Heute, vor genau 12 Jahren, am 29. Februar 2008, stellte ich mein neues Buch Die Liebesnacht des Dichters Tiret vor. Freilich, wär ich gestern nicht so durch den Wind gewesen, sozusagen eine kleine Unpässlichkeit gepaart mit einer frivolen Unlust, dann hätte ich diesen Satz sicherlich so und nicht anders geschrieben. Einen Tag später, heute, am 1. März, ist er nicht mehr ganz korrekt, aber so ist das mit Terminen. Sie kommen und gehen und wenn man zweimal in den Fluss steigt, bekommt man nur nasse Schuhe. So man diese überhaupt trägt. In Schottland sind sie mir mal davongeschwommen. Ja, das ist eine ganz andere Geschichte.
Die damalige Buchpräsentation im Wiener MuseumsQuartier war schon eine ordentliche Leistung. Am besten, man sehe sich den Videomitschnitt an. Kaum zu glauben, was man seinerzeit mit einem Gratis-Schnittprogramm so auf die Beine stellen konnte – viel Zeit und ein starkes Nervenkostüm vorausgesetzt.
Dieses Wochenende, 7. und 8. Dezember, werde ich meinen Mann respektive Autorverleger im Wiener MuseumsQuartier stellen. Das BuchQuartier ist von 11 Uhr bis 19 Uhr geöffnet. Bücher können für bare Münze bei den Ausstellern erworben werden.
Nebenbei bemerkt, wenn alles klappt, werde ich am Sonntag die letzte Lesung halten (18h30). Ich werde aus Eriklesen. Natürlich nur die jugendfreien Passagen 😉
Und ja, über Besuch würd ich mich sehr freuen. Nur dass du es weißt.
Heute Abend, Freitag, 4.5.2012, um 20 Uhr, werde ich mit der wunderbaren Iris Maria aus dem Manuskript Der Fetisch des Erik van der Rohe lesen. Lydia, Alice und Nathalie sind jene Kapiteln, aus denen Auszüge vorgelesen werden. Iris Maria übernimmt den weiblichen Part, ich den männlichen. So gehört sich das, nicht? Seit Gut gegen Nordwind so fulminant eingeschlagen hat, dürfte die Verlagswelt mit Erstaunen festgestellt haben, dass der tot gesagte Briefroman im neuen E-Mail-Kleid wiederauferstanden ist. Zwar war ich schon im Jahre 2003 mit der ersten Version meines modernen »Briefromans« fertig, also lange, bevor Herr Glattauer des Weges kam, aber am Ende gilt, wer sein Buch zuerst in der Buchhandlung hat, hat gewonnen und darf die Lorbeeren essen. Sei’s drum. Das Manuskript, über die Jahre beträchtlich angewachsen, dann wieder gekürzt, verändert, geteilt, liegt noch immer am »Was soll ich jetzt damit?« – Stapel. Na, man wird sehen, wie das Publikum heute auf die Auszüge reagieren wird. Das Thema Fe(e)tisch und wie man/frau damit (einigermaßen authentisch) umgeht, könnte schon einen Nerv treffen. Vielleicht.
Wer also der Lesung beiwohnen möchte, bitte sehr, keine Hemmungen. Ab 20 Uhr im Ragnarhof – Grundsteingasse 12 – im oberen Stockwerk. Der Hof ist öffentlich gut erreichbar (U6 Thaliastraße bzw. Josefstädterstraße, 5, 33, 2, …) und ein Barbetrieb im unteren Stockwerk ist auch vorgesehen. *Hicks*
Ich dachte, das Problem sei der nukleare Reaktor, aber Technologie ist nicht der Feind. Ich kam zu der paradoxen Einsicht, dass die Technologie vor der Menschheit geschützt werden müsse. In der Vergangenheit, die Zeit endet mit Gagarins Flug ins All, wurden die Technologien von Ingenieuren entwickelt, die auf den Schultern Tolstois und Dostojewskis standen und durchsetzt waren mit den großen humanistischen Ideen und dem Glauben an einen schönen und korrekt moralischen Sinn. Sie hatten eine klare Vorstellung von einer neuen politischen, in dieser Welt wohl fortschrittlichsten, Gesellschaft. Aber die Generation, die ihnen nachfolgte, stand wiederum nur auf den Schultern dieser Techniker, und Ingenieure, die nur in Technik ausgebildet sind, können nichts Neues begründen, jedenfalls nichts, wofür sie Verantwortung tragen.
Waleri A. Legassov
Leiter des Untersuchungskomitees nach der Katastrophe von Tschernobyl
beging am zweiten Jahrestag der Katastrophe Selbstmord
Hinterließ ein Tonband mit Anschuldigungen gegenüber der Regierung
ich: Wisst ihr, was ein Weblog ist?
Große unwissende Augen der Schüler. ich: Gut. Ich werde über euch schreiben. Schülerin: Sie kennen ja gar nicht meinen Namen. Ich seuzfe und blicke zu einem Jungen. Schüler: Ich bin Christiano Ronaldo. Leises Gelächter der anderen.
Als ich mich kurz mit den Schülern der 4. Klasse im Alter zwischen 13 und 14 Jahren unterhielt, wurde mir wieder einiges bewusst. Nicht so sehr die Gegenwart, vielmehr meine Vergangenheit. Ich überlegte (und tue es immer noch), was ich in diesem Alter vorzuweisen hatte. Viel ist mir da nicht eingefallen. Wirklich. Ich habe mich um die Welt da draußen nicht gekümmert. Ich hatte meine Videospielkonsole (Atari 2600 VCS), Comic-Hefte, Airfix-Männchen, Zeichenpapier und kickte im Hof. Viel gelesen habe ich nicht. Aber das, was ich gelesen habe, das hat mich dann doch zum Schreiben inspiriert, vorwiegend im Sommer-Urlaub, wo es zwei, drei Wochen nichts zu tun gab, in der österreichischen Natür.
ich: Wer von euch hat schon ein Buch gelesen? Die Schüler sehen sich verwundert an. ich: Okay. Was macht ihr so, zu Hause? Schüler: Computer spielen. Schüler: Sport. Schülerin: Ausgehen … also essen gehen.
Natürlich hoffte ich, dass meine Parabel Der blaue Smaragd über die Verschwendung und die Mechanismen, die dafür verantwortlich sind, eine Wirkung bei den Schülern zeigen würde. Ich tröste mich später mit der Hoffnung, dass vielleicht einer oder eine von ihnen am sonntäglichen Frühstückstisch das Wort ergreifen wird: „Du, Papa, stimmt es, dass das Öl ausgeht?“ oder „Glaubst du an Geld, Mama?“ oder „Auf einer Insel, da würden die Eingeborenen kein Geld nehmen, weil es kein Wert für die hat. Krass, oder?“ – Ich gehe davon aus, dass die Antwort nicht lange auf sich warten lässt: „Wer erzählt so einen Blödsinn?“
ich: Wisst ihr, was ein ebook ist? Schülerin: Was bitte? ich: Äh, also ein elektronisches Buch. Schüler blicken entgeistert.
Ich frage mich ja, ob es nicht schon immer einen kontinuierlichen Verfall in der kulturellen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen gegeben hat. In Stefan Zweigs Autobiographie kann man lesen, dass seine Klasse sich der Lyrik zuwandte und sich die Burschen dahingehend zu übertrumpfen versuchten. Entweder, in dem sie ihre eigenen Werke mit Ernst und Bravour vortrugen oder in dem sie einen noch unbekannten Gedichtband in die Klasse mitnahmen und daraus rezitierten. Gewiss, Zweig gibt zu, dass seine Klasse eine gewisse Ausnahmeerscheinung war. Immerhin. Mein Vater, ein Schüler der frühen Nachkriegszeit, hat sich immer wieder gefragt, was ich denn so in der Schule überhaupt lerne, nach dem ich damals mit musischer Unwissenheit glänzte.
ich: Es könnte sein, dass ihr noch erlebt, wie das Erdöl ausgeht … oder knapp wird. Was macht ihr dann? Schüler: Dann fahr ich in meine Heimat … da hat’s nie Öl gegeben. Gelächter der anderen Schüler, die ihm sagen, dass es kein Auto mehr gibt. Schüler: Dann radle ich nach Haus. Schüler: Du radelst nach Albanien? Schüler: Klar. Gelächter der anderen Schüler.
Ich erinnere mich wieder an meinen holländischen Religionslehrer, der in der Handelsakademie einmal sagte, dass er uns Schüler wenigstens für kurze Zeit von all dem betriebswirtschaftlichen Profitdenken wegführen möchte. Ich glaube, wir wussten nicht, was er uns sagen wollte. Er zeigte uns Videofilme, die uns zum Nachdenken hätten bringen sollen, wie zum Beispiel Koyaanisqatsi oder Der Sinn des Lebens von Monthy Python. Am Ende haben wir uns zwar die Filme angeguckt, aber im Hinterkopf hatte jeder die nächste Prüfung, den nächsten Test, die nächste Schularbeit. Ich dachte ja damals, dass ich nicht sterben könnte, so lange es noch eine Schularbeit gäbe, weil das ja wie eine Erlösung gewesen wäre.
ich: Geld funktioniert nur so lange, so lange alle daran glauben. Interessant, nicht? Schüler: Ich glaube nicht an Geld. ich: Und was machst du dann mit dem Geld? Schüler: Ich geb’s aus.
Wenn ich es mir also recht bedenke, dann sollte ich nicht die Schüler und ihre Einstellungen ändern, sondern ich sollte vielmehr einen anderen Weg finden, um etwas in ihnen auszulösen. Wie das aussehen könnte? Hey, ich bin Schriftsteller, kein Orakel. Eventuell lerne ich portugiesisch. Oder werde Fußballtrainer.