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WM 2010: ein langes und breites Resümee

Mit Rückblicken ist das so eine Sache. Weil man ja weiß, wie alles Gelaufen ist und man aus diesem Blickwinkel dann das vergangene Geschehen bewertet Aber weil ich eben weiß, dass es so ist, habe ich mir eben angewöhnt, jedes der WM-Spiele nach dem Schlusspfiff  zu kommentieren. So läuft man nicht Gefahr, den ersten Eindruck zu verwässern. Und darum geht es ja. Dass mir aber beim Resümieren ein wenig die Motivation fehlt, wird man bestimmt merken. Fußball muss man frisch erleben.

Beginnen wir mit jenen Fußballspielen, die mir auch nach Wochen im Gedächtnis haften geblieben sind.

Uruguay : Ghana – was war das nur für ein Spiel? Ich denke, die Dramatik ist nicht mehr zu überbieten. Kann man nicht mehr überbieten. Wie soll das gehen? In der letzten Minute der Verlängerung – Ghana mobilisiert noch einmal alle ihre Kräfte, während Uruguay stehend ko ist – kommt die Flanke in den Strafraum. Ein Gewirxe um den Ball, der Torhüter wehrt ab, der Ball kommt zu einem Ghanaer und der schießt oder köpft ins Tor. Aber da steht Stürmer Suarez und wehrt den Ball mit der Hand ab. Rote Karte. Elfmeter. Aber kein Tor für Ghana. Weil Gyan den Strafstoß an die Latte setzt. Und im anschließenden Elfmeterschießen werfen die Afrikaner endgültig die Nerven weg und verlieren. Entsetzlich!

Kamerun : Dänemark – zugegeben, ich habe es nur am Rande verfolgen können, aber das Spiel war so packend, so dramatisch, dass man gar nicht anders konnte, als mitzufiebern. Für die letzten zehn Minuten habe ich dann den Afrikaner die Daumen gedrückt. Hat nicht geholfen. Schade, schade.

USA : Algerien – das Spiel selbst nur in der Konferenzschaltung „gesehen“, aber die Dramatik nahm mit jeder Minute zu. Unglaublich, dass die Amerikaner in der letzten Minute der Nachspielzeit noch das Siegestor machten und so die Slowenen aus dem Achtelfinale kickten. Fußball at its best!

Uruguay : Südkorea – endlich einmal ein ordentlicher Schlagabtausch, so, wie sich das eigentlich gehörte; in der Regenschlacht schenkten sich die Mannschaften nichts. Schade, dass es Südkorea verabsäumte, noch den Ausgleich zu machen. Das wäre das Tüpfelchen auf dem i gewesen.

Italien : Slowakei – in den letzten zwanzig Minuten wurde Fußballdramatik in Reinkultur geboten. Die Italiener wollten das Fußballglück zwingen, die Slowaken hielten dagegen. Und noch mit der letzten Flanke in den Strafraum musste man den Atem anhalten, so sehr drängten die Italiener auf den Ausgleich. Hätten sie von der ersten Minute des ersten Spiels so agiert, die Italiener wären Weltmeister geworden. Aber zwanzig Minuten in drei Spielen? Das ist dann wohl zu wenig (wobei, die Holländer spielten auch keine zwanzig Minuten Fußball und schafften es trotzdem ins Finale).

Niederlande : Spanien (Finale) – Fußballspiel kann man es eigentlich nicht nennen, was da geboten wurde. Ein lauwarmer Kick war es. Weil die Holländer nur bestrebt waren, das Spiel der Spanier zu zerstören. Die Härte-Einlagen hatten aber wiederum einen hohen Unterhaltungswert. Highlight war sicherlich der Kung Fu Sprung von De Jong gegen die Brust von Xavi Alonso. Ich schätze, so eine Szene hätte die FSK in Deutschland für Kinder nicht freigegeben. Dass es zur besten Sendezeit ausgestrahlt und nur mit Gelb geahndet wurde, dürfte unseren Kindern sicherlich Vorbild für zukünftige Aktionseinlagen sein („Aber der Holländer hat das auch machen dürfen …“). Die Orgie an gelben Karten war nicht von schlechten Eltern. Dass Heitinga erst in der Verlängerung vom Platz gestellt wurde, war enttäuschend, da hatte man sich schon mehr erwartet. Das Beste am Spiel war natürlich der Sieger. Nicht auszudenken, für die Fußballwelt, wenn die Kickboxer-Truppe aus Holland gewonnen hätte. Jean Claude van Damme wäre vermutlich neuer Trainer der Niederländer geworden. Dass der spanische Torhüter Casillas nach dem Spiel, in der großen Euphorie, die Moderatorin des spanischen Fernsehsenders küsst, ist, wie mir auf Twitter von @GittiSchimeck versichert wurde, wahre LIEBE (die beiden sind privat ein Paar – also Casillas und die Moderatorin). Alleine deshalb kann man sich nur freuen, dass die Iberer gewonnen haben.

Deutschland : Uruguay – dumm, dass in der letzten Minute der Freistoß von Forlan nur an die Latte gegangen ist. Da wäre sie wieder gewesen, die Fußballdramatik. Aber es wollte uns nicht mehr vergönnt sein. Schade. Aber das Spiel war kurzweilig und eines kleinen Finales mehr als nur würdig. Schade eigentlich, dass die Deutschen nicht im Halbfinale gegen Holland gespielt haben. Da wären die Emotionen hochgegangen wie eine Apollo 13 Rakete.

Ghana : USA – mitgezittert mit den Afrikanern, die in der Verlängerung doch noch die Entscheidung herbeiführen. Respekt verdienen die Amerikaner, die mit einem durchschnittlichen Team die Partie spannend und offen hielten.

Südafrika : Mexiko – für ein Eröffnungsspiel ging es da schon ordentlich zur Sache. Die Mexikaner überheblich, die Südafrikaner vorsichtig. Aber dann schüttelten die Afrikaner ihre Ängstlichkeit ab und heizten den Mexikanern ordentlich ein. Ja, dieses erste Spiel der WM machte Lust auf mehr.

Chile : Schweiz – mein Herz gehörte Chile, weil sie so einen erfrischenden Offensiv-Fußball boten. Gegen die schweizer Betonmischmaschine sah es lange Zeit so aus, als würden sie kein Tor machen können. Aber es kam dann doch. Ei, wie freute ich mich da. In der letzten Viertelstunde ging es dann drunter und drüber. Und vergab nicht einer der Eidgenossen völlig freistehend am Elfer? Ja, das hat er.

Nigera : Südkorea – das war ein Schlagabtausch wie er im Fußball-Lehrbuch steht. Chancen hüben wie drüben. Während die Koreaner ihre Chancen wenigstens machten, hatten die Afrikaner Angst davor. Da musste man schon glauben, der Fußballgott hatte seine Hände im Spiel.

Die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika und was bei mir hängen geblieben ist:

glasklare Favoriten konnte man nicht auf Anhieb erkennen, auch wenn es die üblichen Verdächtigen gab: Brasilien, Argentinien, Spanien. Keine Mannschaft konnte mich überzeugen. Nur die Brasilianer strotzten vor Selbstvertrauen (später sollte sich gegen die Niederländer herausstellen: da war viel heiße Luft dabei und Hochmut kommt bekanntlich vor dem Ausscheiden). Die Argentinier wiederum wurden zu Favoriten hochgeredet, weil sie den Weltfussballer Messi in ihren Reihen hatten. Und einen Higuain, einen Tevez. Ach ja, und ihr Trainer-Maskottchen Maradona dürfen wir nicht vergessen. Dabei hat man vergessen, dass sie sich bei der WM-Qualifikation sehr schwer getan haben. Souverän waren sie nicht. Und gegen Deutschland wurden ihnen ihre Grenzen aufgezeigt.  Der Europameister aus Spanien wiederum stolperte gleich mal in der Gruppenphase. Der Schweizer Beton war einfach nicht zu knacken. Dass sie auch im Halbfinale gegen Deutschland einen Beton-Gürtel zu sprengen hatten, schien beinahe wie ein Déjà-vu-Erlebnis. Überhaupt, die Spanier haben mit Abstand die bissigsten Gegner der ganzen WM heimgeschickt. Dafür alleine muss man ihnen schon Lob und Anerkennung zollen.

Die Niederländer (vulgo Holländer) hätten hier eigentlich keine Erwähnung gefunden, weil sie nicht sonderlich erwähnenswert waren. Hätten sie nicht im Finale gestanden, ich würde sie getrost unter den Fußballrasen kehren. Andererseits veranschaulicht das Finale dann doch wieder die zwei Spielsysteme: da der Effizienz-Fußball, der nur bestrebt ist, Resultate zu bringen (perfekt umgesetzt von Trainer Rahagel mit den Griechen bei der EM 2004), egal, wie sie zu Stande kommen (da greift man auch schon zu Kickbox-Einlagen). Würden alle Mannschaften so ein „System“ spielen, es wäre der Abgesang des Fußballs. Auf der anderen Seite die Spanier, die mit ihrem eingespielten Team (wie viele sind vom FC Barcelona? Sind es sieben?) dieses Tiqui Taka (wie immer man das auch richtig schreiben mag), also das sichere Kurzpass-Spiel, dass sie bis vor den gegnerischen Strafraum betreiben und dann mit einem genialen Lochbass die Abwehr aufreißen und das Tor machen. Zuweilen muss auch hier der Zuseher geduldig sein und – ich gebe es zu – manchmal ging (und geht) es mir schon auf die Nerven. Aber dafür geht es konsequent nach vorne. Die Spanier wussten um ihre Stärke und versuchten deshalb auch das Spiel zu machen. Gegen Chile und Paraguay bekamen sie es jedoch mit Gegner zu tun, die sie nicht einschüchtern ließen und dagegen hielten. Da merkte man, dass auch ein Spanien unter Druck ziemlich wackelt.

Enttäuscht haben mich die afrikanischen Mannschaften. Zugegeben, von der Auslosung haben sie es nicht leicht gehabt. Die Elfenbeinküste dürfte schon im Vorfeld die Rückflugtickets nach der Gruppenphase gebucht haben, jedenfalls agierten sie nicht sonderlich motiviert gegen die Portugiesen. Und diese galt es zu schlagen, wollte man weiterkommen. Erst als sie in Rückstand gerieten, gegen die Brasilianer, da spürte man, aha, da geht vielleicht noch was. Aber da war es schon zu spät. Schade. Die Nigerianer haderten. Einerseits mit dem Ausschluss eines ihrer Spieler gegen Griechenland, weshalb sie ein bereits gewonnenes Spiel aus der Hand gaben und verloren, andererseits mit ihrer Chancen-Auswertung. Unvergesslich, die Vernebelung einer 1000%igen Chance gegen die Südkoreaner. Wäre der Ball ins Tor gegangen, Nigeria wäre wohl ins Achtelfinale gekommen. Kamerun konnte man am ehesten zutrauen, ins Achtelfinale zu kommen. Dänemark und Japan hätte man eigentlich schlagen müssen. Haben sie aber nicht. Ganz im Gegenteil. Dafür boten sie wohl eines der attraktivsten Spiele der WM: der Schlagabtausch mit Dänemark (was wäre wohl gewesen, hätte Eto’o nicht die Stange, sondern ins Tor getroffen?).  Doppelt schade. Weil sie beherzt aufspielten. Ghana war dann doch die große und positive Überraschung des Turniers. Da sie Serbien bezwangen und gegen Australien ein Unentschieden holten, reichte eine knappe Niederlage gegen die Deutschen. Und mit jedem Spiel, dass die „Black Stars“ absolvierten, fanden sie auch den Weg in mein Herz. Diese Freude am Fußballspielen, dieser beinahe schon naive Glaube, Gott würde sie ins Finale bringen. Und das hätte in der Tat geschehen können. Aber der Teufel hatte am Ende seine Hand im Spiel und verhinderte die Sensation. Südafrika hätte es natürlich auch verdient, weiterzukommen. Aber gegen Uruguay ließ man viel zu früh den Kopf hängen und bezahlte es mit einer Abfuhr. Schade, schade. Und im Eröffnungsspiel verhinderte die Stange die Sensation. Algerien? Wohl die schwächste Mannschaft im Turnier. Farblos. Blass. Ohne Akzente. Nur im letzten Spiel, gegen die USA, da wachten sie auf. Zu spät, natürlich.

Die Asiaten haben mir allesamt gut gefallen. Allen voran die Südkoreaner, diese quirligen technisch sehr guten Fußballer, die im Kollektiv wunderbar funktionieren und eine Laufbereitschaft an den Tag legen, der einen schon Bewunderung abverlangt. Dass sie gegen Argentinien in der Gruppenphase untergegangen sind, ist einerseits der Vernebelung einer sehr guten Torchance, als auch einem Abseitstor zu „verdanken“. Das Spiel hätte durchaus anders ausgehen können. Und im Achtelfinale, in der Regenschlacht gegen Uruguay, auch da stand der Ausgang des Spiels auf Messers Schneide. Dumm, dass auch hier wieder ein Südkoreaner eine sehr gute Ausgleichschance ausließ. Die Japaner wiederum agierten kaltschnäuziger. Ihre Freistoßtore waren beeindruckend. In Erinnerung geblieben sind mir die zwei Innenverteidiger, die in einem Kurosawa-Film durchaus einen Samurai mimen hätten können. Dass sie gegen Paraguay wie paralysiert wirkten, weil ihnen der mögliche Erfolg die Beine schwer machte (genauso wie den Südamerikanern), ist dann schon ein wenig ärgerlich. Dadurch lieferten die beiden Mannschaften das schwächste Achtelfinalspiel ab. Immerhin, das Elfmeterschießen entschädigte dann doch wieder. Die Nordkoreaner wiederum beeindruckten mich. Gegen Brasilien hielten sie lange Stand und nur ein Zaubertor konnte ihren Abwehrbeton knacken. Gegen Portugal wollten sie schon offensiver agieren und erhielten einen hübschen Denkzettel. Ich denke, sie haben sich gut verkauft und waren in keiner Weise unsympathisch (wie man es anfänglich vielleicht glauben musste).

Bei den Südamerikaner fielen mir vor allem die Chilenen auf. Diese junge Truppe spielte ein Pressing, dass man nur bestaunen konnte. Egal wie der Gegner hieß. Gegen Spanien dominierten sie die ersten zwanzig Minuten, wusste sich der Europameister nicht zu helfen (erst eine Rote Karte, dann ein dummes Tor kamen den Iberern zu Hilfe). Auch die Schweiz wurde vom Forechecking regelrecht erdrückt und am Ende glücklich niedergerungen. Ich schätze, in vier Jahren, zur WM in Brasilien, wenn es nicht mit dem Teufel zugeht, müssen sie zum Favoritenkreis hinzugerechnet werden. Uruguay war – neben Ghana – de facto die Überraschung des Turniers. Mit Diego Forlan hatten sie auch den Spieler des Turniers in ihren Reihen. Dieser glänzte nicht nur mit wichtigen Toren, sondern bereitete diese vor oder verteilte die Bälle. Sehr sympathisch ist er noch obendrein. Das Handspiel seines Sturm-Partners Suarez, der einen Torschuss Ghanas auf der Linie abwehrte, gehörte wohl zu den unrühmlichsten Aktionen in der WM und raubte somit den Afrikanern den Halbfinal-Einzug. Die Sympathie-Punkte waren dahin.

Die Argentinier enttäuschten schließlich gegen Deutschland auf ganzer Linie. Keiner kann mit Bestimmtheit sagen, ob die Südamerikaner einen plötzlichen Schwächeanfall erlitten oder die Deutschen einfach mit einer starken Leistung die Gauchos an die Wand spielten. Aber mit freiem Auge konnte man sehen, dass die Argentinier kaum dagegen hielten. Das war schon beschämend. Wirklich. Apropos. Beschämend auch die Schiedsrichterleistung im Spiel England : Deutschland. Der Lattenpendler, der Ball kam klar hinter der Torlinie auf, sprang dann aber hinaus, wurde nicht als Tor gewertet. Tja. Pech für die Engländer, Glück für die Deutschen. Somit wurde dem Zuseher ein dramatisches Spiel vorenthalten. Dass wiederum die Brasilianer gegen die Elfenbeinküste mit einem „Handballer“-Tor zum Erfolg kamen, kann einem schon säuerlich aufstoßen. Beinahe ist man versucht zu sagen, hier gehe es nicht mit rechten Dingen zu. Dass auf der anderen Seite die Argentinier gegen die spielstarken Mexikaner durch ein klares Abseitstor auf die Gewinnerstrecke kamen, sollte man auch nicht vergessen. Paraguay konnte ich nicht gut einschätzen. Sie spielten ihre Partien ordentlich herunter, überraschten mit einem Unentschieden gegen Italien (da dachte man noch: Hola, die Italiener sind stark!), rangen im Elfmeterkrimi Japan nieder und machten den Spaniern das Leben schwer. Beinahe hätte noch Santa Cruz den Ausgleich gemacht, im Viertelfinale, gegen die Spanier, scheiterte aber an Casillas. Ja, da wackelte der Europameister und zukünftige Weltmeister. Daran kann man ermessen, wie selbstbewusst die Südamerikaner agierten. Und das gefällt mir!

Ach, die Mexikaner. Sie haben mir auch sehr gut gefallen, diese kleinen quriligen, balltechnisch sehr versierte Spieler, die Frankreich regelrecht vorführten. Dass sie gegen Argentinien ausschieden, wie zuvor gesagt, ist wohl am ehesten dem Schiedsrichter und der Torstange zu verdanken. Ich behaupte, die Mexikaner hätten die Deutschen schwindlig gespielt. Und falls nicht, so wäre es jedenfalls ein spannenderes Viertelfinalspiel geworden. Die USA entlockte mir anfänglich ein verschmitztes Lächeln, als sie den Engländern ein Unentschieden abtrotzten. Und ihr Spiel gegen Algerien, war wohl an Dramatik kaum mehr zu überbieten. In der letzten Minute schossen sie das Siegestor und sicherten sich so den Aufstieg ins Achtelfinale. Ihr Kampfgeist war schon beeindruckend, während ihr Spielermaterial die hohe Kunst der Durchschnittlichkeit zelebrierte.

Die europäischen Mannschaften enttäuschten fast zur Gänze. Allen voran der Weltmeister von 2006 (wer es nicht mehr weiß: Italien) und der Vize-Weltmeister (wer es nicht mehr weiß: Frankreich). Was die beiden Mannschaften boten (besser: nicht boten) war beschämend. Wirklich. Es sah so aus, als hätten sie so gar keine Lust mitzuspielen, als wäre es eine notwendige Verpflichtung am WM-Turnier teilzunehmen. Die Franzosen setzten noch mit internen Querelen eines drauf. Die Grande Nation, man muss es sagen, war an Lächerlichkeit kaum mehr zu unterbieten. Dass man ihrem langjährigen Trainer Domenech nicht schon 2006 abservierte rächte sich schlussendlich. Denn wenn man sich vorstellt, welche erstklassigen Spieler dem französischen Trainer zur Verfügung stehen, dann kann man sich nur wundern, was da am Fußballplatz für ein Grottenkick herauskommt. Die Italiener wiederum erkannten wenigstens im letzten Spiel, in den letzten zwanzig Minuten, dass sie vielleicht doch aktiver werden müssen, um nicht vorzeitig heimzufahren. Ja, das waren hochdramatische Minuten, mit einem Gewinner (Slowakei) und einem Verlierer (Italien). Man darf hoffen, dass die Franzosen und Italiener jetzt endlich von Null beginnen und eine Mannschaft formen, aber nicht 11 Spieler aufs Feld stellen und ihnen sagen, sie sollen sich 90 Minuten lang die Zeit vertreiben.

Die Slowenen (wie hat es dieses kleine Land nur zur WM gebracht, wo sie doch gerade mal die Hälfte der Einwohner von Österreich haben?) hätten gute Chancen gehabt, ins Achtelfinale zu kommen, hätten sie gewusst, dass England in den letzten Zügen liegt und die Gefährlichkeit von einst zu Hause gelassen hat. Kurz flackerte noch ein Hoffnungsschimmer auf, als der Lattenpendler von Lampard und Gerrard als Tor bejubelt wurde, nicht aber vom Schiedsrichter. Oder der Lattenkracher von Lampard. Da wackelten die Deutschen und was gibt es Schöneres für einen Engländer. Aber am Ende mussten sie die Koffer packen und werden in Zukunft – wie die Italiener und Franzosen – wohl von Null anfangen müssen. Gut so. Denn dieses motivations- und ideenlose Herumgegurke war für das Mutterland des Fußballs einfach nur peinlich.

Die Portugiesen zählten zu den Geheimfavoriten, hatten aber bis auf das Schützenfest gegen Nordkorea nicht viel zu bieten. Und Christiano Ronaldo? Ja, der spielte auch mit. Mehr aber schon nicht. Die Griechen haben sich zur Karikatur ihrer selbst gemacht. Das erste Spiel gegen Südkorea war eine einzige Lustlosigkeit. Für diese „Leistung“ hätte man sie sofort nach Hause schicken sollen. Gegen Argentinien hockten sie wieder in ihrer Strafraumfestung und mauerten, was das Zeug hielt, obwohl sie mit einem Sieg, eventuell sogar mit einem Unentschieden, ins Achtelfinale eingezogen wären. Das war dermaßen grottig, dass man nur noch verständnislos den Kopf schütteln kann.

Die Schweizer kopierten das frühere Erfolgsmodell der Griechen so gut, dass es sie selber überraschte. Wer konnte schon den amtierenden Europameister eine Niederlage zufügen? Gegen Chile hätte es auch beinahe funktioniert, aber da waren sie nicht mehr so effizient wie gegen die Spanier. Ja, und dann, dann kam Honduras und die größte Lachnummer des Turniers schickte die Eidgenossen nach Hause. Nein, nicht das Honduras nicht Fußballspielen kann. Die können das gar nicht so schlecht. Aber in der Chancenverwertung, also, meine Herren, das roch beinahe nach Bestechung. Da liefen drei Honduraner alleine auf das Schweizer Tor zu. Nur noch der Torhüter und ein Verteidiger. Was machen sie? Sie verstolpern. Gut. Einmal kann das ja passieren. Aber wenn eine Mannschaft solche Chancen im Minutentakt vergibt, dann fragt man sich, woran es liegt. Wie dem auch sei, die Schweizer Betonmischmaschine musste die Koffer packen. Zu recht, sage ich. Denn im Fußball gehört es auch dazu, das Spiel zu machen und sich nicht nur hinten hinein zu stellen.

Deutschland? Sie starteten fulminant. Haben die Australier aus dem Stadion geschossen. Wie das ging, weiß keiner. Ich jedenfalls nicht. War die deutsche Mannschaft so spielstark, so überlegen? Es mag den Anschein gehabt haben. Ich meine, dass die Australier einen rabenschwarzen Tag erwischten, anders ist es nicht zu erklären. Weil sie gegen Ghana, weil sie gegen Serbien kampfstark dagegen hielten – im Gegensatz zu ihrem ersten Gruppenspiel gegen Deutschland. Das hat mich schon geärgert. Weil ich mir dachte, dass sich die Germanen (wie so oft) gegen einen schwachen Gegner aufputschen und glauben, sie könnten alles und jeden bezwingen (was ja auch generell stimmt). Dass sie gegen Serbien einen Dämpfer erhielten, machte mich dann schon froh. Weil es dadurch dramatisch wurde (besser: hätte werden können). Aber da Australien überraschend die Serben nach Hause schickte, begnügte sich Ghana mit einer knappen Niederlage. Hätten die Serben frühzeitig das Spiel gegen Australien klar gemacht, Ghana hätte sicherlich mehr getan. Trotzdem bereiteten sie der deutschen Mannschaft gehörige Probleme. Und erst (wieder einmal) ein Weitschuss von Özil ebnete den Weg zum Sieg. Im Achtelfinale knipsten sie die Engländer aus. Die Schlappe der Engländer war wohl eher auf deren Unvermögen, als auf die Spielstärke der deutschen Mannschaft zurückzuführen. Und nur, weil die Deutschen im Konterspiel eiskalt ihre Chancen verwerten, heißt es nicht, dass sie auch ein Spiel machen können. Für mein Empfinden ist die deutsche Nationalmannschaft nicht so stark, wie es die Resultate zeigen. Aber darüber habe ich mir schon mal an dieser Stelle die österreichischen Finger verbrannt. Dass sie gegen die Spanier mutlos und scheu agierten, ist einer deutschen Mannschaft eigentlich nicht würdig. Freilich, da dürfte Trainer Löw auch zur falschen Taktik gegriffen und Anleihen bei Schweiz und Griechenland genommen haben. Gegen Uruguay haben sie sich dann schon mehr zugetraut und wurden dafür belohnt (wenn gleich der Sieg knapp war!). Und die Serben? (sie waren ja mit Frankreich in der WM-Qualifikationsgruppe der Österreicher – und hätten wir nicht dieses dumme Unentschieden gegen die Farör-Inseln gespielt, wir wären vielleicht statt Frankreich zur WM gefahren!) Die Serben waren zu hochnäsig. Zuerst unterschätzen sie Ghana. Dann schlagen sie glücklich die Deutschen und fühlen sich bereits als Weltmeister, um dann gegen Australien zu verlieren. Vermutlich haben sie nach dem Deutschland-Spiel gefeiert, als gäb’s kein Morgen. Dumm gelaufen.

Dänemark? Die Dänen nur noch ein matter Glanz vergangener Stärke, als man ihnen den Beinamen „Danish Dynamit“ gab. Nur gegen Kamerun, da agierten sie hellwach und konterten die Afrikaner eiskalt aus. Gegen Japan war aber Endstation. Da waren es die blauen Samurai, die die Dänen – zack prack – abfertigten.

Neuseeland? Hat keines ihrer Spiele verloren! Das ist eine reife Leistung. Ihre Rugby-Spieler dürften den Gegnern gehörigen Respekt eingeflößt haben. Sogar den Italienern fiel nicht wirklich etwas ein. Dass die Südländer sogar in Rückstand gerieten und erst durch einen Elfmeter das Unentschieden fixierten, zeugt von der Abwehrstärke der Ozeanier (oder die Ideenlosigkeit der Italiener). Respekt! Australien? Enttäuschend und überraschend! Hätte Lahm nicht auf der Linie abgewehrt, hätte es die Führung für die Australier bedeutet, wenige Minuten nach Spielbeginn. Statt dessen kassierten die Socceroos im Gegenzug den Treffer. Was wäre wenn? Wir hätten sicherlich ein anderes Spiel gesehen. Vielleicht hätten die Deutschen auch gewonnen, aber es wäre ihnen nicht so leicht gemacht worden. Dass die Australier im letzten Spiel, wo sie keine Chance mehr auf den Aufstieg hatten, die Serben niederkämpften, dafür gebührt ihnen die Ehrenmedaille der WM. Weil sie dadurch Ghana den Weg ins Achtelfinale ebneten.

Das Schlimme am Turnieren ist, dass am Ende der nur noch der Sieger zählt. Wie er ins Finale gekommen, wie er seine Spiele gewonnen hat, all das hat keine Bedeutung. Das ist aber auch wieder das Ärgerliche. Weil dann Trainer kommen und sagen: „Wir zerstören jetzt das Spiel des Gegners.“ oder „Wir stellen uns hinten rein und warten mal ab.“ Ich weiß, es gibt nun mal Mannschaften, die nicht das Spielerpotenzial eines Spanien oder Brasilien hat. Aber die Chilenen haben gegen den übermächtigen Gegner aus Südamerika so beherzt gespielt, dass es eine Freude war. Genauso die Mexikaner, die Argentinien eigentlich schlagen hätte müssen. Oder die Südkoreaner, die sich nicht verstecken und immer mitspielen wollen (sie können es auch!). Als neutraler Beobachter wünsche ich mir natürlich spannende und dramatische Begegnungen. Ich will, das Fußball gespielt und nicht Fußball taktiert wird. Dass Niederlande so gut wie jedes Spiel mit Glück gewonnen und sich dadurch ins Finale gewirxt hat, macht sie nicht zu einer respektablen Mannschaft. Ganz im Gegenteil. Leider zählt am Ende nur das Resultat, ich sagte es schon. Deshalb ist so ein Resümee wichtig. Monate später, wenn meine Erinnerung nachlässt, werde ich wieder hierher klicken und mir  vor Augen führen, wie die Weltmeisterschaft 2010 gelaufen ist. Gelaufen? Ach ja, manche Mannschaften sind ja nur gestanden.

P.S.: das (kürzere) Fazit über die WM von Matthias Brömmelhaus.

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WM 2010 FINALE NED : ESP

Niederlande : Spanien  0 : 1

Meine Güte, was war denn das für Spiel? Beinahe hätte ich mit dem Fußballgott ein ernstes Wörtchen reden müssen. Weil es fast so aussah, als würde die Partie ins Elfmeterschießen gehen. Und wie das ausgeht, weiß keiner. Am Ende hätte dann die holländische Kickboxer-Truppe noch den Pokal geholt. Nicht auszudenken. Nicht für den Fußball. Ich frage mich ja, was sich die Zuschauer gedachte haben, die zwei europäische Mannschaften um den Weltmeistertitel „rittern“ gesehen haben und vermutlich zum Schluss kommen, dass die Provinz-Mannschaft von Guangzhou einen besseren Fußball spielt. Oder anders gesagt: die Provinz-Mannschaft bemüht sich wenigstens, Fußball zu spielen. Und im Fußball geht es nun einmal darum, Tore zu schießen und nicht Knochen zu brechen.

Die Holländer? Ich kann kein gutes Haar an ihnen lassen. Derweil war ich noch so begeistert von ihrem schnellen, modernen System, vor zwei Jahren zur Europameisterschaft. Da fertigten sie Frankreich und Italien mit attraktivem Offensiv-Fußball unnachahmlich ab. Dass sie von den Russen besiegt wurden, die ihr System kopierten, aber glücklicher oder effizienter umsetzten, dürfte sie tief in der Seele getroffen haben. Da dachten sie sich: machen wir es so wie unsere deutschen Nachbarn in der Vergangenheit und versuchen wir jedes Spiel zu gewinnen, egal, wie grottig wir kicken. Dass die Niederlande überhaupt ins Finale gekommen sind, war per se schon eine Frechheit. Weil sie ein Haufen von zusammengewürfelten Einzelspieler sind, die durch Einzelaktionen (Sneijders Weitschüssen sei Dank) den Sieg davontrugen. Fußball gespielt haben sie nie wirklich. Nicht jedenfalls über 90 Minuten. Hätte also Holland den WM-Titel geholt, ihr System hätte vermutlich Furore gemacht. Nicht auszudenken.

Spanien hat den Pokal redlich verdient. Immerhin versuchten die Spieler in allen WM-Spielen ihrer Favoritenrolle gerecht zu werden und agierten offensiv. Dass das auch in die Hose gehen konnte (gegen die Schweiz) oder beinahe in die Hosen ging (Chile, Paraguay) ist heute nur noch eine Randnotiz, die von keiner Bedeutung mehr ist. Die Spanier haben vielleicht nicht immer den Fußball gespielt, den man von ihnen erwartete, aber sie haben sich wenigstens bemüht. Andere Mannschaften (Holland, Griechenland, Neuseeland usw.) haben sich darauf konzentriert, das Spiel der Gegner zu zerstören. Das mag effizient sein (Neuseeland ist die einzige Mannschaft, die ungeschlagen geblieben ist!), aber attraktiv ist es nicht.

Das Finale lebte von den Härte-Einlagen, die nichts zu wünschen übrig ließen. Dass nach 90 Minuten noch alle 22 Spieler am Feld waren, ist nur dem Schiedsrichter Howard Webb zu verdanken, der vermutlich die „Rote Karte“ in der Kabine vergessen hatte. Die Ironie ist, dass sich die Holländer bei ihm bedanken dürfen, dass er nicht schon nach 45 Minuten zwei Spieler von ihnen unter die Dusche schickte, andererseits ist er auch dafür verantwortlich, Iniesta nur zu verwarnen, obwohl er sich zu einer Tätlichkeit hinreißen hatte lassen. Unter den üblichen Gesichtspunkten hätte er mit Rot bestraft werden müssen. Seine Tätlichkeit wiederum wurde durch das nicht geahndete herbe Foul von van Bommel an ihm, ausgelöst. Den Vogel hat mit Sicherheit De Jong abgeschossen, der mit einem Kung Fu – Tritt Xavi Alonso im Brustbereich förmlich niederstreckte. Hier nur Gelb zu zeigen war grenzwertig Nahe an einer Manipulation.

Das sonst an Torraum-Szenen arme Spiel war natürlich nichts für schwache Nerven. Hie und da gab es gute Torchancen. Robben hätte das Finale eigentlich im Alleingang entscheiden können, scheiterte aber zwei Mal am spanischen Schlussmann. Auf der anderen Seite kopierte ihn Fabregas und scheiterte ebenfalls am Torhüter. Man musste schon gute Nerven haben. Heitinga wird zehn Minuten vor Ende der Verlängerung mit Gelb-Rot unter die Dusche geschickt. Minuten vor Schluss und dem Elfmeterschießen bereits vor Augen, war es dann Iniesta, der den Ball ins Tor der Holländer knallt. Das war es dann auch schon.Meiner Seel, das Finale hat mich todmüde gemacht.

WM 2010 Kleines Finale URU : GER

Uruguay : Deutschland  3 : 2 2 : 3

Na, das war ja mal ein hübsch flottes Fußballspiel. Beide Mannschaften, Uruguay wie Deutschland, waren gewillt zu gewinnen und den kleinen Pokal nach Hause zu bringen. Nur der eine oder andere hatte wohl etwas dagegen, Platz 3 klar zu machen. Allen voran, der mit Buhrufen geschmäht „Handballer“ Suarez, der mit seinem unrühmlichen Handspiel die Mannschaft aus Ghana um das Halbfinale betrog (freilich, das klingt hässlich, in einem Sport, der doch die schönste Nebensache der Welt sein soll). Dieser Suarez, der bei Ajax Amsterdam die Tore am Fließband schießt (so hört man), vernebelte alleine vor Butt. Ich schätze, solche Chancen haut er normalerweise blind hinein. Eine weitere Gelegenheit, dieses Mal aus spitzerem Winkel, lässt er ebenfalls aus. Dass er dabei nicht mal das Tor getroffen hätte (Butt wehrte ab), ist blamabel. Auf der anderen Seite dachte sich Kießling, dass es nicht fair wäre, fünf Minuten vor Schluss die Entscheidung herbeizuführen. Am Elfmeterpunkt bekommt er den Ball zugespielt, hat alle Zeit der Welt und entscheidet sich weder für die rechte, noch für die linke Ecke, sondern haut den Ball über die Latte und in den zweiten Rang. Nun wissen wir, warum er auf der Ersatzbank sitzt (andererseits, Cacau hat auch nicht gerade geglänzt). Aber den Vogel schießt wohl Muslera ab. Der Towart Uruguays dürfte vermutlich unter Drogen gestanden sein. Anders ist seine Leistung nicht zu erklären. Im Besonderen beim zweiten Gegentreffer, wo er unmotiviert aus dem Tor läuft, um dann den hereingeflankten Ball zu verfehlen, der wiederum dem zweifach (!) gedeckten Jansen auf den Kopf fällt und von dort ins Tor (ich schätze, er weiß bis heute nicht, wie er es gemacht hat). Wieder einmal bewahrheitet es sich, dass die Deutschen, wenn sie keine Angst haben (im Gegensatz zum Halbfinal-Spiel gegen die Spanier*), immer für ein Tor gut sind. Dass sie am Ende nicht doch noch den Ausgleich kassierten, war wohl Forlan und der Latte zu verdanken. In der letzten Aktion setzte Forlan einen Freistoß an besagte Latte. Der Fußballgott hatte scheinbar genug, wieder an der Dramatikschraube zu drehen. Schade. Die Verlängerung hätte es sicherlich in sich gehabt. Und wäre es zu einem Elfmeterschießen gekommen, wir wüssten ja, wie es ausgegangen wäre, oder?

Und zu guter Letzt, um ein wenig politischen Dampf abzulassen, könnte man die deutsche (und schweizer) Nationalmannschaft hernehmen, wenn es wieder darum geht, jener Fraktion Paroli zu bieten, die behauptet, es gäbe zu viele „Ausländer“ im „Inland“. Wo wäre die deutsche Nationalmannschaft, hätte man vor Jahren und Jahrzehnten der Zuwanderung einen Riegel vorgeschoben? Sie würde mit Sicherheit nicht um Platz 3 gespielt haben. Und die Schweizer hätten den kommenden Weltmeister nicht schlagen können. Das trägt natürlich nicht zu einer konstruktiven Diskussion bei, ich weiß. Aber es bietet sich eben einfach so schön an. Und weil ich noch gut das vergilbte Bild der „deutschen“ Fußballmannschaften im Kopf habe, damals, in den 70er und 80ern, muss man sich einfach die Namen der WM-Spieler aus deutschen und schweizer Landen auf der Zunge zergehen lassen (und sie damit natürlich auch wieder würdigen). Ich finde es jedenfalls köstlich.

Jerome Boateng
Cacau
Miroslav Klose
Lukas Podolski
Mario Gomez
Piotr Trochowski
Mesut Özil
Sami Khedira
Serdar Tasci
Jerome Boateng
Dennis Aogo


Gokhan Inler
Valon Behrami
Hakan Yakin
Gelson Fernandes

Xherdan Shaqiri
Blaise Nkufo
Albert Bunjajku
Eren Derdiyok

Und mit einem Lob an die deutsche Wertarbeit, die sich den 3. Platz redlich verdient hat, schließe ich meine vorletzte WM-Berichterstattung. Zur EM-Qualifikation kann mich dann die germanischen Leserschaft gerne auf den Arm nehmen. Bis dahin versteige ich mich in rotweißrote Fußballträume.

*) „Uns hat heute einfach vielleicht der Mut gefehlt. […]“ – Manuel Neuer nach dem Spiel gegen Spanien

WM 2010: Tag #23 ESP : GER

Spanien : Deutschland  1 : 0

Gesetzt dem Falle, die Spanier wären nur halb so effektiv wie die Deutschen in ihren letzten beiden Spielen, dann hätte es wohl für diese eine schmerzlichere Niederlage gegeben. So blieb es bei diesem einen Kopftor von Puyol. Ausgeschieden sind sie trotzdem (besser: sie haben das große Finale verpasst und spielen noch um Platz 3). Aber seltsam, all diese Tugenden, die eine germanische Mannschaft so auszeichnet, waren fast 80 Minuten lang in der Kabine, nicht am Feld. Was ging da bloß in den Köpfen der Spieler vor?

Spanien war den Deutschen in allen Belangen überlegen. Das konnte man mit freiem Auge sehen, dazu brauchte es keine Statistik. In der zweiten Halbzeit gab es überhaupt eine spanische Powerplay-Phase, in der die deutsche Hintermannschaft alle Füße und Köpfe zu tun hatte, um die Angriffe abzuwehren. Wenn man sich ein Bild der beiden Mannschaften vor Augen führen möchte, wie sie agierten, dann ist der jeweilige Anstoß. Die Deutschen machen den Ankick zur 1. Halbzeit und spielen den Ball zurück, lassen ihn dort in den hinteren Reihen zirkulieren. Man merkt, hier herrscht Vorsicht. Die Spanier hingegen, sie spielen den Ball nach dem Ankick zur 2. Halbzeit sofort in die Spitze, das Mittelfeld rückt nach und auf.

Herr Löw hat sicherlich lange über die Strategie gegen die Spanier nachgedacht. Er kam vermutlich zum Schluss, dass es nur einen Weg gab, die Iberer zu schlagen: die Schweizer Lösung musste her. Hitzfeld, der Trainer der Eidgenossen, hat es der Welt gezeigt (es war die 2. Niederlage der Spanier nach über 50 Spielen), dass man mit der richtigen Beton-Abwehr und der nötigen Effizienz im Toreschießen (die ist ihnen gegen Honduras ziemlich abhanden gekommen) auch dem Europameister eine Niederlage zufügen kann. Hitzfeld wiederum hat sich die Taktik von Rehagel und seinen Griechen abgeschaut (EM 2004). Wer das Spiel der Spanier gegen die Eidgenossen gesehen hat, hätte am liebsten die Schweizer sofort von der WM ausgeschlossen. Weil sie nicht spielten, sondern mauerten und jegliches Kurzpass-Spiel der Spanier zerstören wollten – was ihnen auch gelungen ist. Für den Offensiv-Fußball eine herbe Schlappe.

Nun könnte man natürlich argumentieren, es gäbe gegen die spielstarken Spanier kein anderes Rezept, als Beton anrühren und hoffen, dass der Ball irgendwann irgendwie in deren Tor kullert. Vielleicht ist das richtig. Vielleicht aber auch nicht. Herr Löw hätte sich nur das Spiel der Spanier gegen die Chilenen ansehen müssen. Da machten die Südamerikaner die Räume der Spanier eng, attackierten diese schon in ihrer eigenen Hälfte und brachten diese in Bedrängnis. Keine Spur mehr von ihrem sonst so sicheren Pass-Spiel. Hätte der chilenische Torhüter nicht gerade seinen entbehrlichen Ausflug gemacht, der zum Führungstreffer führte und hätte der Schiedsrichter nicht einen Chilenen vom Platz gestellt, die Spanier wären vielleicht sogar schon in der Gruppenphase nach Hause gefahren. Und gegen Paraguay sah es auch nicht rosig für sie aus. Auch da hielten die Südamerikaner dagegen, spielten mit und drängten genauso aufs Tor wie die Spanier. Hätte Cardozo nicht den Elfmeter vergeben, wer weiß, wie das Spiel geendet hätte. Wir sehen: es bedarf nicht immer nur Beton.

Ich bin auch der Meinung, dass die Spanier alles andere als sicher und selbstbewusst waren (nach dem Sieg gegen Deutschland sieht es natürlich anders aus). Diese knappen und nervenzerfetzenden Siege waren in den Köpfen der Spieler. Vielleicht spekulierte Herr Löw wieder mit einer glücklichen Fügung, die zu einem Tor für die deutsche Mannschaft führt. Denn dann hätten die Spieler das machen können, was sie am liebsten machen: den Gegner eiskalt auskontern und mit Schimpf und Schande aus dem Stadion schießen. Ein klein wenig hätte ich es ihnen auch vergönnt, so gedemütigt zu werden, wie sie es mit den Engländern und Argentiniern gemacht haben. Weil sie der Welt glauben machen wollten, sie wären so stark und um so viele Tore besser, wie sie eben dem Gegner geschossen haben. Aber diese Rechnung stimmt nur bedingt. Weil eine Mannschaft, die in der Offensive ihr Heil sucht, um die drohende Niederlage abzuwehren, wird durch einen weiteren Gegentreffer völlig aus der Bahn geworfen. Diese mentale Schlappe führt zu Auflösungserscheinungen („Wozu sollen wir noch spielen, es ist vorbei?“), die der Gegner weiter kaltblütig ausnutzen kann. Das ist nicht sehr nett, aber eben Fußball. Gut gesehen bei den Portugiesen, die eine auflösende Nordkoreanische Mannschaft mit 7 oder 8 Toren in ein Debakel laufen lassen. Später, im Achtelfinale, sind sie nicht in der Lage, auch nur eine nennenswerte Offensiv-Aktion gegen die Spanier zu machen. Schon gar nicht, als diese den Führungstreffer geschossen haben.

Zurück zum Deutschland-Spiel. Hätte Pedro entweder den Killerinstinkt eines Müllers oder das Auge für seinen Mitspieler (wie ein Müller), er hätte alles klar machen können. Aber statt Torres zu bedienen, wollte er sich „unsterblich“ machen. Tatsächlich machte er sich nur lächerlich. Weil er einerseits nicht imstand war, einen der deutschen Verteidiger auszutanzen, andererseits,  weil er nicht in der Lage war, den Querpass auf Torres zu spielen. Man stelle sich vor, den Deutschen wäre dann doch noch der Lucky Punch geglückt? Pedro hätte besser Asyl in Südafrika angesucht, aber nach Spanien hätte er nicht mehr zurück dürfen.

Jetzt spielen die Löw-Mannen am Samstag um Platz 3 gegen Uruguay. Ich könnte mir vorstellen, dass es ein recht flottes Spiel sein wird. Zwar wird man beiden Mannschaften ihre Enttäuschung ansehen, aber die Südamerikaner haben die bessere Motivation auf ihrer Seite: es geht gegen DAS Deutschland und sie haben die Möglichkeit, als krasser Außenseiter mit einem Achtungserfolg das Turnier zu beenden. Die Deutschen hingegen, sie sind nun Opfer ihrer großspurigen WM-Träume. Gerade nach ihrem Kantersieg gegen Argentinien gab es für die Fans und (vor allem) den Medien kein Halten. Vielleicht sind sie auch an dieser Bürde zerbrochen. Das kleine Finale gegen einen undankbaren Gegner (weil kein Schwergewicht) kann nur noch Pflichtaufgabe sein. Ja, Motivation sieht anders aus.

Das große FINALE lautet demnach Spanien gegen Holland. Damit könnte Spanien nach dem Europameister-Titel auch den Weltmeister-Titel mit nach Hause nehmen. Spielerisch haben die Oranjes natürlich keine Chance, mit den iberischen Ballartisten mitzuhalten. Aber dass die spanische Verteidigung schwächelt und schwankt, wenn man sie unter Druck setzt, hat das Turnier gezeigt. Die Deutschen haben verabsäumt, von Beginn an, dagegen zu halten. Jetzt wird man sehen, ob die Oranjes aus diesem Fehler lernen werden.

WM 2010: Tag #22 Halbfinale NED : URU

Niederlande : Uruguay  3 : 2

Vermutlich wird man die geflügelte Phrase „ein Spiel dauert 90 Minuten und am Ende gewinnen die Deutschen“ umformulieren müssen. Man ersetze „Deutschen“ mit „Holländer“ und schon ist alles gesagt.

Wie sie es anstellen, ich weiß es nicht. Es zieht sich wie ein orangefarbener Faden durch diese WM: die Holländer spielen einen mäßigen Fußball; wenig Emotion, wenig Witz, wenig Ideen. Die Schnelligkeit, dieser berühmte Zug zum Tor, der sie einst so gefährlich machte, nur noch sporadisch anzutreffen. Den Niederländern reichen zumeist 15 Minuten, in denen sie das Tempo erhöhen, den Druck verstärken und die Chancen suchen. In den restlichen 75 Minuten machen sie dann ihre Tore und entscheiden das Spiel.

Gut. Uruguay, wir wissen es längst, hat im Halbfinale nichts zu suchen gehabt. Statt den Südamerikanern hätte eigentlich Ghana gegen die Oranjes antreten müssen. Meine Güte, was wäre da wohl im Stadion abgegangen? Ganz Afrika wäre Kopf gestanden. Und dann auch noch gegen die ehemaligen Kolonialherren Südafrikas (wobei, so ganz stimmt es nicht; eigentlich hatte die Englische Krone lange Zeit das Sagen, bis die holländischen Siedler, die Buren, sich mit der Englischen Armee anlegten; schlussendlich kapitulierten die Engländer und die Buren hatten das Sagen; was diese dann anstellten, muss an dieser Stelle nicht erläutert werden). Wie dem auch sei, „die Hand Suarez“ hielt Uruguay im Rennen.

Das Spiel war in der ersten Hälfte mau. Dann ein Gewaltschuss von van Bronkhorst, der wie ein Strich in die Kreuzecke einschlägt. Dass die Urus noch vor der Pause den Ausgleich (ebenfalls ein Weitschuss, diesmal von Forlan) machten, freute mich dann doch. Weil ich auf eine spannende zweite Hälfte hoffte. Dass die Holländer nach der Pause die Initiative ergriffen, überraschte mich. Sie spielten druckvoll, versuchten Uruguay in die Defensive zu zwingen. Daraus entstanden gefährliche Situationen. Aber das Tor von Sneijder war wieder einmal äußerst glücklich. Abgefälscht von einem der südamerikanischen Verteidiger findet der Ball den Weg ins Tor. Und keine zwei Minuten später wuchtet Robben seinen Schädel gegen den Ball und bugsiert ihn mustergültig in die linke Ecke. Das war dann wohl die Entscheidung. Die Holländer machten nur noch, was notwendig war. Und wären beinahe bestraft worden. Sie kassierten in der Nachspielzeit den Anschlusstreffer. Für den Ausgleich reichte es dann doch nicht, aber es wurde noch einmal hektisch, im Strafraum der Holländer. Ja, das ist es, was wir sehen wollen: Dramatik! Schade, dass die Urus nicht doch noch den Ausgleich erzielten. Dann könnten wir noch Tage später den Kopf schütteln und sagen: „Ich hätt’s nicht für möglich gehalten!“.

Die Niederländer stehen also im Finale. Verdient haben sie es wohl nicht. Aber bei meinen gestrengen Maßstäben kommt keine Mannschaft gut weg. Immerhin haben sie die Spiele gewonnen. Das ist, was zählt. Immer. Und wie die Tore zustande kommen, interessiert nach dem Schlusspfiff niemanden. Leider.

Wer auch immer gegen die Oranjes im Finale antreten wird, eines ist klar: die Holländer haben das Glück auf ihrer Seite; sie müssen weder gut spielen, noch den Anschein erwecken, gefährlich vors Tor zu kommen; sie bringen irgendwann, irgendwie zumindest einen Treffer zustande. Dagegen hilft keine Betonabwehr, keine taktische Meisterleistung des Gegners. Die Oranjes mit Sneijder, vor allem Sneijder und Robben, vor allem Robben, sind immer für ein Tor gut, auch wenn es nicht den Anschein macht. Man könnte meinen, es ginge nicht mit rechten Dingen zu. Aber da sind sie mit Spanien und Deutschland in guter Gesellschaft. Auch da möchte man seinen Augen nicht trauen. Während sich die Iberer abmühen, mehr schlecht als recht ins Halbinfale ge-villat sind, müllern sich die Deutschen von einem Kantersieg zum nächsten. Verkehrte Welt, fällt einem da ein. Ja, mehr fällt einem im Moment dazu nicht ein.