Nachhilfe für Herrn Chefredaktör B.

Occupy? Ach ja …

Am Samstag war es, als ich eine österreichische – zwischen Boulevard- und Qualitätsblatt pendelnde – Tageszeitung durchblätterte und aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Der geneigte Leser sollte wissen, dass ich eigentlich seit geraumer Zeit keinerlei Printmedium mehr durchsehe, um mich zu informieren. Höchstens zum Gaudium oder zum Geschocktwerden [Nervenkitzel 2.0], und hie und da zum Einpacken zerbrechlicher Dinge, aber, wie gesagt, sicherlich nicht, um mir die kleine und große Welt erklären zu lassen. Zurück zur Zeitung. Ich las die Kolumne eines recht seriös dreinblickenden Schreiberlings, der, wie ich auf der Wiki-Seite feststellen konnte, der, pardon, Chefredaktör des Blattes ist. Es ging darin um Reformen in Italien und dass es besser sei, jetzt in den sauren Apfel zu beißen als später. Nebenbei erwähnt er den Umstand, dass im Internet [Vorsicht, unseriös!] Ministerpräsident Monti »als ehemaliger Berater von Goldman Sachs gerne vernadert« [steht das Wort überhaupt im Duden?] wird, »als ob diese Bank Italien an den Abgrund geführt hätte«. Also gut, man muss scheinbar als Chefredakteur keine ausländischen Zeitungen lesen oder TV-Sender gucken, freilich nicht, es reicht, aus dem Fenster zu starren und sich einen Reim aus der gegenwärtigen Lage zu machen. Was einem da alles so einfällt, ist allerhand, net?

Die Bank Goldman Sachs hat mehr Leichen im Keller als die Tageszeitung Journalisten im Verlagsgebäude [gut, zugegeben, in solch schwierigen Zeiten kann sich kaum noch eine Zeitung gute Journalisten leisten]. Als Einstieg empfiehlt sich eine Mainstream-Doku, die auf ARTE ausgestrahlt wurde und auf deren Webseite leider nicht mehr gesehen werden kann. Aber wer sich im [unseriösen!] Internet mit einer bekannten Suchmaschine auskennt, der könnte zufällig auf den Film Goldman Sachs – Eine Bank lenkt die Welt stoßen. Aus dem Programmhinweis kann man entnehmen:

Seit fünf Jahren steht die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs für sämtliche Exzesse und Entgleisungen der Finanzspekulation. Die Bank soll gegen die europäische Einheitswährung spekuliert und die griechische Staatsschuldenbilanz mit Hilfe komplexer und undurchsichtiger Währungsgeschäfte geschönt haben. Als die europäischen Regierungen nacheinander dem Zorn der Wähler zum Opfer fielen, nutzte Goldman Sachs die Gunst der Stunde, um ihr komplexes Einflussgeflecht auf den alten Kontinent auszuweiten.

Falls diese kleine TV-Lektion vielleicht zu unseriös erscheint, dem kann natürlich geholfen werden, Englischkenntnisse vorausgesetzt. In der britischen Tageszeitung The Independent kann man die Eroberungsfeldzüge der, pardon, Banksters sehr gut nachvollziehen. Immerhin getraut sich die Zeitung klar und deutlich zu sagen, dass die Installierung von Monti undemokratisch war, da hilft es jetzt auch nichts, noch schnell den guten alten Berlusconi zu verknacken [steht das Wort im Duden?]. Solche Gedankengänge sind vermutlich für einen österreichischen Zeitungsmacher nicht opportun, der Schatten der Hapspurgers liegt wie eine Betondecke über dem Land und dem Geist. Also, hier der Artikel im wohlfeilen Englisch:  What price the new democracy? Goldman Sachs conquers Europe:

It is not just Mr Monti. The European Central Bank, another crucial player in the sovereign debt drama, is under ex-Goldman management, and the investment bank’s alumni hold sway in the corridors of power in almost every European nation, as they have done in the US throughout the financial crisis. Until Wednesday, the International Monetary Fund’s European division was also run by a Goldman man, Antonio Borges, who just resigned for personal reasons. Even before the upheaval in Italy, there was no sign of Goldman Sachs living down its nickname as „the Vampire Squid“, and now that its tentacles reach to the top of the eurozone, sceptical voices are raising questions over its influence.

Der freundliche Nickname, der Goldman Sachs verpasst wurde, nämlich Vampire Squid, ist ein Vampirtintenfisch und laut Wiki in seiner wörtlichen [lateinischen] Übersetzung Vampirtintenfisch aus der Hölle. Also, um ehrlich zu sein, den guten Monti hier nicht, pardon, zu vernadern, wäre für einen aufgeklärten Bürger beinahe grob fahrlässig. Aber gut, mein Blog ist Internet, wenn man so will und damit komme ich gegen die mit Druckerschwärze veredelten Gedanken natürlich nicht an. Apropos. Auf Seite 1 besagter Zeitung gibt es eine kleine Kolumne, die scheinbar eine Gitarre verfasst hat. Die Gedankengänge sind einerseits richtig [immer mehr Arbeitslose, immer weniger Jobs], andererseits wird am Ende nur mit der Schulter gezuckt, frei nach dem Motto: »Was geht’s mich an, net?« Eigentlich dachte ich ja immer, dass die Zeitungsleut dafür bezahlt werden, nicht nur Fragen zu stellen, sondern auch die Antworten von den Politikern oder den Verantwortlichen einzufordern [bereits 1994 hat sich jemand im Forbes Magazine über die Zukunft des Jobs Gedanken gemacht und dessen Ende prophezeit]. Solche Kolumnen kann man sich deshalb  sparen und überhaupt, die ganze Zeitung, pardon, taugt leider sehr wenig. Schon alleine der Artikel auf Seite 7, der die New York Times [Qualitääät!] zitiert und dem chinesischen Premier ans Bein pinkeln möchte, weil er es wagt, Milliardär zu sein. Die gute New York Times sollte sich mal die Vermögen der US-Politiker genauer anschauen, da könnte einem auch so einiges auffallen. Zum Beispiel, dass der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg mit einem geschätzten Vermögen von 25 Milliarden Dollar den chinesischen Premier arm aussehen lässt. Dass besagter Bloomberg sich auch seine eigene Polizei hält, immerhin die siebentgrößte der Welt, wäre im Alten Rom ein hinreichender Grund gewesen, in die Verbannung (oder Tod, je nach dem) geschickt zu werden. Gegenwärtig jucken kaum jemanden solche martialischen Aussagen, da zeigen wir lieben nach China. Da haben wir zwar keine Ahnung, wie die Verhältnisse sind, aber damit können wir suptil [für: super subtil] ablenken, nicht? Und weil wir gerade beim Thema sind, kann ich den Artikel It’s the Inequality, Stupid nur jedem Schreiberling ans Herz legen. Da gibt es viele bunte Grafiken, die zeigen, wie reich die Superreichen sind und wie es dem Rest des, pardon, Pöbels – 99 % –  geht.

Überhaupt die, pardon, politischen Kleinanzeigen auf S. 7 sind ein klassisches Beispiel, wie Chomskys und Hermans Propaganda-Modell funktioniert. Man erfährt alles, was man als uninformierter Bürger wissen soll:

Afghanistan = Bürgerkrieg,
Iran = Unrechtsregime,
Islam = Mittelalter,
Wikileaks = Wichtig,
Russland = Putinregime.

Dass es auch immer zwei oder drei Seiten gibt, die man vielleicht als Qualitätszeitung beachten und erwähnen sollte, dürfte in der Journalistenschule scheinbar nicht mehr gelehrt werden. Wenn man also meint, dass nur der arabische Sender Al Jazeera keine nackten Brüste zulässt, dann sollten wir uns kurz daran erinnern, wie die Wogen in good ol‘ USA hochgingen, als in der Pause der 38. Superbowl-Liveübertragung ein gewisser Timberlake einer gewissen Jackson an die Wäsche ging und dabei eine ihrer Brustwarzen dem geschockten Live-Publikum entgegen-starrte. Nicht umsonst wurde die folgende Kontroverse als Nipplegate bezeichnet, wo es Beschwerden und Klagen und Reglementierungen regnete. Würde nun eine Aktivistin ihre Brüste live im US-TV präsentieren wollen, ich schätze, die Schockwelle, die es auslösen würde, wäre noch in der Kapuzinergruft zu spüren.

Zu den anderen Einträgen, also, dazu kann ich nur sagen, dass man sich kurz die Frage gestatten soll, welche Regierung welchen Landes die demokratisch gewählte Regierung in Afghanistan Ende der 1970er Jahre beiseite schob und das Land mit Terroranschlägen überzog. Die UdSSR war es jedenfalls nicht. Ob Putin zu den Guten oder Bösen gehört, kann ich nicht sagen, aber da die USA alles daransetzt, ihn loszuwerden, gehe ich von ersterem aus [aber auch das kann wiederum nur ein Indiz für eine Dobblecross-Aktion sein. Tja. Die hohe Politik ist nicht leicht zu durchschauen. Period!] Bleibt noch Wikileaks. Um ehrlich zu sein, ich halte Monsieur Assange genauso für ne Marionette wie sein Portal. Beweise gibt es dafür natürlich keine, Indizien aber genügend. Demnächst mehr in meinem neuen Buch. Period! [damit will ich nicht sagen, dass ich die Periode habe, sondern damit meine ich, dass man darauf Gift nehmen könne, dass es so ist. Ich habe mir das Wort von den coolen Amerikanern abgeschaut].