Hola! Wer hätte gedacht, dass die freundschaftliche Begegnung noch angepfiffen werden würde. Sintflutartige Regenfälle mit Hageleinlagen ließen eine Absage ziemlich sicher erscheinen. Aber nach über einer Stunde hatte der Kärtner Wettergott ein Einsehen und schloss die Schleusen. Mit einiger Verspätung konnte dann doch noch der Ankick erfolgen. Für die einen war das Spiel ein weiterer Prüfstein für kommende Höhenflüge, für die anderen einfach nur die Vorbereitung zur Weltmeisterschaft. Ja, die einen bleiben zu Hause, die anderen dürfen nach Russland. So ist das eigentlich schon immer gewesen. Aber das ist wiederum eine ganz andere Geschichte.
Das Spiel selbst teilte sich in zwei Hälften. Die erste erinnerte an jene Zeiten, als unsere Balltreter in der Defensive wie aufgeschreckte Hühner herumliefen und in der Offensive vor Ehrfurcht erstarrten. Je nach Gegner und Gemütslage.
Als Torhüter Jörg Siebenhandl in Bedrängnis geriet und sein Abschlag ausgerechnet Mesut Özil (ja, er hätte auch für das türkische Nationalteam spielen können, hätte er sich einst dafür entschieden) vor die Füße fiel, war die Show so gut wie gelaufen. Der Steher der deutschen Nation schlenzte den Ball ins lange Eck. Zwanzig Minuten später gab es seltsamerweise eine ähnliche Situation mit umgekehrten Vorzeichen. Der alte neue Super-Goalie Manuel Neuer – verletzungsbedingt fiel er seit Oktober 2016 aus -, ebenfalls in Bedrängnis gebracht, schlägt den Ball unkontrolliert weg. Alessandro Schöpf, dem der Ball vor die Füße fällt, kann aber aus der Chance nichts machen.
Die erste Hälfte war demnach zu vergessen. Kein schön anzuschauendes Spiel. Der Gegentreffer nahm den Österreichern Lust und Leidenschaft und gab den Deutschen die gewohnte Ballsicherheit. Es folgten zähe Minuten mit modern-fadem Ballgeschiebe, Ball-laufen-lassen, Ball in die Spitze tragen und dergleichen mehr. Es hätte nicht viel gefehlt und Österreich wäre, wie in den schlimmen Zeiten, unter die deutschen Zahnräder gekommen.
Aber die Zeiten ändern sich. Hin und wieder auch im Fußball. Der Ausgleich von Martin Hinteregger wenige Minuten nach Wiederanpfiff war eine Sensation (O-Ton BT: „What a goal! Absolutely sensational“; ZDF: „Haha. Da knallt’s!“) – aber ob er den Ball noch einmal in seinem Fußballerleben so perfekt treffen wird – volley aus vollem Lauf, spitzer Winkel – , steht in den Sternen. Der Siegestreffer eine mustergültige Kombination, die Hoffnung (und Lust) auf mehr macht. Ja, die zweite Hälfte war dann das erhoffte und vielleicht erwartete österreichische Furioso – wo Arnautovic & Co die deutsche B-Abwehr zuweilen schwindlig spielten und die Löw-Auswahl schlecht aussehen ließen.
Am Ende freut man sich für das Foda-Team. Denn mentale Stärke wird über einen langen, sehr langen Zeitraum aufgebaut. Das deutsche Nationalteam ist das beste Beispiel dafür – in den Knochen jedes einzelnen Spielers stecken all die Siege, all das Aufbäumen gegen vermeintliche Niederlagen aus längst vergangenen Zeiten. Wahrlich schad, dass unser Wunderteam II bei der WM 1954 in der Schweiz nur die „Bronzene“ machte. Es hätte nicht viel gefehlt und der Mitfavorit aus Österreich hätte sich im Finale gegen den Erzrivalen Ungarn „gematcht“. Aber irgendwie – nur ein vages Bauchgefühl – scheint es, als hätte der Westen und die BRD unbedingt ein Ausrufezeichen gegen den Osten gebraucht, damals, rund 10 Jahre nach dem Krieg. Der Rest ist Spekulation. Hier ein hübscher Videoclip über die Tore der Hitzeschlacht von Lausanne – als die Österreicher nach 0:3 Rückstand gegen Gastgeber Schweiz am Ende 7:5 siegten. The highest-scoring match in world cup history, heißt auf FIFA.com! Übrigens, unser Goalie erlitt während des Spiels einen Sonnenstich und musste von einem der Betreuer, der hinter dem Tor stand, „angeleitet“ werden. Ja, so war das damals.
Was bleibt vom gestrigen Spiel? Aussagekraft hat es eigentlich keine. Wenn es um nichts geht, dann geht es eben um nichts. Aber in den Köpfen der österreichischen Mannschaft braut sich etwas zusammen. Im Positiven versteht sich. Das kann nur gut für den österreichischen Fußball sein. Es braucht für unsereins nämlich recht wenig, um vom hohen Ross herunterzufallen. Das Gackern der Hühner, das Verwandeln in Statuen, ach, wir Alten kennen es zur Genüge. Hätte Alaba beim ersten Spiel der EM 2016 (gegen die Ungarn!) ins Tor und nicht auf die Stange geschossen, wer weiß, wann und wo und wie der österreichische Höhenflug geendet hätte. Aber so ist das eben. Ein Spiel dauert 90 Minuten und am Ende gewinnen die Deutschen, während die Österreicher ihren vergebenen Chancen nachtrauern und in eine „Was wäre wenn“-Hirnakrobatik kippen.
Aber die Zeiten ändern sich. Sagte ich das schon?