Watergate, Haider, Stronach und der Abgesang der Demokratie

Churchill, so hört man es immer wieder, soll ja einmal gesagt haben, dass Demokratie die schlechteste aller Regierungsformen sei, aber es gäbe keine bessere. Tatsächlich sagte er 1947, dass eine Demokratie nicht perfekt oder allwissend sei und womöglich die schlechteste Regierungsform sei, mit Ausnahme all jener, die von Zeit zu Zeit ausprobiert wurden. Gut. Was sagte er noch? In der selben Rede:

›Die Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk‹,
bleibt noch immer die unumstößliche Definition von Demokratie.
Winston Churchill
House of Commons
11 November 1947
[vol 444 cc203-321]

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Die letzten Tage mich intensivst mit Präsident Richard Nixon und der Watergate-Affäre befasst. So intensiv habe ich die Bausteine herumgeschoben, dass mir heute der Schädel brummt. Dafür bin ich zum aberwitzigen [vorläufigen] Schluss gekommen, dass die US-Affäre, die sich zwischen 1972 und 1974 zutrug, durchaus vergleichbar ist mit einer Affäre, die zwischen 1787 und 1789 in Frankreich stattfand. Mit dem nicht unwesentlichen Unterschied, dass es in Washington keine Guillotinen gab. Trotzdem kostete es manchen der hochrangigen politischen Akteure den Kopf. Ja, auf der einen Seite eine Demokratie, auf der anderen Seite eine Monarchie. Heute würde ich sagen, Ludwig XVI. hätte sich zum Präsidenten einer Demokratie machen und verlautbaren müssen, dass alle Macht vom Volke ausginge. Ich schätze, dann hätten wir heute noch einen Bourbonen am Präsidenten-Thron sitzen.

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Als die FPÖ im Jahr 2000 in die Regierung »gewählt« wurde, gab es einen öffentlichen Aufschrei. Wie konnte ein »rechstradikaler« Politiker mit seinen Günstlingen an die Spitze eines demokratischen Landes kommen? Über die schüsseligen Hintergründe will ich nicht sprechen, weil es kein Verbot dafür gibt, als Politiker Macht an sich zu reißen, wenn es opportun scheint und im Einklang mit dem Recht geschieht. Wäre es damals nicht mit gesetzlichen Dingen zugegangen, hätte man in der Justiz und in der Exekutive die Schuldigen suchen und verurteilen müssen. Das hat man nicht. Statt dessen sorgte ein ordentlicher außenpolitischer Wirbel für einen diplomatischen Eklat nach dem anderen. Österreich war eine Demokratie. Die Wähler haben gewählt. Die Politiker haben das Wahlergebnis nach ihren Wünschen interpretiert. Auch an dieser Stelle entsprach es dem gesetzlich Erlaubten. Trotzdem wollte ein Teil der weltpolitischen Elite diese schüsselige Interpretation der Wahl nicht zulassen. Auf den Punkt gebracht: die Demokratie hat gesprochen und eine politische Gruppe hat gesagt: Das gefällt uns nicht. Ist das Demokratie? Nope. Mit Sicherheit nicht. Gut. Man könnte natürlich sagen, dass die Mehrheit der Wähler nicht mit der schüsseligen Interpretation der Wahl einverstanden war. Fein. Wenn dem so wäre, hätte man nicht das Wahlgesetz, die Wahl und die Interpretationsmöglichkeiten einschränken müssen? Hätte man nicht als Wähler sagen können: »Ich gebe nur Partei X meine Stimme, wenn sie jedoch mit Partei Y oder Z koaliert, entziehe ich ihr meine Stimme, mein Mandat!« – Ja, das wäre womöglich die einzige Lösung gewesen, neben der Änderung von einer indirekten zu einer direkten Wahl. Hat man es gemacht? Nope. Eine politisch-elitäre Gruppe verhinderte demnach eine legale Interpretation einer demokratischen Wahl.

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Im Jahr 2012 besinnt sich Multimilliardär und Austrokanadier Stronach daran, dass er eine politische Aufgabe hätte. In den liberal-konservativen Qualitätsblättern wird er als »senil« und »machthungrig« dargestellt, der sich mit seinem Geld eine Partei erkaufen möchte. Tatsächlich, so lesen wir, traten bereits Parlamentsabgeordnete in seine Partei ein, wechselten also das Parteilager. Es wird gemunkelt, dass hier Geld im Spiel sei. Nein, keine Bestechung, keine Geldgeschenke – einfach nur die Aussicht auf einen gut dotierten Partei- bzw. Regierungsposten in naher Zukunft und die Aussicht auf ein gut dotiertes Jobangebot in der Privatwirtschaft in ferner Zukunft. Im Fußball sind solche Transfers nichts Ungewöhnliches. Schließlich wollen die Fußballer dort spielen, wo sie viel Geld verdienen können. Anders gesagt, mit Stronach stehen die Chancen gut, in die Champions League der Politik aufzusteigen. Aber auch hier vermisse ich wieder die Frage, ob Geld eine Partei oder Stimmen kaufen darf. Natürlich wird jeder Politiker darauf pochen, dass Geld in der Politik keine Rollen spielen darf. Ähnliches hört man auch im Fußball. Geld kauft keine Siege. Aber die Wahrscheinlichkeit steigt mit jedem Cent, der in die Mannschaft gesteckt wird (okay, Red Bull Salzburg scheint hier die Regel mit der notwendigen Ausnahme zu bestätigen). Weiters ist der Umstand zu berücksichtigen, dass, wenn jemand genug Geld in die Hand nähme, er zwei Drittel der Abgeordneten in sein Lager holen die Verfassung ändern und aus Österreich ein FKK-Club machen könnte. Halten Sie das jetzt für unwahrscheinlich? Die Frage ist eher, ob es dahingehend eine rechtliche Handhabe gäbe, das zu verhindern. Weil, wenn ich vor zwei Jahren Partei X meine Stimme gegeben habe und die gewählten Parlamentarier geschlossen zur Partei Y übertreten, dann war das nicht meine Intention, als ich die Stimme abgegeben habe. Scheinbar hat noch niemand darüber nachgedacht und bemerkt, dass hier ein demokratisches Prinzip sang- und klanglos unter den Teppich gekehrt wird. Jedenfalls hätte ich noch keine Diskussion darüber gehört – was vermutlich daran liegen könnte, dass ich der inländischen Presse nur mehr in Ausnahmefällen folge – mein Verstand verbietet es mir, mehr als fünf Minuten österreichischen Mainstream zu hören/lesen/gucken. Pro Woche.

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