Henry Miller, Klaus Kinski und der Wendekreis im Nexus

Ich habe kein Geld, keine Zuflucht, keine Hoffnungen.
Ich bin der glücklichste Mensch der Welt.
Wendekreis des Krebses
Henry Miller

Das Layout für das Magazin LF soweit fertig und die Daten an die Druckerei verschickt; der Satz und den Umschlag für das phantastische Jugendbuch über fünf verschollene Kinder in einer ersten Version erledigt; Kostenvoranschlag für Erstellung eines E-Books für VS. in der gedanklichen Warteschleife. Ein bisschen Zeit also, um kurz über Gelesenes der vergangenen Wochen zu resümieren. Vor allem sticht hier Henry Miller  und Klaus Kinski heraus.

Miller und Kinski – auch wenn sie unterschiedlichen Generationen angehörten – sind sich nicht unähnlich gewesen. Beide auf der Suche. Beide litten, darbten, hungerten. Miller im Paris der 1920er und 1930er, Kinski im Nachkriegsdeutschland der 1950er. Immer wieder erschütternd, wenn der wohlbehütete Leser der Gegenwart mit dem schonungslosen Überlebenskampf konfrontiert wird. Freilich, die beiden hätten es auch anders haben, hätten sich in das System – vulgo Hamsterrad – eingliedern können. Aber sie waren zu ego-zentriert, zu leidenschaftlich, zu verrückt, als das sie für längere Zeit mit dem Strom schwimmen wollten. Aber alles hat seinen Preis. Wirklich.

Wenn wir uns heute im Kunstbetrieb umsehen, dann merken wir, dass es zu aller erst um den „Betrieb“ geht, dann erst kommt die „Kunst“. Wir treiben gegenwärtig einen Quantitäts-Fetisch auf die Spitze. Wo immer man hinkommt, überall werden einem die Verkaufszahlen, die Auflagen, die exorbitanten Auktionserlöse, die ausverkauften Wiederholungskonzerte um die Ohren geschlagen. Jeder musisch Inspirierte, der da nicht mithalten kann, wird ohne Zögern aussortiert und auf den Abfall geworfen. Punkt. Aus. Dazupassend der Artikel über alternde 30jährige Fußballgrößen und bekannte Rockstars jenseits der 60.

Möchte man also über Menschen lesen, die sich weder beugen noch brechen lassen, dann ist man bei Miller und Kinski gut aufgehoben. Freilich, auch sie haben Zugeständnisse und Kompromisse machen müssen: Miller bettelte und schnorrte und er hoffte beinahe täglich, dass ihm seine Frau in New York Geld überweisen würde; Kinski spielte jeden „Dreck“, so lange ihm die Produzenten eine gehörige Summe anboten. Die beiden autobiographisch gefärbten Bücher sind jedenfalls spannender zu lesen als jede gut konstruierte Fiktion. Miller und Kinski muss man einfach empfehlen. Gerade in Zeiten, in denen die Balance zwischen Mensch (Emotion) und Maschine (Geist) nicht mehr stimmt. Aber das ist eine andere Geschichte.