Gestern war es, als die Pressesprecherin des Weißen Hauses Kayleigh McEnany in einem Interview auf Fox News meinte, dass die verordneten Covid19-Maßnahmen der Gouverneure in den einzelnen Bundesstaaten rund um die anstehenden Feiertage „orwellian“ seien. Twitter explodierte kurzfristig und so manch linksliberaler Professor, der es sich im Elfenbeinturm wohlig warm eingerichtet hat, fühlte sich bemüßigt, Kayleigh dafür zu kritisieren. Ich bin jedenfalls sehr erfreut, dass der gute Orwell endlich die Aufmerksamkeit erhält, die er verdient. Was er vor rund 70 Jahren geschrieben hat, ist heute aktueller denn je. Freilich, viele wollen das nicht sehen und winken ab. Fragt man diese Leutchen nach dem Ergebnis von 2 + 2, erhält man als Antwort:
„Warum fragst du das überhaupt. Natürlich ist es 5. Was soll es denn sonst sein. 4 vielleicht? Du bist ja schon ganz verblödet!“
Es gab mal eine Zeit, da war das Töten mit Bomben juristisch legal.
Sie kennen vermutlich die Hintergrundgeschichte, oder? Es war im September 2013 als ein tschetschenisches Brüderpaar, welches in den USA lebte, eine selbst hergestellte Druckkochtopf-Splitterbombe in den Ankunftsbereich des Boston Marathons brachte und dort zündete. Die Auswirkungen der Explosion wurden fotografisch festgehalten – und auch wenn ich kein Forensiker oder Gerichtsmediziner bin, die Fotos der Opfer wirken, nun, surreal, nicht authentisch, vielleicht sogar inszeniert. Das kann ich natürlich nicht beweisen. Es ist nur ein Bauchgefühl. Sehen Sie, eine Splitterbombe in der Menge zu zünden, das ist eine hochgradig blutige, verheerende Angelegenheit. Schauen Sie sich doch den Dokumentarfilm über den (mit vielen Fragezeichen versehenen) Anschlag beim Münchner Oktoberfest im September 1980 an und hören Sie, was die damaligen (zum Teil schwer verletzten) Überlebenden zu sagen haben. Da stellt es Ihre Nackenhaare auf. Keiner dieser bedauernswerten Menschen wäre auf die Idee gekommen, bereits nach wenigen Wochen seine „Genesung“ vor Publikum zu feiern. Das war ein traumatisches Erlebnis. Und noch Jahrzehnte später merkt man bei diesen Menschen die seelischen und körperlichen Nachwirkungen. Die ungeschönten Fotos, die kurz nach dem Anschlag in München gemacht wurden, zeugen vom Chaos, zeigen Leichen und Leichenteile, kurz, sie scheinen mir authentisch, lebensnah, lebensecht. Die Fotos aus Boston hingegen, sie wirken, wie bereits angedeutet, wie eine Hollywood-Probeaufnahme.
Zurück zu Dzhokhar Tsarnaev, der in einem Feuergefecht mit der Polizei schwer verletzt wurde, aber – im Gegensatz zu seinem älteren Bruder – überlebte und vor Gericht gestellt werden konnte. Dort plädierte seine Anwältin auf „schuldig“. Yep. Obwohl die vorgelegten Beweise des FBI das Gegenteil bezeugen. Gesucht wurde nämlich ein Mann mit einem schwarzen, schwer beladenen und ausgebeulten Rucksack (so ein Druckkochtopf, angefüllt bis zum Deckel, ist ja nicht gerade federleicht). Die vom FBI als Beweis vorgelegten Fotos einer Überwachungskamera zeigen aber den jungen Tsarnaev mit einem weißen, nicht ausgebeulten Rucksack, den er lässig über eine Schulter hängen lässt. Hm. Wie passt das jetzt zusammen? Die Verteidigung hat diesen Widerspruch ignoriert. Das Gericht genauso. Beinahe bin ich versucht zu sagen, dass wir es hier mit einem Schauprozess zu tun zu haben – da spielen Beweise und Zeugenaussagen keine Rolle und das Urteil steht bereits vor Beginn des Prozesses fest.
Auf die Sache hingewiesen hat ein amerikanischer Rechtsanwalt, der die Tante des jungen Tsarnaev in den USA vertritt. Diese Tante ist eine ausgebildete Juristin (man möchte es nicht glauben, aber auch in Tschetschenien gibt es Universitäten) und ist Magister der Rechte, verliehen durch die kanadische Universität in Manitoba. Man kann also mit gutem Recht behaupten, dass diese Dame nicht auf den juristischen Kopf gefallen ist. Sie hat sich die Beweislage angesehen und dabei, genauso wie ihr amerikanischer Kollege, diesen Widerspruch festgestellt. In einer eidesstattlichen Erklärung (Affidavit) bezeugt sie, dass ein amerikanisches Rechtsanwaltsteam, das mit der Verteidigung des jungen Tsarnaev betraut war, bei einem Gespräch mit seinen Eltern sagten, dass die Kanzlei zwar wüsste, dass der Angeklagte unschuldig sei, aber die amerikanischen Behörden enormen Druck ausübten, um den Prozess weiterzuführen:
Charlene the independent investigator stated flatly that the federal public defender’s office in Boston knew that Dzhokhar was not guilty as charged, and that their office was under enormous pressure from law enforcement agencies and high levels of the government of the United States not to resist conviction.
Eine äußerst detaillierte Auseinandersetzung rund um den Anschlag – samt zahlreicher Fotos – finden Sie auf der Seite des von mir hochgeschätzten Dave McGowan.