Weltoffen, kritisch, unabhängig? Willkommen im Märchenland des Mainstream

Standard_AboDie Wochenendausgabe der eingefärbten Qualitätszeitung schlägt auch diesmal wieder die Propaganda-Trommel. Es ist erbärmlich, wenn man sieht, wie gutgläubige Bürger – nicht dumm, nicht bös – an der Nase herumgeführt werden. Sie werden jeden Tag aufs Neue mit dem „Wahren“, dem „Richtigen“, dem „Guten“ konfrontiert. Die Gedanken dürfen nur noch in eine vorgegebene Richtung auf einer genau definierten Einbahnstraße gedacht werden. Jeder, der diese Straße verlässt, sei es auch nur kurz, muss mit Konsequenzen rechnen. Ich bekomme ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, wenn ich sehe, wie die Gesellschaft diese Qualitätsmanipulation nicht nur zulässt, sondern sie auch noch befördert. Gewiss, das Schmierenblatt des Boulevard hat es schon immer gegeben. Gossip. Gerüchteküche. Geschrei. Geschwätz. Nichts Neues. Orwell beschreibt in 1984 ja exakt, wie eine ausgesuchte Beamtenschaft Schundblätter (und Pornographie) für den Pöbel fabriziert, um diesen von der (politischen) Realität abzulenken. Aber warum tun die Intellektuellen da mit? Sollten diese nicht das Leuchtfeuer der Aufklärung sein?

Für Noam Chomsky haben die Intellektuellen die Verantwortung, die Wahrheit zu sagen und Lügen aufzudecken. Diese Verantwortung der Intellektuellen leitet sich aus der politischen Freiheit, dem Zugang zu Informationen und der Redefreiheit her. Aber nach Chomsky zeigt die historische Erfahrung, dass Intellektuelle diesen privilegierten Status nicht für das Sagen der Wahrheit nutzen, sondern vielmehr ihre Fähigkeiten in den Dienst für die Interessen und Privilegien der Machtelite stellen. Diese Machtelite entscheidet darüber, was in der Gesellschaft passiert, weil sie über den dafür notwendigen Reichtum besitzt.

Die Wachhunde der Machtelite: Noam Chomskys Kritik der Intellektuellen
Wolfgang Lieb
NachDenkSeiten