Kroatien : Brasilien 1:1 4:2 n. E.
Niederlande : Argentinien 2:2 3:4 n.E.
Marokko : Portugal 1:0
England : Frankreich 1:2
Die Viertelfinalspiele mit den wohl zwei der größten Überraschungen dieser Weltmeisterschaft: Brasilien fliegt im Elfmeterschießen aus dem Turnier und Portugal muss wegen eines Tormannfehlers die Koffer packen. Kroatien und Marokko sind die lachenden Gewinner. Messi mit seinen Argentiniern wäre beinahe das Lachen im Halse stecken geblieben, musste man nach einem 2:0-Vorsprung noch den Ausgleich in letzter Sekunde hinnehmen und ins Elfmeterschießen gehen. Aber die Nerven hielten dem Druck stand. Nur die Franzosen, mit dem vermeintlich schwersten Los, hatten mit den Engländern die wenigsten Mühen. Weil Harry Kane seinen Penalty in den Himmel von Katar schoss. „Was wäre, wenn …?“, werden sich viele Fans noch Jahre später fragen. Aber Fußball bleibt unvorhersehbar. Und das ist auch gut so.
Im Halbfinale treffen die Mannen von Modric auf die Mannen von Messsi. Und die Marokkaner ziehen mit wehenden Fahnen gegen La Grande Nation und sorgen für Gänsehautstimmung. Gelingt es den Nordafrikaner mit arabischen Querverbindungen ins Finale einzuziehen? Mon Dieu, die Fußballwelt würde Kopf stehen.
Kroatien : Brasilien 1:1 4:2 n.E.
Ojemine. Die Lieblinge der Fußballfans müssen nach Hause fahren. Niemand dachte ernsthaft daran, dass Neymars Brasilien die Heimreise antreten würde müssen. Nicht gegen in die Jahre gekommene Kroaten, die vor vier Jahren mit dem Finaleinzug die größte Überraschung der WM 2018 ablieferten. Damals freute man sich für Modric & Co – sie waren Underdogs und kämpften sich mit hängender Zunge bis an die Spitze. Das verdiente Respekt. Diesmal, nun ja, haben sie vielleicht den Bogen überspannt. Ausgerechnet Brasilien aus dem Turnier zu werfen. Natürlich im Elfmeterschießen. Das kroatische Selbstbewusstsein ist wie ein Bergmassiv, während die ganze schwere Last auf den brasilianischen Spielern lag, die als Favorit ins Spiel gingen. Aber ein weiteres Mal musste man feststellen, dass Brasilien keine Turniermannschaft ist. Über 70 Minuten lang stocherten sie in der kroatischen Hälfte herum, ohne die großen Torchancen fußballerisch herbeizuzaubern. Die Kroaten nahmen Casemiro im Mittelfeld aus dem Spiel und damit war die Verbindung zwischen Defensive und Offensive gekappt. Aber das größte Manko war vor allem die geistige Spannung der südamerikanischen Spieler. Es fehlte die Aggressivität, dieses unbedingte Wollen. Erst der eingewechselte Antony zeigte, was möglich gewesen wäre, hätten die Brasilianer mit dieser Wut im Bauch gespielt. Die ersten 70 Minuten ein beinah ereignisloses dahinplätschern. Hätte man sich sparen können. Dann zieht Brasilien das Tempo an. Die müde wirkenden Kroaten werden zurückgedrängt. Die Chancen häufen sich, aber Goalie Livakovic steht immer richtig. Die Folge: Verlängerung. Erst da wurde dem brasilianischen Team bewusst, was auf dem Spiel stand. Schlussendlich gelingt Neymar am Ende der ersten Hälfte der Verlängerung der Führungstreffer – richtig fein vors Tor kombiniert und perfekt abgeschlossen. Jetzt fehlten nur noch 15 Minuten aufs Halbfinale. Alles schien angerichtet. Die Kroaten kämpften und rackerten, aber gefährlich konnten sie nicht werden. Minuten vor dem Schlusspfiff laufen die Brasilianer in einen kroatischen Konter, den Petkovic mit ein wenig Glück verwertet. Wie konnte das nur passieren? Die Brasilianer, wieder einmal, waren sich ihrer Sache zu sicher und wurden prompt bestraft. Als es ins Elfmeterschießen ging, ahnte man bereits, dass Brasilien längst verloren hatte. Gegen die willensstarken und selbstbewussten Kroaten gab es nichts zu gewinnen. Und wieder hält Goalie Livakovic ausgerechnet den ersten Elfer von Rodrygo und Marquinhos knallt schließlich den entscheidenden Elfer gegen die Stange. Das war es. Aus. Vorbei. Damit ist eine der stärksten Mannschaften ausgeschieden. Die Kroaten haben mit all ihrer Routine und Erfahrung den Brasilianern die Schneid abgekauft, waren kaltschnäuzig und kämpferisch. Die Südamerikaner wieder einmal darauf vertrauend, in der regulären Spielzeit dank eines Genieblitzes zu gewinnen. Ähnlich verlief es gegen die Schweiz. Auch da reichte ein einziger Genie-Streich für den Sieg. Hätte die Selecao im Achtelfinale gegen Uruguay spielen müssen, es wäre ein harter Kampf auf Biegen und Brechen geworden. Aber mit Südkorea hatten sie leichtes Spiel und damit verloren sie die so notwendige innere Spannung. Kroatien hat gewonnen, weil Brasilien bereits beim Anpfiff das Spiel aus der Hand gab.
Niederlande : Argentinien 2:2 3:4 n.E.
Gute 70 Minuten tut sich nicht viel auf dem Rasen. Ein Geniestreich von Messi führt zum Führungstreffer, aber die Niederländer können nicht zulegen, werden von den laufstarken und aggressiven Argentiniern am Offensivspiel gehindert. Weder Depay noch Gakpo finden eine Lösung oder Chance vor. Die Flügelspieler, die im Achtelfinale die US-Amerikaner aus dem Bewerb schossen, sind nicht zu sehen. In der 73. Minute verwandelt Messi einen Elfmeter und damit scheint alles klar zu sein. Sollte man meinen. Trainerfuchs van Gaal wirft nun die langen Ersatzspieler in den argentinischen Strafraum. Eine Flanke nach der anderen wird vor das Tor geschlagen und tatsächlich köpft Weghourst in der 83. Minute den Anschlusstreffer zum 1:2. Die Niederländer wittern ihre Chance, die Argentinier halten verbissen dagegen. Die Nerven liegen auf beiden Seiten blank. Im Spiel regnete es Gelbe Karten und es hätte nicht viel gefehlt, und die niederländische Ersatzbank hätte einen provozierenden Argentinier am Feld um einen Kopf kürzer gemacht. Während es also die ersten 70 Minuten nur Schlafwagenfußball zu sehen gab, geht es in den letzten Minuten der regulären Spielzeit drunter und drüber. Es folgt eine lange Nachspielzeit von 10 Minuten und ein Drücken der Niederländer, die knapp vor dem Schlusspfiff noch einen Freistoß zugesprochen bekommen, der dann tatsächlich verwertet wurde. Muss man gesehen haben. Statt eines Krachers aufs Tor, wurde der Ball zu einem Mitspieler im Strafraum gespielt, der mit einer Drehung das Tor erzielt. Wir schreiben die 101. Minute der regulären Spielzeit. Allerhand. Es ging in die Verlängerung. Die Niederländer einzig gewillt, kein Tor zu bekommen, die Argentinier gewillt, nicht ins Elfmeterschießen zu müssen. Es bleibt beim 2:2. Das Elfmeterschießen wieder eine Nervensache. Der argentinische Goalie Martinez pariert die ersten zwei Penaltys und bringt damit seine Mannschaft auf Erfolgskurs und ins Viertelfinale. Wäre Argentinien genauso wie Brasilien ausgeschieden, es wäre ein trauriger WM-Tag gewesen.
10.12.2022
Marokko : Portugal 1:0
Allerhand, was sich bei dieser Weltmeisterschaft zusammengebraut hat. Das Halbfinale lautet Marokko : Kroatien. Man hätte reich werden können, hätte man darauf gewettet. Wirklich faszinierend, mit welcher Hingabe die Nordafrikaner in das Spiel gegangen sind. Trotz mehrerer Ausfälle – vor und während des Spieles – wichtiger Spieler, überzeugen die Marokkaner auf ganzer Linie. Die Portugiesen sind in der Offensive überraschend ideen- und zahnlos. Egal, was sie tun, egal, wen sie noch auf den Rasen und ins Feuer werfen, die Abwehr der Marokkaner ist nicht zu knacken. Die einzige Mannschaft des Turniers, die noch nicht verloren hat und nur ein Gegentor – ein Eigentor – hinnehmen hat müssen. Die Spielweise der Marokkaner herzerfrischend. Da gibt es technische Einlagen, Dribblings, Offensivläufe, dass einem das Herz übergeht. Während die Portugiesen oftmals den sicheren Querpass spielen, versuchen die Marokkaner die Gegenspieler zu überwinden. Vielleicht zeigt sich hier die afrikanische Verspieltheit, die man europäischen Mannschaften längst ausgetrieben hat. Dahingehend ist Marokko ein sympathischer Gewinner. Ist es eine bessere Mannschaft als Portugal? Vergleicht man die Spieler – und deren Marktwert – ist klar, dass Portugal der klare Favorit in dieser Begegnung war. Qualität auf jeder Position. Die Marokkaner auf der anderen Seite kämpften als ein Team, das schließlich mehr ist als nur die Summer aller Einzelspieler. Die Portugiesen hätten gewarnt sein müssen, nach der Niederlage Spaniens. Hatten sie kein Rezept? Hatten sie die falsche Taktik? Waren sie sich ihrer Sache zu sicher? Ähnelt die Situation nicht Brasilien, die im Achtelfinale ebenfalls den Gegner dominierte und deshalb die innere Spannung verlor?
Frankreich : England 2:1
Holimoli. Harry Kane, einer der sichersten Elfmeterschützen für England, tritt zum Strafstoß an, den wichtigsten in seiner bisherigen Karriere, liegt seine Mannschaft 1:2 zurück. Keine zehn Minuten Spielzeit sind noch übrig. Und Harry Kane, der im Spiel bereits einen Penalty souverän und kaltblütig unhaltbar gegen seinen Teamkollegen bei Tottenham verwandelt hatte, läuft an und haut den Ball im Stile eines David Beckhams anno 2004 übers Tor. Der einen halben Welt bleibt der Mund vor Schreck offen, die andere lacht sich ins Fäustchen. Mbappe, immer sprühend vor Witz, lachte ungeniert. Ja, des einen Leid, des anderen Freud. So kam es, wie man es vielleicht erwarten hat können: Frankreich besiegt den Mitfavoriten in einem beschaulich dahinplätschernden Viertelfinalspiel. Emotionale Ausbrüche gab es so gut wie keine. Hier liegt der Hase im Pfeffer. Den englischen Fußballern, Profi-Kicker durch und durch, fehlt die letzte Hingabe, dieses Aufbäumen, dieser unbändige Wille, die Niederlage noch einmal abzuwenden. Man sehe sich beispielsweise die Marokkaner an. Jeder gibt alles, jeder wirft sich gegen den Ball, läuft, humpelt oder schleppt sich über den Platz, aber immer dieser unbändige Wille in der Brust, eine drohende Niederlage abzuwenden. Die Franzosen haben ein ähnliches Problem, aber so lange es läuft, ihre Stars die Tore machen, hängt der Himmel voller Geigen. All die Trainer – Southgate, Deschamps, aber auch Santos (Portugal) – haben einen dermaßen hochwertigen Kader, der locker ausreichen würde, dreimal die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Aber diese Trainer haben Angst vor der eigenen Courage und stellen Sicherheit über alles. Diese Einstellung setzt sich in den Köpfen der Spieler fest, das Vertrauen in die Offensive sinkt, eine große Unsicherheit setzt ein, wenn es einmal nicht läuft und Tore ausbleiben. Die Spanier, genauso wie die Portugiesen, waren gegen aufopfernd kämpfende Marokkaner genauso ratlos wie die Brasilianer gegen Kroaten. Alle dachten sie, dass die Qualität der Spieler den Ausschlag geben würde. Gewöhnlich ist es so, weil Unterschiedsspieler nun mal den Unterschied machen. Aber wehe, der Goldjunge hat Pech oder einen schlechten Tag, dann sehen sich alle an und wissen nicht mehr, was zu tun sei. Im Gegensatz dazu kämpfen die Kroaten, die Argentinier und die Marokkaner, als gäb’s kein Morgen. Das ist das Geheimnis ihres Erfolgs – wenngleich man das Glück hie und da strapazieren musste. Frankreich wurde von England nicht gefordert. Es gab nur wenige brenzlige Situationen im französischen Strafraum – die Engländer mit der Handbremse, immer Angst habend, Mbappe oder Dembele könnten mit dem Ball auf und davon laufen. So gesehen hat Southgate dahingehend gewonnen, den gefährlichsten Stürmer der Weltmeisterschaft Mbappe kaltzustellen. Was hat es geholfen? Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie es ausgegangen wäre, hätte Harry Kane den Strafstoß verwandelt. In den kommenden Jahren wird man sich nur noch an diese Szene erinnern: Harry Kane jagt den Ball in den Nachthimmel von Katar und beendet die großen Ambitionen Englands. Das ist die Tragik von Weltmeisterschaften, in denen Stars geboren und Stars gebrochen werden. England – genauso wie Deutschland, Belgien, Brasilien, Spanien und Portugal – braucht einen Neuanfang. So viel steht fest.
Vorhersage zu den beiden Halbfinalspielen:
Kroatien : Argentinien
Es wird sicherlich ein kampfbetontes, intensives Match werden, beide Mannschaften in einer Lauerposition, wartend auf den einen Genieblitz von Modric bzw, Messi, der die Tür ins Finale aufstößt. Die Argentinier aggressiver, grobschlächtiger im Defensivspiel, die Kroaten abgebrühter, ruhiger und abwartender im Spielaufbau. Eine ausgeglichene Partie, die in eine Schlacht ausarten kann, so viel steht auf dem Spiel für beide Mannschaften. Leichte Vorteile für Messi & Co.
Marokko : Frankreich
Marokko wird alles geben, alles hineinwerfen. Frankreich wird es langsam angehen, immer darauf vertrauend, dass die Goldjungen Mbappe und Giroud früher oder später treffen werden. Spanien und Portugal dachten bis zum Schluss, dass die Qualität am Rasen den Ausschlag geben würde. Weit gefehlt. Die Nordafrikaner diszipliniert und taktisch perfekt eingestellt. Was sie machen, hat Hand und Fuß. Ihr Aufbau- und Umschaltspiel sehenswert – haben die marokkanischen Spieler nämlich die Freiheit, mit Dribblings und Sprints Räume zu öffnen. Und technisch versiert sind sie alle. Man muss sich immer vor Augen halten, welche hochklassigen Mannschaften die Marokkaner zur Verzweiflung brachten, um zu wissen, dass es die Franzosen nicht leicht haben werden. Gewiss, ein französischer oder marokkanischer Führungstreffer und es wird eine Schlacht auf Biegen und Brechen. Der Druck, der auf den Franzosen lastet, natürlich enorm, trotzdem gehen sie als klare Favoriten in die Partie. Kann Marokko auch diesmal überraschen? Ich halte es nicht für wahrscheinlich, aber sehr gut möglich.
Hallo 😊!
Unglaublich.
Ich kann es für Brasilien nicht fassen, so kurz vor dem Ende.
Für uns brasilianische Zuschauern war es wie vom Himmel zur Hölle, direkt, im Handumdrehen…
Aber freue mich riesig, echt riesig, für Marokko und Argentinien: Halbfinale!
Grüße,
Laurita
Hola Laurita. Ja, mir haben die Brasilianer Leid getan. Sie waren sicherlich die bessere Mannschaft und hätten die WM sogar gewinnen können. Aber diese brasilianische Verspieltheit und ihre spielerische Überlegenheit hat sie übermütig werden lassen. Für Messi und seine Argentinier freut es mich, dass sie es ins Finale geschafft haben. Grüße aus einem verschneit kalten Wien 🙂