Zugegeben, in den letzten fünf oder sechs Jahren habe ich facebook recht stiefmütterlich behandelt, mich im virtuellen Freundschaftsverband nur kurz aufgehalten und zumeist nach wenigen Minuten schnell das Weite gesucht. Das wird sich wohl so schnell nicht ändern, weil mir bewusst ist, dass facebook und all die anderen interaktiv-sozialen Medienkanäle mit der Psyche der Nutzer jonglieren. So kommen Studien zum (vorläufigen) Schluss, dass eine erhöhte Nutzung von facebook depressive Symptome verstärken. Aber wie mit allen abhängig machenden Substanzen – seien sie stofflich oder virtuell – so sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass die stärkste Wirkung jene erfahren, die – einfach gesagt – psychisch/seelisch am instabilsten und damit am empfänglichsten sind.
Wussten Sie eigentlich, dass in der griechischen Mythologie die gute Psyche so liebreizend war, dass man sie für die Göttin Venus hielt? Weshalb Venus – recht eifersüchtig, die Schöne – ihren Sohn Cupido (Eros/Amor) beauftragte, die Psyche zu einer unanständigen Liebe zu verleiten. Doch Cupido verliebte sich in Psyche und von da an ging es drunter und drüber. Aber am Ende wurde Psyche in die Gesellschaft der Götter aufgenommen und gebar dem Cupido eine Tochter, die Wolllust hieß. Sollten Sie also in Zukunft mal wolllüstige Gedanken hegen, schieben sie es einfach auf die Psyche.
Während ich Prof. Jordan Petersons empfehlenswerten Vortrag über seine 12 Lebensregeln hörte, dachte ich mir, ich könnte doch im Februar jeden Tag aktiv facebook nutzen und darüber reflektieren, was es mit mir anstellt. Ich werde freilich die Zeitspanne auf 30 Minuten festlegen, um nicht Gefahr zu laufen, meinen Tagesablauf ständig zu unterbrechen. Ich stelle mir vor, dass ich jeden Tag zumindest einen Status-Eintrag mache. Für gewöhnlich ist das eine große Herausforderung, da ich selten etwas Aufregendes mitzuteilen habe. Nichtigkeiten stoßen mir säuerlich auf und Humoristisches ist mir am Ende zu banal – wenngleich ich den Hut vor all jenen ziehe, die ein gelungenes Bonmot scheinbar ohne Anstrengung aus dem Ärmel schütteln können, beispielsweise die Social-Media-Leute der Wiener Hauptbücherei.
Der springende Punkt bei all diesem Social-Media-Geplänkel ist der Umstand, dass der gewöhnliche Mensch förmlich gezwungen wird, sich an einem inhumanen Wettbewerb um Gunst und Aufmerksamkeit zu beteiligen. Tag für Tag. Immer wieder aufs Neue. Dieser endlos scheinende Kampf reibt alle Beteiligten langsam, aber unaufhaltsam auf. Man stelle sich einen Markt vor, in dem jeder Käufer auch Verkäufer ist – alle wollen sie ihre Waren an die Frau bringen, die wiederum ihre Waren an den Mann bringen möchte. Da jedoch nicht genug Aufmerksamkeit für alle da ist, muss unweigerlich der eine oder die andere leer ausgehen. C’est la vie en facebook.
Sodala. Dann stricken wir mal die Ärmel hoch. Vielleicht findet sich am Ende gar ein Bonmot, das ich dann en passant hervorschütteln kann. Ei, da würden meine facebook-Freunde aber Augen machen. Wie viele likes ich wohl bekommen werd? Hach, ich kann es gar nicht mehr erwarten. Bald liegt mir facebook zu Füßen. Aus dem brotlosen Schriftsteller wird ein gefeierter Bestsellerautor. Was höre ich da? Alles nur Chimäre? Und wenn schon. Ich, mit meiner ungeheuren Phantasie, ich hab wenigstens so ein phantastisches Ungeheuer. Zugegeben, das Gassi gehen, das gestaltet sich dann doch recht schwierig.