Shops (von ibookstore bis amazon) und die Abrechnung. Das ist dann ganz angenehm, da man sich nicht mit den vertraglichen Eigentümlichkeiten der verschiedenen Shops herumplagen muss. Freilich, wer sich nur den Platzhirschen ausgesucht hat, der kann mit amazon durchaus zufrieden sein. Mit ein paar Klicks ist das Vertragsprozedere abgeschlossen und der Verkauf kann beginnen. Zack. Zack.
Über E-Books gibt es ja – vor allem in deutschen Landen – regelrechte Schlammschlachten. Die einen wollen davon nichts wissen und fürchten das Ende des gedruckten Buches, die anderen preisen die neue Technologie und die Vorteile. Die Wahrheit, wenn man so will, liegt bekanntlich immer dazwischen und zumeist wird nie so heiß gegessen wie gekocht. Für die einen ist das gedruckte Papier ein Geschäft, vielleicht sogar Existenzgrundlage, für die anderen ist das virtuelle Papier ein mögliches Geschäft. Als Autor und Verleger sehe ich die ganze Chose natürlich immer von zwei Seiten. Der Autor möchte seinen Text gelesen sehen – von so viele Menschen wie nur irgendwie möglich. Das ging früher nur über hohe Auflagen (oder Vorabdrucke in Zeitungen, Magazinen) und das bedeutet hohe Kosten, die ein normalsterblicher Autor nicht leisten hätte können. In digitalen Zeiten könnte man jedem Menschen auf diesem Planeten (so gut wie) alle Bücher zur Verfügung stellen, vorausgesetzt es gibt Strom, Internet und ein elektronisches Lesegerät. Voilà, das war einmal der Traum der Humanisten des 15. Jahrhunderts und der Enzyklopädisten des 18. Jahrhunderts. Aus diesem humanistisch aufgeklärten Traum ist nun für viele ein wirtschaftlicher Alptraum geworden.
Haben Sie schon einmal ein Antiquariat besucht, das seinen Bestand abverkauft, weil es schließt? Da stapeln sich Bücher über Bücher und der Staub vieler Jahre liegt auf den Buchdeckeln. Manche sind in einem erbärmlichen Zustand. Andere sehen noch jungfräulich ungelesen aus. Wenn man die hohen Regalreihen entlang geht, schüttelt man verständnislos den Kopf. Wer soll das lesen? Wer soll überhaupt Interesse daran haben, so viele Bücher zu lesen? Konsalik? Simmel? Das waren einmal Garanten für Verkaufserfolge. Heute? Ein müdes Gähnen. Und so wird es auch mit jenen Büchern geschehen, die sich gestern noch wie warme Semmeln verkauft haben. Die breite Masse verändert sich und damit auch ihr Geschmack, ihr Humor, ihre Einstellungen, ihre Werte.
Bibliotheken waren in früheren Zeiten die einzige Möglichkeit, Wissen abzufragen und griffbereit zu halten. Ich erinnere mich an Zeiten, als es kein Google gab, keine Möglichkeit, jede Information innerhalb eines Augenaufschlags in Erfahrung zu bringen. Da musste man sich in Büchereien bequemen und Kataloge durchsehen. Vage Anhaltspunkte halfen einem da recht wenig. Es sei dann, man kannte diese vielbelesenen Menschen, die innerhalb eines Augenaufschlages die richtige Antwort – oder wenigstens die richtige Quelle – wussten. Bücher waren teuer. Wohnraum war teuer. Als Stefan Zweig in den 1930ern aus Salzburg emigrierte – freiwillig unfreiwillig – und in Brasilien seine neue Heimstätte fand, klagte er, dass er nicht an seinen Romanprojekten arbeiten könne, weil er seine Bibliothek nicht mitnehmen konnte. Da saß er also, der gute Stefan Zweig, mit allerlei dunklen Gedanken, in Südamerika, und hätte vermutlich liebend gerne gearbeitet. Hätte er in der damaligen Situation über ein E-Book die Nase gerümpft? Ich wage zu behaupten, er hätte es als ein Segen der Menschheit betrachtet. Niemand, der ein Buch endgültig tilgen, löschen, verbrennen würde können. Niemand, der einem anderen den Zugriff verweigern würde können. Immer und überall würde die Möglichkeit bestehen, Bücher zu lesen oder diese zu bekommen – egal wie alt, egal in welcher Sprache, egal von welchem Autor, egal von welchem Verlag. Ja, für jeden kreativen Menschen, für jeden Wissenschaftler, für jeden Journalisten, für jeden aufgeklärten Menschen ist es ein Segen. Ohne Internet, ohne der virtuellen Bücher, hätte ich nicht für mein populäres Sachbuch dermaßen in die Tiefe gehen können (und weil nun jedermann diese Informationen abrufen kann, wenn er Zeit und Muße hat, wird der skeptische Leser natürlich noch skeptischer und fragt sich, welche Qualifikationen dieser Wiener Autor hat, um vergangene amerikanischen Polithänselein zu interpretieren, die zu guter Letzt das Leben jedes Einzelnen auf diesem Planeten beeinflussen).
Ist das E-Book also ein Segen für die Menschheit? Definitiv. Ist es ein Segen für den Buchhandel? Definitiv nicht. Wenn ich so darüber nachdenke, dann sollte man all jene Buchmenschen, die vom gedruckten Wort abhängig und somit in ihrer Existenz gefährdet sind, staatlich unterstützen. Aber das ist nur mal aus der Hüfte geschossen. Fakt ist, dass das digitale Zeitalter Möglichkeiten für die breite Masse bietet. Das mag nicht gerne gesehen sein, von einem Establishment. Aufgeklärte und informierte Bürger lassen sich nicht so leicht an der Nase herumführen. Würden wir auch noch zur alten Form des Kaffeehauses zurückkehren, das einmal ein Ort der Begegnung, der Diskussion, der Philosophie, der Schule war, dann wäre die Menschheit am richtigen Weg. Hirngespinste? Vielleicht.
Es ist schon ärgerlich, dass das Thema E-Book immer nur von einem wirtschaftlichen Standpunkt gesehen wird. Gewiss, ich bin Autor und Verleger, und würde es selbstjafreilich begrüßen, würde ich gutes Geld für den Verkauf (besser: Erlaubnis, den Text zu lesen) meiner E-Books bekommen. Aber hin und wieder muss man in seiner Argumentation auch das Große Ganze miteinbeziehen. Eine zukünftige Welt, in der jeder Zugriff auf alles hat und wo nichts verloren geht und wo niemand etwas endgültig zerstören kann. Klingt das nicht wunderbar?
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[P.S.: Gratis-E-Book gefällig? Voilà: Lydia, Der blaue Smaragd, das dschunibert prinzip]
Ein Gedanke zu „2 Jahre mit E-Books im Verlagsgepäck“