Steffi schreibt eine Bachelor-Arbeit zum Thema „Vermarktung von Büchern in sozialen Netzwerken – Perspektiven für Verlage und Autoren“ und hat diesbezüglich ein paar Fragen zusammengestellt. Die Antworten sollen ihr helfen, dieses vielschichtige Thema, soweit möglich, zu beleuchten. Wie ist sie auf mich gekommen? Über Twitter. Ihr Nick ist dort: @steffistolprig
1. Frage: Welche sozialen Netzwerke nutz(t)en Sie?
Antwort: facebook, xing, twitter, wordpress, myspace, blog.de, freitag.de, studivz
2. Frage: Wie viel Zeit nehmen sie sich für soziale Netzwerke?
Antwort: Sehr unterschiedlich und je nach Phase. In der kreativen Schreibphase versuche ich die sozialen Netzwerke auf eine Minimum zu reduzieren, da sie mich ablenken und aus dem Kreativitätsprozess herausreißen. In der „Marketing-Phase“, wenn ich ein neues Buch abgeschlossen habe oder es „promote“, verbringe ich sicherlich viel Zeit, das heißt, in Summe wahrscheinlich ein oder zwei Stunden pro Tag, in den sozialen Netzwerken. Dabei muss man aber miteinrechnen, dass man zum Beispiel Fotos noch verbübscht, bevor man sie hochlädt, oder Beiträge bloggt, um dann auf diese im Sozialen Netzwerk verweist bzw. verlinkt. Davon ausgenommen ist freilich die Zeit, die es braucht, um die persönlichen Kontakte zu pflegen.
3. Frage: Warum benutzen sie soziale Netzwerke und warum melden Sie sich bei einem neuen Netzwerk an?
Antwort: Ein (funktionierendes) soziales Netzwerk bietet die Gelegenheit in erster Linie Menschen kennen zu lernen. Man sollte nicht den Fehler machen, hier von potenziellen Käufern zu sprechen. Ein soziales Netzwerk bietet vorweg nur die Möglichkeit, sich und seine Bücher zu präsentieren. Ob diese wahrgenommen werden, hängt von vielen Faktoren ab. Man könnte sagen: man gibt dir ein Schaufenster, dass du gestalten kannst, aber ob jemand stehen bleibt und es sich ansieht, was du ausstellst, steht auf einem anderen Papier geschrieben. Kurz: soziale Netzwerke bieten dir Präsentations-Möglichkeiten, die du (ohne großem Budget) sonst nicht hättest. Sollte ich mich für ein neues Netzwerk anmelden, dann der Neugierde wegen, weil ich wissen will, wie es dort läuft. Aber neben facebook und xing und twitter wird es für andere soziale Netzwerke schwierig, sich dauerhaft zu platzieren.
4. Wie wichtig sind Ihnen die Netzwerke mittlerweile? Ist es eine Leidenschaft oder machen Sie es halt? Und wie viel bedeuten Ihnen ihre „Onlinefreundschaften“?
Antworten: Die sozialen Netzwerke sind mir sehr wichtig. Weil sie mir das „Tor zur Welt“ öffnen. Wie sonst würde ich Kontakte nach Deutschland bekommen? Zu Menschen, die sich für meine Literatur interessieren und dich ich nicht persönlich ansprechen kann? Soziale Netzwerke geben ein Versprechen ab: nämlich wichtige Leute kennen zu lernen. Ob das Versprechen am Ende eingelöst wird, muss jeder selbst entscheiden. Bezüglich der Frage nach den „Online-Freundschaften“, so muss man zu erst klären, was überhaupt eine „Online-Freundschaft“ ist. Ich würde eher von „Online-Bekanntschaften“ reden, wenn man sich hie und da über den virtuellen Weg läuft. So, wie man sich vielleicht mit Kollegen in der Kantine unterhält, wenn man sich begegnet. Da gibt es keine tiefgehenden Beziehungen. Sind sie nämlich tiefgehend, dann würde ich von Freundschaft sprechen und da tut es nichts zur Sache, ob sie „nur“ virtuell gepflegt werden. Das heißt, aus einer virtuellen Bekanntschaft kann durchaus eine reale Freundschaft werden, auch wenn man sich persönlich noch nicht kennen gelernt hat. Das bedingt natürlich einen intensiveren E-Mail-Austausch, der viel Zeit in Anspruch nimmt.
5. Glauben Sie, dass sie durch soziale Netzwerke neue Leser gewinnen konnten?
Antwort: Ja, definitiv konnte ich neue Leser gewinnen. Man sollte nur ein wenig vorsichtig sein, mit den Rückschlüssen, die man hie und da in den Zeitungen liest. Es reicht nicht, sich in einem sozialen Netzwerke herumzutreiben. Es reicht nicht, ein paar Kommentare hier, ein paar Klicks da zu machen. Um sich und seine Bücher zu präsentieren, bedarf es schon viel Mühe und Zeit, zumeist geschieht das eher nebenbei. Der intelligente Mensch möchte sich nichts aufschwatzen lassen, möchte im Glauben belassen werden, er selbst treffe eine Entscheidung. Würde man also seine Kontakte mit „Hey, hier sind meine Bücher, lies doch mal rein“-Flyers bombadieren, verlieren sie alsbald die Lust an dir. Vielmehr muss man ein Vertrauen herstellen, muss für den anderen interessant sein. Dabei sollte man nicht übermäßig übertreiben oder vielleicht sogar lügen, weil es am Ende auf einen zurückfällt. Ich, für meinen Teil, versuche mich natürlich im rechten Licht zu präsentieren, ohne dabei auf grelle Scheinwerfer zu setzen. Das hat manchmal den Nachteil, dass ich im Halbdunkel gar nicht erst wahrgenommen werde. Als Einzelkämpfer hat man nie das Schutzschild „Firma/Unternehmen“ vor sich. Macht man Blödsinn fällt es direkt auf mich zurück. Außerdem muss man ständig bemüht sein, für das literarisch verlegerische Vertrauen zu kämpfen. Während Publikumsverlage dieses Vertrauen genießen, muss ich mich erst beweisen. Tag für Tag. Das kann manchmal sehr frustrierend sein. Da fällt mir ein, dass ich durch das Web aber auch TestleserInnen gefunden habe, die vermutlich Lektoratsarbeiten übernahmen, ohne, dass sie dafür bezahlt werden wollten. Das ist schon allerhand. Wirklich!
6. Warum bloggen Sie?
Antwort: Da gibt es viele Gründe. Einer ist, um das nicht-literarische Schreiben zu üben. Wer etwas veröffentlicht, stellt sich in die Auslage, bietet eine Angriffsfläche für Kritik. Stelle ich einen Blog-Beitrag ein, der jämmerlich geschrieben ist, färbt das natürlich auf mich als Autor ab. Du kannst hundert gute Beiträge verfassen, aber greifst du einmal daneben, könnte es sein, dass viele dann sagen: Na, da ist nicht viel dahinter und drehen dir den Rücken zu. Ein weiterer Grund ist, um mir klar zu werden. Wenn ich meine literarischen und verlegerischen Ambitionen zügeln möchte, dann schreibe ich darüber. Weil ich mich dann als Journalist sehe, der mich und mein Tun kritisch beäugt und darüber befindet. Natürlich gibt es auch immer wieder Schleichwerbungen zu meinen Büchern, bringe ich sie ins Gespräch und versuche mich interessanter zu machen, als ich vielleicht bin. Aber im Großen und Ganzen schreibe ich auch, um später „nachzublättern“, wie ich damals diese Situation erlebt habe. Wenn ich zum Beispiel ein neues Buch fertig habe, blogge ich darüber. Ich will später einmal wissen, wie habe ich diesen Moment erlebt. Überhaupt, als Tagebuchschreiber ist es mir nun mal ein Anliegen, herauszufinden, wie es mir zu einem gewissen Zeitpunkt geht, wie ich mich wahrnehme. Im Blog muss man sich natürlich zurücknehmen, darf sich nicht gänzlich öffnen, gerade was die sehr privaten, intimen Details betrifft. Aber es reicht, Andeutungen zu machen. Ein weiterer Grund ist natürlich, um Leute, die an mir oder meiner Literatur interessiert sind, einen Einblick in mein Schaffen und Leben zu gewähren.
7. Haben soziale Netzwerke für Sie auch Schattenseiten?
Antwort: Jede „Gemeinschaft“, ob online oder virtuell, hat ihre Schattenseiten. Das größte Problem ist sicherlich die schiere Masse an Menschen, die sich Gehör verschaffen wollen. Und Balzac sagte einst, dass in der Masse das Genie untergehe. Und Andy Warhol meinte, dass in der Zukunft jeder Mensch 15 Minuten Ruhm abbekommen wird. Alle wollen wir vom anderen wahrgenommen werden und merken nicht, dass wir auch den anderen wahrnehmen sollten. Aber die Zeit reicht eben nicht aus. Wir haben nur eine begrenzte Anzahl an Zeit zur Verfügung, um unsere Beziehungen, sei es real, sei es virtuell, zu pflegen. Da bleiben am Ende viel auf der Strecke. Und jene, die sich in einem sozialen Netzwerk tummeln, um Anerkennung und Zuneigung zu bekommen, werden alsbald bemerken, dass sie viel tun müssen, um überhaupt gehört zu werden. Das ist für viele bestimmt nicht einfach. Und manche beginnen sich dann zu überbieten, mit intimen, obszönen, skandalösen Geschichten, um für kurze Zeit „angeklickt“ zu werden. Das ist natürlich bedenklich, aber leider sehr menschlich.
8. Mit meiner Arbeit möchte ich zeigen, dass Autoren auch sehr viel „Werbung,“ durch soziale Netzwerke, selbst in die Hand nehmen können. Glauben Sie, dass es in Zukunft so weiter gehen wird? Dass sich Autoren immer mehr selbst im Netz darstellen?
Antwort: Jeder Autor stellt sich im Netz dar. Entweder betreibt er selbst diese virtuelle Präsenz, oder der Verlag oder eine PR-Agentur macht es für ihn, oder seine Freundin, sein Freund. Weil es recht einfach (und gratis) ist, eine facebook-Seite oder Webseite online zu stellen. Viele Autoren, auch recht namhafte, tummeln sich in sozialen Netzwerken und rühren die Werbetrommel für ihre Bücher. Faszinierend finde ich ja, dass das Posting von, sagen wir, einem gewissen Schätzing als „interessante Information“ wahrgenommen wird, während meines als billige Schleichwerbung „enttarnt“ wird. Je bekannter, berühmter ein Autor (Künstler) ist, umso mehr Einfluss kann er durch persönliche Online-Auftritte erreichen. Ich befürchte aber, dass ein Autor nur durch das Internet zu keiner Berühmtheit wird. Vielleicht für eine sehr kurze Zeit, aber nicht, um aus sich eine „Marke“ zu machen. Das ist (leider?) die Quintessenz meiner online-Erfahrung: die Menschen vertrauen noch immer der realen Welt mehr als der virtuellen. Sehen sie ein Plakat auf der Straße wirkt es beständiger in ihnen, als wenn sie einen virtuellen Werbebanner sehen würden. Deshalb funktioniert Online-Werbung wohl nur in Verbindung mit der realen Werbung bzw., wenn es sich schon um eine Marke handelt. Ein namhafter Publikumsverlag kann getrost seine Bücher online präsentieren, sie werden wahrgenommen, während ein unbekannter Verlag, und wenn er noch so viel Online-Präsenz aufzuweisen hat, kaum Beachtung erfährt. Vielleicht wird sich das mal ändern, kann es mir aber nicht vorstellen. Und weil die Publikation der eigenen Bücher immer einfacher wird (Stichwort: ebook), wird es auch immer mehr Autoren geben, die auf sich und ihre Bücher aufmerksam machen. Je größer diese Masse wird, umso mehr wird der überforderte Leser wieder zu altbekannten Mustern greifen (Bestseller-Listen, Publikumsverlage). Dass auch immer mehr „Literatur-Netzwerke“ von Verlagen gesponsert bzw. finanziert werden, zeigt, dass in Zukunft die Grenze zwischen Werbung und Information fließend ist. Namhafte Publikumsverlage suchen Mittel und Wege, um sich vom Gros der Klein- und Eigenverleger abzuschotten. Literatur-Netzwerke bieten dahingehend einen geschützten Raum. Literatur-Blogs, die vielleicht früher noch offen für kleinere Verlage waren, werden nun von den Publikumsverlagen mit Rezensions-Exemplaren und kleinen Geschenken bei Laune gehalten. Am Ende wird es wohl auch im Netz heißen: ohne Geld ka Musi.
9. Gibt es eine Geschichte im Internet, die Sie selbst erlebt haben, die Sie sehr bewegt hat?
Antwort: Yep. Meine blind date Erfahrungen. Die haben mich sehr bewegt. Leider darf ich dazu nichts sagen. Aber wer zwischen den Zeilen lesen kann, findet vieles davon in meinen Büchern 😉
Zum anderen gibt es da das Projekt 99, wo ich versuche, 99 Förderer für Madeleine, den 3. Band einer historischen Saga, die die Französische Revolution von 1789 zum Thema hat, zu gewinnen. Sind 99 Förderer erreicht, geht das Buch in in einer Kleinauflage in Druck. Die Förderung sieht vor, € 25,- im Voraus zu bezahlen/überweisen, dafür erhalten die Förderer sofort die Druckfahne des fertigen Buches als PDF (noch nicht letztkorrigiert) und in späterer Folge das gedruckte Buch. Zusätzlich werden sie im Buch, sowie auf meine Webseite, auf meinem Blog namentlich erwähnt.
Es ist der Versuch, herauszufinden, ob es möglich ist, so eine Aktion im Web 2.0 durchzuführen. Nach über einem Monat kann ich sagen, dass es dann doch schwieriger ist, als ich es mir vorgestellt habe. Die Idee ist ja, dass die Förderer die Werbetrommel rühren, dass diese sich nach weiteren Förderern umschauen und diese für das Projekt gewinnen. Müsste ich mich darum kümmern, ist dieses Projekt nicht sonderlich erwähnenswert, weil man mit Aufwand und Zeit und Überredungskünsten irgendwann irgendwie die 99 Förderer zusammenbekommt. Interessanter ist vielmehr, ob diese Aktion zu einem Selbstläufer wird. Dass Leute von selbst kommen, weil sie davon „gehört“ haben oder weil sie eben von jemanden angesprochen wurden, der bereits mitmacht. So lächerlich es eigentlich klingt, gerade einmal 99 Leute zu finden, (in Deutschland werden jedes Jahr über 70 Millionen Bücher gelesen), so schwierig ist es am Ende. Der intelligente Mensch will sich nichts aufschwatzen lassen (das hatten wir ja schon), nebenbei traut er diesem ganzen Web-Hokuspokus nicht sonderlich übern Weg, im Besonderen wenn sein sauer verdientes Geld gewünscht ist. Geht mir genauso. Ich geb das unumwunden zu. Die Befürchtung, das Geld beim (Web)Fenster hinauszuwerfen ist allgegenwärtig. Mehr noch, die Befürchtung, über den Tisch gezogen zu werden, hemmt viele, bei solchen Aktionen mitzumachen. Ich wollte und will nun feststellen, wie so eine „Community goes print“-Aktion abläuft und welche Stolpersteine zu überwinden sind. Auch hier gilt das zuvor Gesagte: wenn du nicht das notwendige Vertrauen genießt, kommst du nicht weit. Ich bringe jedenfalls, oberflächlich gesehen, bestimmte Voraussetzungen mit, die es für so eine Aktion wenigstens braucht:
es ist nicht mein erstes Buch, es ist der 3. Band einer Reihe, das heißt, der potenzielle Förderer kann sich im Vorfeld ein Bild machen, was er voraussichtlich erwarten darf; ich habe bereits mehrere Bücher in Druck gegeben, diese sind im Buchhandel oder über amazon oder als ebook erhältlich; ihre Gestaltung sieht professionell aus; ich habe bereits viele Rezensionen zu meinen Büchern erhalten, vorwiegend positive; Autoren aus Publikumsverlagen haben sich uneigennützig der Aktion angeschlossen (Heike Koschyk, Claudia Toman, Victoria Schlederer, Carsten Tergast, Peter Hellinger, Andreas Zwengel);
Trotzdem ist die Aktion (noch) nicht zum Selbstläufer geworden. Vielleicht gibt es einen Punkt, wo die Aktion zu einem „da will ich auch mitmachen“-Hype wird. Je mehr Förderer es gibt, je interessanter und bekannter diese Förderer sind, umso eher wird dieser Punkt erreicht. Auch hier gilt das Tante-Jolesch-Prinzip.
Bewegt hat mich, dass es Online-Bekanntschaften gab und gibt, die sich spontan bereit erklärt haben, bei diesem Projekt mitzumachen, ohne dass es eine persönliche Verbindung gegeben hätte. Das ist keineswegs selbstverständlich, ganz im Gegenteil. Diese gilt es natürlich zu erwähnen: Peter Hellinger, Marion Schwehr, Bernhard Madlener und ein niederländischer (!) xing-Kontakt. Alle weiteren Förderer sind auf meinem Blog zu finden. Angekündigt haben sich übrigens noch weitere Online-Bekannte, die gerne mittun wollen. Aber zwischen einem „Ja, warum nicht“ und einer Überweisung stehen kleine Welten. Es ist das Problem des Webs: dass nämlich Geldgeschäfte ein wenig dubios wirken; wenige Unternehmen haben es geschafft, diesen Abwehrmechanismus zu knacken (amazon und iTunes sind die Ausnahme); diese Unternehmen haben alle Trümpfe in der Hand und werden auch in Zukunft das große Geschäft machen.
Übrigens, Marion Schwehr versucht, mit ihrem Projekt euyclia ein ähnliches, aber natürlich ausgereifteres Subskriptionssystem; die „Community“ kann sich für für ein Manuskript entscheiden; erhält es 1000 Subskriptionen wird das Mansukript zum gedruckten Buch und die Subskriptienten müssen dann natürlich das Buch kaufen (so lange es aber nicht zum Druck kommt, bezahlen sie nichts). Das Projekt ist gerade in der Aufbauphase, aber gut möglich, dass solche Ideen die Zukunft des Buchmarktes beeinflussen werden. Weil es Autoren und ihren Manuskripten ein Schaufenster gibt. Weil die Community entscheidet, was sie lesen will. Die Frage ist nur: weiß sie es?
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