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Über das freie Reden: erster Versuch eines Vlogs

start_gehweg

Gestern mit dem neuen Headset kurzerhand ein dreiminütiges Video eingesprochen. Es ist somit mein erster Vlog/Video-Blog. Die Idee, über ein bestimmtes Thema frei zu reden, musste ich nach den ersten Versuchen wieder fallen lassen. Zu oft fährt man einen angefangenen Satz gegen die Wand, zu oft will einem nicht der nächste Satz einfallen. Natürlich könnte man editieren, könnte man die besten Teile zusammenfügen. Aber das ist dann doch ein zu großer Aufwand für eine bescheidene Wirkung. Deshalb habe ich schnell den Text aufgeschrieben und während der Aufnahme abgelesen. Da die großen Politiker ihre Reden auch nur vom Teleprompter ablesen, dachte ich, ich muss mich dafür nicht schämen, auch wenn die Rhetorik bereits bei den alten Griechen hoch im Kurs stand.

Vermutlich ist das freie Reden über ein bestimmtes Thema ein Talent, das nur wenige besitzen. Mein Favorit diesbezüglich ist Nikolas Lloyd, ein Brite, der vor seiner Kamera über Gott und die Welt fabuliert, ohne dass er sich vorab Notizen gemacht oder das Gesagte auswendig gelernt hätte. Beeindruckend.

Morris, ein Brite, der sein Leben in Südostasien zubringt, geht noch einen Schritt weiter und zeichnet oftmals seine Gespräche (Monologe) während einer Motorroller-Ausflugsfahrt auf. Hin und wieder geht er mit seiner Smartphone-Kamera auf Märkte, um zu zeigen, wie das Leben auf der anderen Seite der Welt aussieht. Alles in allem sind auch seine Vlogs äußerst beeindruckend.

Natürlich ist das freie Reden eine Sache der Erfahrung. Mit der Zeit lernt man auch, die Nervosität abzulegen. Wer es nicht gewohnt ist, in eine Kamera zu gucken und in ein Mikrofon zu sprechen, kann sehr schnell weiche Knie bekommen. Vor allem, wenn man Probleme hat, seine Fehler in die Öffentlichkeit zu tragen. Perfektionisten und solche, die es sein wollen, werden wohl die Finger von Vlogs lassen müssen. Auf der anderen Seite ist es eine gute Therapie, sich nicht immer perfekt in Szene setzen zu müssen und einfach auch mal Fehler oder unschöne Seiten zuzulassen. Yep.

 

Google+ eine Woche später …

Screenshot Google+ Circles
bekanntschaftliche Einkreisungen

Vor einer Woche startete ich mit dem neuen Sozialen Netzwerk mit dem klingenden Namen Google+ [sprich: googelplass]. Der erste Tag war ziemlich aufregend. Ich habe hier darüber gebloggt. Und nun, 7 Tage später, gibt es ein weiteres Resümee.

Google+ erinnert mich dann doch an ein aufgepepptes Twitter. Jeder darf mit jedem, wenn er oder sie oder es das möchte. Primär ist alles erlaubt. Naja, fast alles. Aber während facebook ordentlich auf die Bremse steigt, wenn es darum geht, mit  jemanden ins Gespräch zu kommen, den man nicht persönlich kennt, gibt Google+ ordentlich Gas. Wie in meinem vorigen Blog-Post beschrieben, geht Google davon aus, dass die Internet-Gemeinde aus friedlichen, lieblichen und freundlichen Menschen besteht, die sich alle mögen. Hm. Naja. Wenn es nur so wäre. Am Ende bleiben wir ja doch nur Menschen, mit all unseren Stärken und Schwächen. Apropos: scheinbar dürfte die Google+-Polizei auf der Suche nach Profilen sein, die nur eines im Sinn haben: Kontakte zu knüpfen um dann ihre Kontakte zuzuspamen. Zumeist handelt es sich dabei um Social Media Experten oder selbstständige Einzelunternehmer oder Medien-Agenturen. Indie-Autorenverleger würden da natürlich auch reinfallen, aber wie ich heute auf dem wunderbaren Kramuri-Blog von Gottfried Hufnagel lesen durfte, ist die Marktschreierei nicht mein Ding. Also wird die Polizei bei mir hoffentlich nicht anklopfen. Ja, es gibt im Netz genügend Einzelkämpfer, deren einziges Ziel es ist, Kontakte über Kontakte anzuhäufen, um so in den aberwitzigsten Rankings vorne dabei zu sein. Das kann sich durchaus finanziell lohnen. Spätestens dann, wenn ein Unternehmen auf den Social Media Zug aufspringen will und sich einen »erfahrenen Experten« angelt.

Außerdem habe ich eine inoffizielle Statistik entdeckt, die besagt, dass gegenwärtig die Männer in Google+ krass in der Mehrheit sind (etwa 7:3 oder 8:2 ist das Verhältnis Männer zu Frauen). Das gefällt mir natürlich gar nicht. Weil Männer einerseits nicht sonderlich gut kommunizieren können und andererseits Bücher und Literatur nur vom Hörensagen kennen. Freilich, Ausnahmen bestätigen immer noch die Regel. Ich schätze, das Männer-Frauen-Verhältnis wird sich in Zukunft natürlich angleichen. Es sei denn, Google+ bleibt die Spielwiese der Nerds und Geeks.

Ansonsten ist das neue Netzwerk ein schlankes System, das vorwiegend auf Kommunikation abzielt. Ein wenig nervig sind die vielen animierten GIFs, die ihre Runde in Google+ machen. Das war schon zu Beginn des Webzeitalters ärgerlich. Außerdem werden Bilder, die gepostet werden, beinahe formatfüllend präsentiert. Muss auch nicht sein. Oder: weniger/kleiner wäre da viel mehr.

Ein Netzwerk ist ja sowieso nur die Hülle oder – besser: ein Kaffeehaus. Wichtiger ist, wer sich darin wie oft herumtreibt. Das Problem ist ja, dass die Leutchen, die in Google+ sind auch ihr virtuelles Unwesen in facebook und twitter treiben. Manchmal stolpert man so über die gleichen Bilder oder Beiträge oder Kommentare. Ist ein wenig, so, als hätte man ein permanentes Déjà-vu. Freilich, es mag auch daran liegen, dass man sich immer mit den gleichen Leuten umgibt. Wobei, das ist dann wirklich mal ein großes Plus bei Google+: die Hemmschwelle mit jemanden in Kontakt zu treten ist viel geringer als bei facebook. Dummerweise gibt es noch nicht viele Hemmschwellen zu übertreten. Also, für mich jedenfalls nicht. Aber schön, wenn man sich mit den Mitarbeitern des Google+ – Teams verknüpft. So erhält man alle Infos aus erster Hand und glaubt sich in einer großen Familie. In facebook ist mir noch nie ein Mitarbeiter aufgefallen. Aber auch wenn, da ich ihn nicht persönlich kenne, würde er sich mit mir auch nicht verknüpfen wollen.

By the way: gestern startete ja der Bachmannpreis-Wettbewerb in Klagenfurt. 3Sat überträgt im TV und im Web live. Da macht es natürlich Sinn, auf Twitter mit dem Hashtag #tddl den Event mitzuverfolgen. Ist schon recht spaßig, wenn die Leutchen ablästern oder ihren Senf zum Gehörten oder Gesehenen abgeben. Literaturkritik ist das freilich nicht, eher die Komödie davon. Das gilt natürlich auch für die Jury vor Ort. Ich werfe diese Anmerkung deshalb ein, weil ich damit die Stärke von Twitter noch einmal aufs Tablett bringen möchte. Ich kommuniziere nicht unbedingt mit von mir ausgewählten Leuten, sondern ich trete in eine Gesprächsrunde zu einem genau festgelegten Thema (durch den Hashtag kann ich das Thema eingrenzen). In der Kaffeehausanalogie setze ich mich zu einem Tisch und nehme an der Diskussion teil. Bei facebook oder Google+ bleibe ich zumeist an meinem Tisch sitzen und lade andere ein, Platz zu nehmen.

Ich habe übrigens meine Webseite mit dem +1 ausgestattet. Damit kann nun jeder, der ein Google-Profil hat, meine Webseite „liken“. Das wiederum schlägt sich in der Search Engine von Google nieder. Wer mir also eine Freude machen möchte, der möge doch auf www.1668.cc auf den +1 klicken. Bezeichnend ist, dass ich in facebook um Klicks betteln musste, weil man (nur meine?) Postings in Google+ nicht sonderlich wahrnimmt.

Resümee: Google+ ist im gegenwärtigen Zustand ein simples Kommunikationstool, das die Privatsphären-Einstellung intuitiver und übersichtlicher als facebook gestaltet. Gut möglich, dass dadurch viele Netzwerk-Verweigerer und Technik-Muffel bekehrt werden und Social Media eine Chance geben. Fakt ist aber, dass es primär nur Platz für ein privates Social Media Kaffeehaus gibt (schlag nach bei myspace). Über kurz oder lang wird es definitiv zu einem Showdown zwischen facebook und Google kommen müssen. In der Haut der Google-Verantwortlichen will ich nicht stecken. Sie haben nämlich genau einen Schuss im Pistolenlauf. Wenn sie den ersten Schuss danebensetzen ist es vorbei. Im Internet gibt es keine zweite Chance.