Kurz zuvor in Bernward Vespers Autobiographie Die Reise geblättert (mein Beitrag). Es bietet ein Stück Innenansicht, die in der Literatur unerreicht ist. Er, Bernward, ein Zerrissener zwischen zwei Welten. Zum einen die Welt Ostdeutschlands, mit dem großen Gut der Mutter und dem Vater, der ein großer Dichter war, aber zu Bernwards Kummer die falschen Götter anbetete. Das niedergelegte Gespräch zwischen Vater und Sohn, das Bernward schonungslos auf eine dichtgedrängte Seite zwängt, ist grandios wahr – und würde heute wohl der Zensur zum Opfer fallen. Weil die andere Seite – und immer gibt es eine andere Seite – nicht gehört werden darf.
Aber grandios in ihrer Wahrheit! Von Tagebüchern und Innenansichten weiterlesenSchlagwort-Archive: 1970er
Erinnerungen an eine Welt von Gestern
Es ist noch nicht lange her, da kam ich an meiner alten Volksschule vorbei. Das große Tor stand offen und ich konnte einen Blick hinein machen, in die Einfahrt, dort, wo ich als kleiner Junge oftmals darauf gewartet habe, in meine Klasse gelassen zu werden. Jedenfalls wollte ich ein Foto machen – wozu wusste ich freilich nicht. Während ich den passenden Ausschnitt wählte, kamen vereinzelt Erinnerungsstücke zum Vorschein, die ich am Dachboden meiner Gehirnwindungen in einer verstaubten Ecke liegen sah. Langsam dämmerte mir, dass ich ein Zeitalter erlebte, das zu Ende ging und ein anderes, das seinen Platz einnahm.
Gewiss, es ist eine banale Beobachtung, wohl kaum der Rede oder eines Aufsatzes wert. Und doch muss ich es mir auf eindringliche Weise vor Augen halten, dass es in meiner Kindheit, in meiner Jugend kein weltweites Netz (Internet) gab und schon gar keine Smartphones. Jetzt, Tage später, mit den Gedanken in diese Welt von Gestern zu reisen fühlt sich merkwürdig an. Ich versuche mich zu erinnern, aber es sind immer nur Momentaufnahmen, ausgeschmückt und eingefärbt mit dem Wissen und all den gemachten Erfahrungen der Gegenwart.
Aus heutiger Sicht betrachtet, war das damalige Leben sehr eingeschränkt, man lebte recht konformistisch, passte sich sozusagen an und ging unaufgeregt seiner Aufgabe oder Arbeit nach. Auf der anderen Seite war die Welt damals roh, mit vielen Ecken und Kanten und ein Tag konnte schon recht bitter schmecken. Selten wurden die Dinge ins schöne Licht gerückt, da die damalige Technologie nur simple Verschönerungen zuließ und das Geld immer knapp war. Kurz, man konnte noch keinen großen Wert auf die Verpackung, auf das Design legen – was zählte war in erster Linie die Qualität der Sache selbst. In einem der vielen (verrauchten) Gasthäuser bekam man Hausmannskost. Bodenständig. Sättigend. Eine Haute Cuisine, bunt und verspielt, ideenreich und kunstvoll, gab es vielleicht in Frankreich, aber nicht hier. Heute scheint es, als würde der hungrige Mensch von Bildern, Tönen und Gefühlen, die ihn täglich umgeben, gelenkt werden. Schön anzuschauen. Selten sättigend. Oftmals unnatürlich.
Nostalgie TV-Tipp: Kottan ermittelt – Hartlgasse 16a (1976) und Wien Mitte (1978)
Das Internet hat das eingeschränkte Dasein förmlich aufgesprengt. Die Gedankenwelten rückten tatsächlich näher zusammen – im Guten wie im Schlechten. Mit einmal konnte man lesen und hören, was andere Menschen, wie du und ich, zu einem ganz bestimmten Sachverhalt dachten. Mit einmal erfuhr man Wahrheiten, die einem um den Verstand bringen konnten – nur um später festzustellen, dass es Wahrheiten und Wahrheiten gab und dass nichts ist wie es uns in der Schule gelehrt wurde.
Das Internet der ersten Stunde geht nun langsam zu Ende. Wo früher absolute Redefreiheit herrschte ist nun der (programmierte) Zensor zur Stelle, der löscht, was nicht gefällt und falls das nicht reicht, droht Strafe und Verbannung. Für eine kurze Weile sah es danach aus, als würde die Masse in der Lage sein, die Elite – wenigstens virtuell – in die Schranken weisen zu können. Doch jede Erfindung und Entdeckung wird früher oder später in den Dienst der „großen Sache“ gestellt. Mit anderen Worten, es muss der Führung der Herde dienen. Alles andere kommt danach. Stichwort Edward Bernays. Punktum.
So stand ich vor dem großen Tor meiner Volksschule, steckte das Smartphone wieder weg, blickte kurz auf die gegenüberliegende Straßenseite und erinnerte mich wieder an ein kleines Zuckerlg’schäft, wo wir uns dann und wann Süßigkeiten kauften, so wir ein paar Schillinge in der Tasche hatten. Rechteckige Oblaten waren für eine Weile der Renner. Cola-Flascherln gingen immer.
Ja, wir Kinder der 1970er Jahre waren wohl die erste Generation, die von der Wirtschaft zu Versuchszwecken eingefangen wurden. Zucker spielte dabei eine wesentliche Rolle. Scheinbar bemerkten die damaligen Leutchen in den Führungsetagen, dass man von Drogendealern (und der Tabakindustrie) durchaus etwas lernen konnte. Man mache die Jüngsten von dem Stoff abhängig, dann hat man auf ewig Abnehmer respektive Konsumenten. Und die Ärzteschaft? Sie forderte kein Umdenken, sondern mehr Geld. Das Bruttoinlandsprodukt musste schließlich wachsen und gedeihen. Sehr zur Freude der Politiker.
Ich frage mich, wie unser Leben nun aussähe, hätte es dieses virtuelle Fenster in die weite Welt niemals gegeben, bzw. wäre es als einseitiger elitärer Kommunkationskanal (analog dem TV) in der Entwicklung stecken geblieben. Müßig darüber zu sinnieren, ich weiß.
Ich setzte jedenfalls meinen Weg wieder fort. Wer weiß, dachte ich mir, vielleicht wird einer der jetzigen Schüler in vierzig Jahren einen ähnlichen Aufsatz schreiben. Über seine Welt von Gestern.
Denkverbote #4: Social Engineering
Auf meinem Tisch liegt das Taschenbuch Die Reise von Bernward Vesper (1938-71), welches posthum im Jahr 1977 erschien und ein „bestürztes Interesse“ auslöste „wie kein anderes deutsches Buch dieses Jahrzehnts“ (Spiegel). Der Autor, Sohn des völkischen Dichters Will Vesper (1882-1962), Vater eines Sohnes und Ehemann Gudrun Ensslins, die sich der damaligen Terrororganisation RAF anschließen sollte, schreibt sich förmlich die Seele aus dem Leib. Die Gedankenströme fließen. Persönlichste Innenansichten wechseln mit politischen Weltanschauungen. Mal in Zeitlupe. Mal in Zeitraffer. Zugegeben, ich habe erst ein paar Seiten dieses Mammutwerks gelesen, aber der Sog, den die Zeilen entwickeln, ist bereits spürbar. Vorausgesetzt, man möchte mehr erfahren. Von der damaligen Welt, die in Ost und West eingeteilt war. Vom damaligen Leben. Vom damaligen Aktionismus. Vom Terror der Terroristen. Von den Ansichten der jungen Menschen. Ihren Schuldgefühlen. Ihren Hass gegenüber einer älteren Generation. Ihren Interpretationen bezüglich vergangener und gegenwärtiger Geschehnisse. Bernward Vesper tritt, wenn man so will, als unbestechlicher, zuweilen widersprüchlicher Zeuge in den Zeugenstand.
»[…] auf jeden Fall wollte ich endlich mal auspacken, abrechnen, es den Leuten zeigen, ‚Schonungslose Autobiographie etc.‘. Ich erinnere mich auch genau, daß ich ‚einflechten‘ wollte, ich wäre ein ’notorischer Lügner‘ usw.«
Im Nervenkrankenhaus Haar bei München schied er 1971 schließlich freiwillig aus dem Leben, ohne sein Werk abzuschließen. Sechs Jahre später folgt ihm seine Ehefrau Gudrun Ensslin in den Tod. Selbstmord. Im Gefängnis von Stuttgart-Stammheim.
Wenn Behörden im Chat Antworten suchen und Terroristen mit einem Konventionsreisedokument reisen, Ansbach 2016
Hier die eine oder andere Merkwürdigkeit bezüglich des (vermeintlichen) Bombenanschlags in Ansbach, 24. Juli 2016.
Disclaimer
Dieser Artikel spiegelt die Meinung des Autors in Bezug auf das
Ereignis in Ansbach, 24.7.2016, wider und basiert auf publiziertes Foto- und Filmmaterial, sowie öffentlich zugängliche Zeugenaussagen.
Auf orf.at lesen wir, dass es nach den derzeitigen Ermittlungen unklar sei, »ob der Attentäter die Bombe tatsächlich in diesem Moment am Sonntagabend zur Explosion bringen wollte. ›Es gibt aufgrund der ganzen Zeugenaussagen des Geschehens und übrigens auch des Chatverlaufs in der Tat Fragen, ob das in dem Moment von ihm beabsichtigt war, in dieser Minute die Bombe zu zünden‹, sagte Bayerns Innenminister Herrmann.«
Vielleicht könnte jemand den Innenminister aufklären, dass es Aufgabe der Forensiker ist, herauszufinden, um welche Bombe es sich gehandelt hatte, woher der Sprengstoff stammte und wie die Zündung erfolgte. Bis jetzt warte ich noch auf diese Information. Es steht zu befürchten, dass es noch eine Weile dauert, bis der Pressesprecher der Behörde so freundlich sein wird, die Fakten bekannt zu geben. Gut möglich, dass die wesentlichen Informationen aus Gründen der Staatssicherheit unter den Teppich gekehrt werden müssen. Die übliche behördliche Leier, um die Bürger weiterhin im Dunkeln tappen zu lassen, Ängste zu schüren und die orwellsche Agenda War on Terror ist Frieden und Freiheit ist Unsicherheit zu befeuern. »Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt. Unaufhörlich.«
Liest man die Medienberichte, könnte man zum Schluss kommen, dass jeder Volksschüler Sprengsätze bauen kann. Im Kinderzimmer, ein paar Chemikalien aus dem Experimentierkasten, eine Schachtel Nägel, ein Druckkochtopf und schon hat man einen explosiven Cocktail. Also, früher einmal, in den 1970er und 1980er Terrorjahren, als den Bürgern in Westeuropa noch professionelle Bomben um die Ohren flogen, kamen Bestandteile auf die eine oder andere Weise aus Militär- bzw. Geheimdienstdepots. Wundern Sie sich besser nicht, sondern informieren Sie sich über Operation Gladio.
In einem SZ-Artikel heißt es: »Seine Bombe war nach Informationen der SZ dilettantisch gebaut und entfaltete nicht die volle Wirkung. Sonst wäre seine Leiche noch stärker zugerichtet gewesen, da er den Rucksack mit der Bombe am Leib trug.« Äh, vielleicht könnte jemand die Redakteure der SZ darauf aufmerksam machen, dass MD. den Rucksack nicht am Körper trug, als der Sprengsatz detonierte. Auf einem Foto sieht man doch einen Polizisten, wie er über den leeren Rucksack gebeugt ist. Hat demnach die SZ. Bilder der Leiche gesehen? Wer hat diese Aufnahmen gemacht und der Zeitung zur Verfügung gestellt? Und woher weiß die SZ wie die volle Wirkung der Bombe hätte aussehen müssen? Könnten die SZ demnach herausgefunden haben, wie die Bombe im Detail geplant war? Eventuell sollte Innenminister Herrmann mal bei der SZ-Redaktion vorbeischauen und sich aufklären lassen.
Der Spiegel wiederum möchte seine Leser im Unklaren lassen, ob MD. überhaupt in der Lage war, die Bombe herzustellen: »In einer Flüchtlingsunterkunft hat die Polizei mehrere Gegenstände beschlagnahmt. Mitarbeiter der Spurensicherung hatten am Morgen mehrere Kisten, Säcke und Tüten unbekannten Inhalts aus dem Gebäude getragen (und wer hat sie zuvor hereingetragen?). Die Ermittler fanden einen Benzinkanister mit Diesel sowie Salzsäure, Alkoholreiniger, Lötkolben, Drähte, Batterien und Kieselsteine, außerdem einen Laptop mit gewaltverherrlichenden Bildern, die in Verbindung zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) stehen.«
Okay, damit ist ja alles klar, nicht wahr? Nope. Natürlich nicht. Es stellt sich gleich mal die Frage, um welche Flüchtlingsunterkunft es sich gehandelt hat („in einer …“) und ob Asylwerber Einzelzimmer haben, die groß genug sind, um allerlei Kisten, Säcke und Tüten ungesehen zu lagern. Was mögen wohl seine Mitbewohner gedacht haben, als MD. seine Experimente machte? Haben Sie ihm geholfen? Wollten sie ihn daran hindern? War es ihnen egal? Haben sie es gemeldet? Wurde die Meldung vielleicht nicht an die Polizei weitergeleitet? Warum wurde die Meldung nicht weitergeleitet? Und wie konnte sich MD. die Chemikalien überhaupt besorgen? Woher wusste er, wo man Salzsäure in Großmenge kaufen kann? Verhielt er sich beim Kauf nicht ein wenig verdächtig? Haben Sie in jungen Jahren mal eine Packung Präservative in der Drogerie kaufen wollen? Mit rotem Gesicht haben Sie dem Verkäufer Ihren Wunsch geäußert. Sie haben gestottert und wirkten unsicher. Was meinen Sie, wenn ein Asylwerber, der noch nicht lange in Deutschland ist, mit ungenügenden Deutschkenntnissen, all die Ingredienzen verlangte? Und wer auch immer MD. diese Chemikalien verkauft hat, wäre dieser nicht ein wenig misstrauisch geworden? Ansbach ist ja nicht gerade eine Großstadt.Und hat er dann jeden der Einkäufe zu Fuß erledigt? Niemand, der ihn gesehen hat, wie er an manchen Tagen schwer beladen ins Flüchtlingsheim stapfte? Niemand, der ihn nach dem Grund seiner Einkäufe fragte? Niemand, dem dieses Verhalten verdächtig vorkam? Ach so. ›Rambo‹ hatte natürlich ein Einzelzimmer in einem ehemaligen Hotel und war unauffällig. Niemand, der Verdacht schöpfte. Dabei war er mit dem Laptop und dem Darknet nur ein paar Klicks von einer Mini-Nuke entfernt. Was für ein Glück, dass er nur »eine große Menge Bargeld in Rollen von 50-Euro-Scheinen«, aber keine Bitcoins hatte.
Woher das Geld für all diese Einkäufe stammte, weiß die Polizei natürlich noch nicht. Werden wir es je erfahren? Wohl kaum. Aus Gründen. Na, Sie wissen schon, warum. Aber Sie können sicher sein, dass der Chatverlauf bis ins letzte Detail ausgewertet und die Spur, die in den Nahen Osten führt, im Sand verlaufen wird.
Im Spiegel heißt es: »Ein Video auf dem Handy von MD. zeigt einen Vermummten, der MD. sein soll. Er droht mit einem Anschlag.« Übrigens liest man in einem anderen Spiegel-Artikel, dass die Behörden zwei Handys, mehrere Sim-Karten und einen Laptop fanden. Stellt sich jetzt die Frage, warum sich MD. vermummte und das Drohvideo nicht auf eine Social-Media-Plattform hochlud – immerhin hatte er 6 facebook-accounts (ich habe einen Account und drei Seiten und komme da schon nicht hinterher). War es ein Selfie-Drohvideo? Oder war jemand so freundlich und unterstützte ihn bei der Aufnahme? Ist es möglich, dass das Video nur der Scherz anderer Asylwerber gewesen war? Vergessen wir nicht, dass MD. des Nächtens verschwand, ohne seine beiden Handys mitzunehmen – durchaus möglich, dass er öfters seine (?) Handys zu Hause liegen ließ. Hatte nun MD. noch ein anderes (unzerstörbares?) Handys bei sich, als der Sprengsatz sprengte? Man glaubt gar nicht, dass dieser simple Fakt in den zahlreichen Berichten nicht herauszulesen ist. Beinahe scheint es, dass die Reporter gar keine Ahnung haben, worüber sie schreiben sollen, da sie all die Informationen von den Behörden erhalten – mit Ausnahme der SZ, die sogar Zugriff auf das bulgarischen Attest des Hausarztes von MD.erhielt – fragen Sie mich nicht, wie das in der kurzen Zeitspanne überhaupt möglich ist. Im selben Artikel erfahren wir:
»Nun allerdings habe ihn auch sein Vater nicht mehr mit Geld unterstützen können, gab D. später an. In dieser verzweifelten Situation ist dann etwas geschehen, was im Nachhinein aufhorchen lässt: ›Also wollte ich es doch riskieren und weiter nach Deutschland gelangen. Zu meinem Glück fand ich einen Syrer, der mir einen Flug nach Österreich spendierte‹, gab Mohammad D. gegenüber von Maltitz an. Handelte der angebliche Spender aus reiner Menschenliebe? Oder nutzte hier der IS bewusst eine Notlage?«
Was sagt man dazu? Die SZ und all die anderen Medienhäuser, genauso wie Behörden, deuten mal subtil, mal mit dem Holzhammer an, dass die Terrormiliz IS MD. auswählte und nach Deutschland schleuste, um ihn dort für einen Anschlag in kleine Konfetti zu zerlegen. Aber es stellt sich doch die Frage (nicht für die Behörden, nicht für die Medien) wie der gute Mann von Bulgarien nach Österreich fliegen konnte? Mit welchen Papieren? Hätte er nicht am Flughafen Wien Schwechat Asyl ansuchen müssen? Und wie ist er dann von dort nach Deutschland gekommen, mit einem in Wien operierten Knie? Manchmal hat man den Eindruck, Europa wäre ein unkontrolliertes und chaotisches Durchhaus, wo Asylwerber und Flüchtlinge kreuz und quer und ungeprüft herumreisen, um schließlich radikalisiert ihre Anschläge auszuführen. Glauben Sie das wirklich? Ein Flughafen ist mit Sicherheit der letzte Ort, wo sich ein Asylwerber, der bereits in Bulgarien um Asyl angesucht hatte, aufhalten möchte. Die österreichischen Behörden müssen demnach in gewisser Weise involviert sein. Und siehe da, auf orf.at lesen wir: »›Der Syrer sei nicht aus Österreich ausgewiesen worden, weil er über ein von Bulgarien ausgestelltes Konventionsreisedokument verfügte, das einen 90-tägigen Aufenthalt im Schengen-Raum erlaubt‹, fügte Innenministeriumssprecher Grundböck hinzu.« Ach so. Scheinbar wollte jemand, dass sich MD. ohne Probleme im Schengen-Raum bewegen durfte. Wer könnte das wollen? Wir erfahren weiters in der SZ, dass MD. am 18.09.2013 in Bulgarien freigelassen wurde und etwa ein Jahr später, am 21.08.2014, einen Asylantrag beim BAMF stellte. Wer kümmerte sich in jener Zeit um sein Wohlergehen in Bulgarien, Österreich und Deutschland?
Also, wenn Sie mich fragen, dann ist das Einzige, was die Terrormiliz IS bei diesem Anschlag zu verantworten hat, das Bekennerschreiben. Für den Rest würde ich den neuen BND-Chef Bruno Kahl sowie den Bundestagsabgeordnete Harald Weinberg (Linke) interviewen – eventuell könnte die SZ dann auch gleich mal den bulgarischen Geheimdienstchef ausfindig machen und zu MD. befragen. Ach so. Stimmt. Alle drei werden natürlich keine Aussagen tätigen. Aus Gründen der Staatssicherheit. Gähn.
P.S.: Bis jetzt konnte ich noch keine authentischen Fotos vom Tatort ergoogeln – falls Sie welche gefunden haben, vielleicht können Sie mir die Links zukommen lassen. Bitte keine Bilder von einem Rucksack oder einer weißen Rose oder vermummten Polizisten bei Sonnenaufgang oder rotweißroten Absperrbändern oder einer eingeschlagenen Fensterscheibe oder Clips von Polizeiautos, die mit Blaulicht durch Gassen brausen. Davon habe ich nämlich bereits genug gesehen. Dabei würde es mich brennend interessieren, welche Zerstörungskraft so ein Bömbchen hat. Von den Verletzten fehlt freilich auch jede fotographische Spur. Man könnte den Eindruck haben, es sei in Ansbach gar nichts geschehen.
Die längst vergangene Ära der 1970er oder Als der Kommerzteufel erwachte und unsere Seelen verschlang
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Zugegeben, mit dem Skateboard konnte ich nichts anfangen. Vielleicht war ich zu ungeschickt oder bereits zu alt dafür. Als ein 1968er-Jahrgang habe ich – gottlob – die Videospiel- und Homecomputer-Ära der frühen 1980er eingesaugt. ATARI VCS 2600 flimmerte am TV-Bildschirm, das Gerät hatte eine Kapazität von etwa 4 KByte, wenn ich mich recht erinnere. Und trotzdem war es magisch, was sich da pixelig und piepsend auf dem Bildschirm tat. Freilich, der Kopf musste mitspielen, ansonsten war es nur eine lächerliche Anhäufung von sich bewegenden Bildpunkten, die schrecklich fiepsten. Heutzutage würde man nach wenigen Minuten genervt den Stecker ziehen. Damals konnte man nicht genug bekommen. Seltsame Welt. Aber authentisch. Mit Ecken und Kanten, die man sich rund und weich phantasierte.
Der obige Trailer zu einer Doku über längst vergangene Zeiten, die so lange nicht her sind, hat mich berührt. In den wenigen Minuten erfahren wir instinktiv, woran die Welt und Gesellschaft heute leidet: dem Einzelnen fehlt der Sinn, der Zweck, die Ausrichtung, im Englischamerikanischen klingt das weicher und schöner: meaning and purpose. Aber das ist noch nicht alles. Vielmehr bot das Skateboarden auch die Möglichkeit für den Einzelnen sich kreativ auszudrücken (possibility to create), sich selbst auszudrücken (express myself), sich eine Stimme zu geben und Teil einer wahren Gemeinschaft zu sein. Das Wort Skateboard ist an dieser Stelle nur Platzhalter. Man ersetze es mit anderen Aktivitäten, wie zum Beispiel ein Computerspiel zu programmieren (BASIC! – für Maschinensprache war ich nicht freakig genug) oder Zeichnen oder Kochen oder was weiß ich alles. Aber der wichtigste Punkt bei alle dem ist, dass diese Aktivitäten nicht ver-kommerzialisert sein dürfen, um den gewünschten Effekt in einem auszulösen.
Ich denke, da liegt der Hase im Pfeffer. Die Industrie hat in den 1970er das Potenzial kleiner Gemeinschaften erkannt und begonnen, diese nach allen Künsten auszubeuten. Man kann sagen, jede publikumswirksame Aktivität, jede größere Sportart, jede weitreichende Hobby-Gemeinschaft wurde mit der Zeit infiltriert. Und wie schon der Ökonom Lietaer sagte, dass das geeignetste Mittel, um eine Gesellschaft zu zerstören, die Einführung von Geld ist, so stimmt das auch für kleinere Gemeinschaften. Man erinnere sich, wenn man ältere Herren über längst vergangene Zeiten reden hört. Zumeist werden Sie mit dem Satz begleitet, dass man damals nichts gehabt habe, aber trotzdem glücklich war. Oder mein Onkel A., der in jungen Jahren mit Freunden auf die Berge gegangen ist – Hüttentouren. Eine Gitarre war immer dabei. In der Hütte wurde dann gesungen und gelacht. Der Zusammenhalt, sagte er, war damals größer. Warum es so war und heute anders ist, darauf wusste er keine rechte Antwort.
Ich würde sagen, dass der Kommerz, der unbedingte Wille zum Profitmachen und damit verbunden, das Gefangensein in einer unmenschlichen Tretmühle, die Seele raubt. Vielleicht müsste man in den alten Sagen den Teufel mit dem Kommerz ersetzen, damit uns ein Licht aufginge.Vielleicht reicht es aber bereits, dasPowell Memorandum aus den Jahre 1971 zu lesen, in dem klipp und klar die Gegnerschaft des »freien Unternehmertums« (lies: ersatzcapitalism) festgehalten wird und Vorschläge unterbreitet werden, wie die Wirtschaftsmacht dagegen ankämpfen könnte – z.B.: Einfluss auf die Universitäten zu nehmen (immerhin würden sie durch Stiftungen von ehemaligen Industriemagnaten finanziert), Einfluss auf die Medien zu nehmen (immerhin gehörte das TV schon damals privatwirtschaftlichen Unternehmen), Einfluss auf das Gesetzeswesen und die Politik zu nehmen. Mag das Memorandum auch nur die Arbeit eines Karrieristen gewesen sein, die Argumente, die er vorträgt, sind bestechend und deuten darauf hin, dass zu Beginn der 1970er die Bürger die, pardon, Schnauze voll hatten, von der politischen und wirtschaftlichen Bevormundung. Nicht umsonst wird der Menschenrechtsaktivist und Anwalt William Kunstler mit dem folgenden Satz zitiert: »You must learn to fight in the streets, to revolt, to shoot guns. We will learn to do all of the things that property owners fear.« Somit war der Feind des »freien Unternehmertums« klar ausgemacht und musste mit allen Mitteln bekämpft werden. Freilich, man hätte auch einen anderen Satz von Kunstler zitieren können: »I only defend those whose goals I share. I’m not a lawyer for hire. I only defend those I love.«
The corporations had realized that it was in their interest to encourage people to feel that they were individuals and offer them ways to express their individuality. The world in which people felt they were rebelling against conformity was not a threat to business but it’s greatest opportunity.
Adam Curtis
Century of the Self /Part 3 / The Policeman in Our Heads
Also gut, zum Abschluss sei mir die Frage gestattet: Wie, verdammt noch mal, holen wir unsere Seele vom Teufel zurück? Vorschläge? Ich blättere mal in mein altes Sagenbuch.