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Zwei Filme, eine Wahrheit: Ist das Leben nicht schön? vs. The Big Short

WonderfulLife-BigShort

Zugegeben, es war der Beitrag von nerdwriter über den »Weihnachtsfilm« It’s a wonderful life [Ist das Leben nicht schön?] aus dem Jahr 1946, der mich auf die richtige gedankliche Spur brachte. Den Film kennt vermutlich jeder. Um den 24. Dezember herum wird er im TV rauf und runter gespielt, weil er zeigt, wie schön das Leben sein kann, wenn man zur Weihnachtszeit all seine Freunde und Liebsten um sich hat und gemeinsam Auld Lang Syne (übrigens die einzige Melodie, die ich im Jugendalter für das Klavier einstudierte) singen kann. Dass ein Engel, ein Schutzengel versteht sich, im letzten Akt des Films auftritt und eine zentrale Rolle spielt, dürfte ebenfalls zur christlich-weihnachtlichen Feststimmung beitragen. Zu guter Letzt freuen wir uns mit Jimmy Stewart, wenn er seine Lebensfreude wiedergewinnt. Herz, was willst du mehr, an einem verschneiten Weihnachtsabend?

The Big Short hat nichts, aber auch gar nichts mit Weihnachten zu tun. Der Film will dem in großen Geldsachen unerfahrenen und naiven Kinogänger über die betrügerischen Hintergründe der Finanzkrise von 2008 aufklären. Ja, die Filmemacher gaben sich die größte Mühe, komplexe und unverständliche Sachverhalte des Wertpapier-Hypothekarkredit-Karussells einfach und simpel auf den springenden Punkt zu bringen. Und trotzdem grübelt man über das Gesagte und versucht, das bestehende, sozusagen eigene Finanzbild mit dem globalen in Einklang zu bringen. Natürlich versagt hier das menschliche Gehirn des einfachen und rechtschaffenen Mannes, wenn die Rede auf Millionen, Milliarden und schließlich Billionen kommt. Wie soll man diese Größenordnungen überhaupt verarbeiten können, wenn man selbst nur mit Tausenden von Euros oder Dollars zu leben hat? Meine Wenigkeit hatte vor vielen Jahren im Wertpapierbereich gearbeitet und dabei Milliarden, freilich noch in den guten alten Schillingen, von einem Konto auf ein anderes geschoben. Gelddisposition nannte sich das damals. Und ist heute nicht anders. Ich habe Kredit-Wertpapier-Finanzkonstrukte genauso wie all die Börsengänge der österreichischen Ent-Staatlichungsmaschinerie abgewickelt. Ich darf mit Fug und Recht behaupten, ein Gespür für die monetär-technischen Belange zu haben – und trotzdem ist der Knopf im Oberstübchen kaum aufzulösen. Es ist diese Abstraktion, die einem so schwer zu schaffen macht. Wer ist der Böse? Wer ist der Verantwortliche? Wie der Film am Ende aufklärt, wurden zwar Billionen von Dollars in der Krise „vernichtet“, aber ins Gefängnis ging dafür niemand. Nebenbei bemerkt, eine Krise „vernichtet“ nur Werte auf dem Papier, mit anderen Worten, das geflossene Geld fließt weiterhin – nur in die Tasche anderer Leutchen.

Zurück zu Frank Capras It’s a wonderful life. Der Film ist oberflächlich betrachtet eine hübsch sentimentale Weihnachtsgeschichte, die zeigt, dass die Community, die Gemeinde, die zusammenhält, gegen alle Widrigkeiten des (Wirtschafts- und Finanz-)Lebens gewappnet ist. Unter der Oberfläche zeigt der Film aber, wie eine Gemeinschaft gewöhnlicher Menschen von einem un-christlichen Finanzsystem in die Knie gezwungen wird. Während The Big Short sich mit allerlei Wall-Street-Vokabeln im Nebel der Abstraktion verliert, bleibt It’s a wonderful life der menschlichen Dramaturgie treu: Hier George Bailey, der rechtschaffen-christliche Sohn des Gründers einer kleinen Bausparkasse, dort Henry F. Potter, der alte geldgierige Spekulant, der den Hals nicht voll genug bekommen kann und alle Mitteln ausschöpft, um Buslinien, Geschäfte und Banken der Stadt an sich zu reißen. Es ist der oft verfilmte Kampf David gegen Goliath – und David gewinnt nur deshalb (vorerst) die eine Schlacht am Weihnachtsabend, weil die Gemeinschaft zusammenhält.

Doch Capras Film geht tiefer. Henry F. Potter ist nämlich nicht nur die Karikatur eines alten böswilligen Geizhalses, sondern er stellt das kapitalistische un-christliche Finanz- und Geldsystem dar. Der Film zeigt, was das System aus einer Gemeinde macht, die sich dem Diktat Mammons beugt – im letzten Akt sehen wir Jimmy Stewart/George Bailey, wie er durch seine ehemalige Heimatstadt Bedford Falls läuft, die sich ohne Widerstand in ein Sodom namens Potterville verwandelt hätte, in der jeder nur noch für sich lebt und wo alles erlaubt ist, so lange es Geld einbringt. Wer diesen Film mit offenen Augen betrachtet, ahnt im Stillen, dass wir längst in Potterville angekommen sind. Die heile Welt eines George Baileys anno 1947, nämlich eine gesunde und damit unbestechliche Gemeinde, die sich an christlichen Werten orientiert, wurde durch die Propaganda der Wall Street Tag für Tag lächerlich gemacht und in den Schmutz gezogen.

Wenn Sie also wissen wollen, wie es zu der globalen Finanzkrise von 2008, die in den USA ihren Anfang nahm, überhaupt kommen konnte, so gibt Frank Capras »Weihnachtsfilm« die Antwort: Es mussten über die Jahre nur all die politischen, medialen und wirtschaftlichen Schlüsselpositionen mit korrupten und geldgierigen, sozusagen un-christlichen Henry F. Potters besetzt werden, die von einem erstrebenswerten »Paradies« namens Sodom fabulierten, während die Gemeinde und der Einzelne Stück für Stück in die Knie gezwungen wurde: weniger Jobs, mehr Kredite, skrupellose Vertrauensleute, brachialer Medieneinfluss, leicht zugängliche Suchtmittel usw. George Baileys Monolog, der vermutlich gerne überhört wird (und in der deutschen Synchronfassung ein wenig entschärft wirkt), ist der Schlüssel zum Verständnis für all die „unvorhersehbaren“ Finanz- und Wirtschaftskrisen, die das Vieh ärmer und abhängiger und die Viehtreiber reicher und mächtiger gemacht haben.

[meine Übersetzung:] »Augenblick, Mr. Potter. Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass mein Vater kein Geschäftsmann war. Ich weiß das. Warum er überhaupt diese wertlose und kleinkrämerische Building and Loan (Hypothekenbank) gegründet hat, werde ich wohl nie mehr erfahren. Aber weder Sie noch irgendjemand anderes kann etwas gegen seinen rechtschaffenen Charakter sagen, weil er sein ganzes Leben … weil, in den 25 Jahren, seit er mit seinem Bruder, Onkel Billy, diese Sache gestartet hatte, dachte er kein einziges Mal an sich selbst. Stimmt’s, Onkel Billy? Er sparte nicht mal genug Geld, um (meinen kleinen Bruder) Harry oder mich aufs College zu schicken. Aber er half ein paar armen Leuten, um aus Ihren Elendsquartieren (Slums) herauszukommen, Mr. Potter, und was ist daran falsch? Sie hier … Sie sind alles Geschäftsleute. Machte mein Vater nicht aus all diesen armen Leuten bessere Steuerzahler? Machte er nicht aus ihnen bessere Kunden? Sie … Sie sagten … Was haben Sie vorhin gesagt, Mr. Potter? Diese Leute sollten warten und ihr Geld sparen, bevor sie überhaupt von einem neuen Heim sprechen. Warten? Wie lange sollen sie warten? Bis die Kinder erwachsen und sie selbst alt und gebrechlich sind? … Wissen Sie eigentlich, wie lange ein Arbeiter braucht, um den Preis für ein neues Heim anzusparen? Denken Sie doch darüber einmal nach, Mr. Potter, dass dieses Gesindel, wie Sie diese Leute nennen, der größte Teil der Gemeinde ist, der arbeitet und zahlt und lebt und stirbt. Ist es dann wirklich zu viel verlangt, wenn man diesen Leuten die Möglichkeit bietet, all ihr Arbeiten und Zahlen und Leben und Sterben wenigstens in ein paar ansprechenden Zimmern und einem Bad zu tun? Wie dem auch sei, mein Vater dachte jedenfalls nicht schlecht von ihnen. Die Leute waren für ihn menschliche Wesen. Aber für Sie, Mr. Potter, einem krummen, frustrierten alten Mann, für Sie sind diese Leute nur Vieh. Und in meinem Buch starb mein Vater viel reicher als Sie es je werden können.«

»Just a minute… just a minute. Now, hold on, Mr. Potter. You’re right when you say my father was no businessman. I know that. Why he ever started this cheap, penny-ante Building and Loan, I’ll never know. But neither you nor anyone else can say anything against his character, because his whole life was… why, in the 25 years since he and his brother, Uncle Billy, started this thing, he never once thought of himself. Isn’t that right, Uncle Billy? He didn’t save enough money to send Harry away to college, let alone me. But he did help a few people get out of your slums, Mr. Potter, and what’s wrong with that? Why… here, you’re all businessmen here. Doesn’t it make them better citizens? Doesn’t it make them better customers? You… you said… what’d you say a minute ago? They had to wait and save their money before they even ought to think of a decent home. Wait? Wait for what? Until their children grow up and leave them? Until they’re so old and broken down that they… Do you know how long it takes a working man to save $5,000? Just remember this, Mr. Potter, that this rabble you’re talking about… they do most of the working and paying and living and dying in this community. Well, is it too much to have them work and pay and live and die in a couple of decent rooms and a bath? Anyway, my father didn’t think so. People were human beings to him. But to you, a warped, frustrated old man, they’re cattle. Well in my book, my father died a much richer man than you’ll ever be!«

It’s a wonderful life
Frank Capra, 1946

 

Je suis … encore

Jesuischarlie2016

Ein Jahr ist das Ereignis rund um den Anschlag auf das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo alt und noch immer sind viele Fragen unbeantwortet. Präsident Hollande nutzte jedenfalls den Jahrestag um schärfere Gesetze anzukündigen und eine Gedenktafel für die Opfer „schwerbewaffneter Islamisten“ zu enthüllen. Interessanterweise fehlt hier Kommissar Helric Fredou, der sich in seinem Büro mit seiner Dienstwaffe das Leben genommen haben soll, nach dem er die Familie eines der Opfer der Anschläge besuchte. Depression und Burn-Out waren die Ursachen des Suizids, liest man. Jetzt mal Hand aufs Herz: Glauben Sie das wirklich? Und weil es so un-glaublich ist, haben die großen und kleinen Medienhäuser das gemacht, was sie am besten können: Ein unerklärliches Ereignis unter den Teppich kehren und so tun, als gäbe es hier nichts zu sehen. Man muss schon in der Asia Times nachblättern, um etwas über dieses mainstream news blackout zu erfahren. Da passt es ganz gut, wenn ein CDU-Politiker die Mainstream-Medien in Bezug auf die Berichterstattung über die Vorfälle zur Silvesternacht in Köln als  Schweigekartell bezeichnet.

Ebenfalls unter den Teppich gekehrt wurde der kryptische Kommentar des türkischen Präsidenten Erdogan, der meinte, dass die Täter des Anschlags französische Bürger seien und man es Muslime in die Schuhe schieben wolle. Der Bürgermeister von Ankara ging einen Schritt weiter und erklärte, dass hinter den Anschlägen der israelische Geheimdienst Mossad stehen würde, um die westliche Welt gegen den Islam aufzubringen.

Auch wenn viele Aussagen und Kommentare und Überlegungen zu all den traumatischen Ereignissen der letzten Jahr im ersten Augenblick haltlos und absurd und konspirativ scheinen, so gehören sie trotzdem gehört und zur Diskussion gestellt. Unangenehme Informationen und Fakten in den Wind zu schlagen sowie behördliche Erklärungen als heilig und unantastbar hinzustellen, nur um ja keine Wellen zu schlagen, ist eine mediale Politik, die früher oder später den Verantwortlichen auf den Kopf fallen wird – siehe Köln, anno 2016.

Ich möchte mir wünschen, dass der eine oder andere Bürger in Zukunft den Medien und den Behörden mit mehr Skepsis begegnet und der Maxime von Literaturnobelpreisträger Harold Pinter folgt:

Als Bürger muss ich fragen: Was ist wahr? Was ist falsch?

Hier noch zwei meiner damaligen Blog-Beiträge, die sich mit den Anschlägen in Paris auseinandersetzen.

gebloggt Freitag, 16. Jänner 2015:
Inszenierte Terror-Anschläge – Eine Einführung

gebloggt Montag, 12. Jänner 2015:
Je suis …

 

14 Jahre später und kein bisschen schlauer: Das Mysterium 9/11

Cover of the New York Magazine 1974 May 27
Was sind die Chancen, ein ausgebrochenes Feuer in einem Wolkenkratzer zu überleben?, fragte das New York Magazine im Mai 1974.

Heute, vor 14 Jahren, wurden die Weichen für den immerwährenden Krieg gestellt: War is Freedom. Die Anschläge vom 11. September 2001 markieren das Ende eines Frühlings. Der Kalte Krieg ging schleichend in einen asymmetrischen Krieg über, der weder Grenzen noch Menschlichkeit kennt und der weder Feind noch Freund schont. War on Terror, wie es im orwellschen Newspeak heißt.

Sind Sie noch immer der Meinung, dass die offizielle Erklärung zu den Anschlägen der Wahrheit entspricht? Kurz, dass es eine Hand voll muslimische Selbstmordattentäter waren, die Passagierflugzeuge in ihre Gewalt brachten und damit in die Gebäude flogen? Was müsste geschehen, um Sie umzustimmen? Welche Fakten, Beweise und Indizien würden Sie benötigen, um Ihre Meinung zu ändern? Nun?

Gewiss, alle Welt hat es gesehen. Mit eigenen Augen. Andererseits, die Leute vor den TV-Geräten – ich war einer von ihnen – hatten damals nur ein Abbild gesehen. Wir gehen davon aus, dass dieses Abbild „real“ ist. Natürlich. Und doch, wenn wir beispielsweise ins Kino gehen, wissen wir, dass das gezeigte Abbild nicht real ist, obwohl sich die Bilder nicht sonderlich unterscheiden. Bürotürme stehen in Flammen, Hochhäuser explodieren. Woher wissen wir, wann etwas wirklich und wann etwas unwirklich ist? Am Ende ist es nur unser Vertrauen gegenüber den Medienleuten. Wir vertrauen darauf, dass wir nicht angelogen werden. Wenn die Medienleute sagen, dass das Gesendete „real“, also „live“ ist, dann ist es das auch. Punktum. Und doch können auch Medienleute in die Irre geführt werden. Was wissen die Redakteure in den Zentralstellen, weitab vom Geschehen, was gerade geschieht und was nicht geschieht? Woher erhalten diese ihre Informationen? Und woher bekommen die TV-Sender ihre Live-Bilder?

Falls Sie viel Zeit und Muse haben, dann empfehle ich Ihnen die damaligen 9/11-Live-Bilder der TV-Sender ABC, NBC, CBS, FOX5, CNN und BBC anzugucken. So, wie sie damals in die Wohnzimmer gesendet wurden. Im Internet-Archive können Sie noch einmal „live“ dabei sein. All die Konfusion. All die Vermutungen. All die Behauptungen. All die Interviews. All der Informationsmischmasch. Und doch einigten sich die Medienleute recht bald auf eine Erklärung, die sich im Zirkelschluss selbst erklärt: Terroranschlag – al-Qaida – Osama bin-Laden – Attentäter – Flugzeugentführungen – Terroranschlag.

Hier eine synchrone Zusammenstellung der 5 US-TV-Sender und ihre seltsame „live“-Berichterstattung am Morgen des 11. Septembers 2001. Die Schlüsse, die der Macher SimonShack am Ende des Clips zieht, lasse ich einmal im Raum stehen. Wichtig ist für mich lediglich, dass Sie die damaligen „Live-Bilder“ noch einmal in kompakter Form sehen können.

*

Die Stärke der offiziellen Erklärung ist ihre Einfachheit. Jedes Kind versteht die Abfolge. Jeder Greis die Auswirkungen. Deshalb stehen all die Wahrheitssucher auf verlorenem Posten. Sie wissen, dass die offizielle Erklärung nicht stimmen kann, aber sie können dem misstrauischen Publikum keinen Erklärungs-Ersatz anbieten, der ebenfalls einfach zu verstehen ist. Und so bleibt der gewöhnliche Bürger Gefangener einer für ihn konstruierten Fiktion, während sich die Schlinge um seinen Hals enger zieht.

Als Einführung in das rabbit hole 9/11 empfehle ich die im ORF ausgestrahlte Doku: ZERO: An investigation into 9/11 – Was steckt wirklich dahinter? Gewiss, der Film bietet keine Antworten, aber er wirft viele Fragen auf. Immerhin.

Was Sie schon immer über Griechenland und das liebe Geld wissen wollten

Tietmeyer_Finanz

Hier der fiktive Dialog zwischen einem ungläubigen Michel, nennen wir ihn deshalb X., und einem kritisch-skeptischen Bürger, der sich viele Gedanken über das Gestern gemacht hat – sein Name soll B. sein.

X: Also, mein lieber B., du bist doch so ein schlaues Kerlchen. Ich sage dir, die Griechen sind ein faules Pack. Die wollen nicht arbeiten und möchten es sich auf unsere Kosten gut gehen lassen. Steht doch so in der Zeitung. Muss ja stimmen.

B: Sieht man sich die Anzahl der Arbeitsstunden im OECD-Vergleich an, dann arbeiten sich die Griechen den Rücken krumm. Siehe Focus. Im Jahr 2012 waren die Griechen mit 2.034 geleisteten Arbeitsstunden/Jahr Spitzenreiter. Die Deutschen kamen „abgeschlagen“ auf 1.397 und die Österreicher immerhin auf 1.699 Arbeitsstunden/Jahr. So wie es aussieht, dürfte es in Griechenland einen hohen Anteil an Zweitjobs geben. Ein Indiz, dass es der breiten Masse finanziell nicht sonderlich gut gehen dürfte.

X: Ach, was. Ist ja nur eine blöde Statistik. Wenn die Griechen so viel gearbeitet hätten, warum haben sie dann so einen Schuldenberg angehäuft? Die haben es sich gut gehen lassen. Auf unsere Kosten! Steht doch so in der Zeitung. Muss ja stimmen.

B: Zum Schulden machen, gehören immer zwei. Der eine, der Geld hergibt und der andere, der Geld nimmt. Weiters ist dabei zu bedenken, dass aufgenommene Kredite – für gewöhnlich – in den Wirtschaftskreislauf gelangen. Ein Beispiel:

Athen hatte im Jahre 2000 vier U-Boote des Typs 214 im Wert von 2,85 Milliarden Euro in Deutschland gekauft. Nach Angaben deutscher Ermittler soll die ehemalige Man-Tochter Ferrostaal Bestechungsgelder in Millionenhöhe gezahlt haben. [Spiegel Online]

Mit anderen Worten: Wenn Deutschland Güter produziert und diese exportieren möchte, dann braucht es auch Abnehmer, die bereit sind, zu zahlen. Man stelle sich vor, die Griechen (und überhaupt die Staaten, die verschuldet sind, also alle) hätten ein rigoroses Sparprogramm gefahren und ihre Importe aus Deutschland gedrosselt. Dann wären die deutschen Unternehmer gezwungen gewesen, ihre Produktion ebenfalls zu drosseln. Nicht lange, und es wäre zu Werksschließungen und Massenentlassungen gekommen. Das hätte wiederum dazu geführt, dass auch Deutschland seine Importe reduzieren hätte müssen. All das würde eine Abwärtsspirale in Gang setzen. Nicht anders war es in der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre. Um solche eine Krise zu verhindern, kamen kluge Ökonomen auf die Idee, den Regierungen Import-Kredite zu gewähren. Geld ist ja beliebig verfügbar.

X: Blödsinn. Geld wächst doch nicht auf Bäumen.

B: Ich weiß, es ist nur schwer vorstellbar, aber es ist, wie ich sagte: Geld ist beliebig verfügbar. Es ist nur eine Zahl in einem Computer. Geld wird aus dem Nichts herbeigezaubert. Dies hat ein deutscher Professor unlängst nachweisen können:

“Somit können wir nun mit absoluter Sicherheit – möglicherweise zum ersten Mal in der 5000-jährigen Geschichte des Kreditwesens – sagen, dass es empirisch bewiesen wurde, dass jede einzelne Bank Kredit und Geld aus dem Nichts erschafft, wenn sie einen sogenannten ‘Bankkredit’ gewährt.” Siehe Artikel.

X: Hahaha. Wenn das stimmen würde, dann könnte man ja den Griechen und der ganzen Welt weiterhin Kredit gewähren, bis zum Sanktnimmerleinstag.

B: Ja. Könnte man.

X: Und warum tut man’s dann nicht?

B: Diesbezüglich müsste man wohl jene fragen, die das Monopol auf die Geldschöpfung besitzen.

X: Die Regierungen?

B: Nein, Regierungen haben längst das Monopol zur Geldschöpfung verloren. Diese monströse Macht ist in den Händen von Privatleuten, die an den Banken beteiligt sind, die wiederum an den Zentralbanken beteiligt sind. Für den gewöhnlichen Bürger sieht es so aus, als würden immer nur Banken und deren Manager im Geld- und Finanzwesen eine Rolle spielen. Dabei vergisst der Bürger den Umstand, dass jedes Unternehmen jemanden gehört. Der Eigentümer hat somit die Kontrolle über die Geldschöpfung als auch über die Kreditvergabe und hat damit den größten Einfluss auf das Weltgeschehen. Das klingt natürlich nach einer dieser obskuren Verschwörungstheorien, aber wenn wir dem Wiener Journalisten und international gut vernetzten Theodor Herzl (1860-1904) Glauben schenken möchten, dann erkannte dieser bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Gefahr, die diese mächtigen Bankiers für ein zukünftig souveränes Israel hätten. Hier ein Ausschnitt seiner Rede an die wohl bekannteste Bankiersfamilie seiner Zeit:

Jetzt muß ich um die Erlaubnis bitten, von Ihrem Vermögen zu sprechen. — Ihr Kredit ist enorm, monströs. Ihr Kredit beträgt viele Milliarden. — Ich weiß nicht, ob sich alle Regierungen schon darüber klar sind, was Ihr Welthaus für eine Weltgefahr ist. Mann kann ohne Sie keine Kriege führen, und wenn man Friede schließen will, ist man erst recht auf Sie angewiesen. — So werden wir im Judenstaate Ihr beängstigendes Vermögen, das unsere wirtschaftliche und politische Freiheit ersticken würde, von vornherein nicht dulden. — Wir werden einige Sicherheits-Vorkehrungen gegen Ihr gefährliches Vermögen treffen müssen. — Wir sperren nämlich die Börsen, gleich nachdem sie fertig geworden sind! Mit anderen Worten, wir führen das Börsenmonopol ein. Ja, der ganze Geldhandel wird verstaatlicht. — Wir dirigieren vor allem unsere Staatskredit unabhängig von Privaten.
[Tagebuchauszug: Rede an die Rothschilds, 1895, S.144-210]

X: Nur mal zum Mitschreiben. Du behauptest, diese Rothschilds sind an allem Schuld? Ich glaub, ich brauch nen Alu-Hut.

B: Rothschild ist nur ein Name, der ist Schall und Rauch. Es geht mir darum, dem gutgläubigen Bürger drei Dinge vor Augen zu führen:

1. Es muss da draußen „monströse Vermögen“ geben, über die einige wenige Personen verfügen. Das ergibt sich zwingend aus der Überlegung heraus, dass sich die größten Vermögen nicht in Luft auflösen können – vielmehr wechseln sie immer nur den Besitzer.

2. Wer die Geldschöpfung kontrolliert, kontrolliert alles andere – seien es Regierungen, Organisationen oder Geheimgesellschaften – und erhält auf alle aus der Luft geschöpften Gelder zusätzlich Zinsen.

3. Geld hat keinen Wert an sich. Es ist nur das (staatlich!) verbriefte Recht Zugriff auf eine vergangene oder zukünftige Arbeit zu haben. Mit anderen Worten: Geld ist Glaube. Würde niemand mehr auf dieser Welt Geldscheine akzeptieren, würde das ganze Geldsystem zusammenbrechen und sich aller Geld-Reichtum in Luft auflösen (Asche zu Asche, Staub zu Staub, wenn man so will). Es verhält sich freilich genauso mit Gold, Silber oder Diamanten, wenn diese als „Geld“ Verwendung finden.

X: Blödsinn! Gold ist doch eine Vermögensanlage! Weiß doch jeder! In Krisenzeiten war es immer das Gold, das die Menschen vor dem Verhungern gerettet hat. Solltest du doch wissen.

B: Nein! Gold oder Geld hat noch keinen Menschen vor dem Verhungern gerettet. Es sind Landwirte, die ihre Felder bestellen und ernten, die ihre Kühe schlachten und portionieren und so weiter. Falls ein Landwirt kein Gold haben möchte, wirst du vor seiner Speisekammer verhungern. Vielleicht möchte er neue Schuhe, vielleicht einen neuen Anzug. Gold und Silber werden nur deshalb als Geld angesehen, weil sie seit dem Altertum im internationalen Handel Verwendung fanden. Aber auch hier gilt wieder zu fragen, wer besitzt denn all die Gold- und Silberbestände und wer besitzt die Gold- und Diamantminen. Nicht umsonst wurde vor hundert Jahren im „goldenen“ Südafrika ein Krieg gegen die holländischen Siedler geführt, weil sich diese gegen das britische Imperium auflehnten.

X: Schnee von gestern. Das interessiert doch keinen. Griechenland ist das Thema!

B: Es mag Schnee von gestern sein, ja, und trotzdem läuft die Sache noch immer genauso ab. Nur der Name der „imperialen Macht“ hat sich geändert. Bedenken wir: Die reichsten, wirklich reichsten Männer der Welt, so es sie gibt, haben zwar ein immenses Vermögen, aber per se keine exekutive Macht. Sie benötigen demnach einen potenten Staat, der für sie einerseits über ihr Vermögen wacht – sei es militärisch, sei es gesetzlich – andererseits in der Lage ist, international auf allen Ebenen – sei es militärisch, sei es wirtschaftlich – zu intervenieren. Möchten also diese mächtigen Männer einen Kuchen von Griechenland, können sie ihr Vorhaben nur schwerlich allein durchsetzen. Aber eine „offiziell“ eingesetzte Polit-Gruppe (Troika/EU-Chefs) ist in der Lage, Verträge mit der griechischen Regierung zu schließen, die der internationalen Privatwirtschaft zu Gute kommt. In diesem Schriftstück kann man die Forderungen der Troika lesen – inklusive der Anmerkungen des ehemaligen griechischen Finanzministers Varoufakis. Da geht es unter anderem darum, dass Griechenland eine Vielzahl staatlicher Institutionen „privatisieren“, also zum Kauf anzubieten, muss.

X: Was ist daran schlecht? Der Staat verschleudert ja die Steuergelder. Private Unternehmen gehen viel sorgsamer um, mit dem Geld. Und ein Monopol ist ja immer schlecht. Nur Konkurrenz sorgt für niedrige Preise.

B: Die Welt, in der wir gegenwärtig leben, ist längst „monopolisiert“. Wir merken es nicht, weil wir generell in „Markennamen“ denken. Aber im Hintergrund sind es nur eine Hand voll Beteiligungsgesellschaften von „Privatiers“, denen die größten multinationalen Konzerne gehören, die wiederum mit ihren bekannten Markennamen einen erheblichen gesellschaftlichen Einfluss ausüben. Siehe Artikel. Mit anderen Worten: Es sind gerade diese „Privatiers“ die alles daransetzen, staatliche Institutionen zu zerschlagen und günstig aufzukaufen [kurz: die Plünderung eines Landes]. Der springende Punkt ist, dass staatliche Betriebe dem Volk gehören – auch wenn es so nicht von den Medien kolportiert wird. Das heißt, dass das Volk über jeden staatlichen Betrieb Rechenschaft verlangen darf. Ein Privatunternehmen kann wiederum tun und lassen, was es möchte: Es kann jederzeit Preise erhöhen (weil es der Markt „verlangt“), kann insgeheim Absprachen mit „Konkurrenten“ treffen, kann „Märkte“ und Regierungen beeinflussen und manipulieren (LIBOR!, Enron) und ist am Ende immer nur den Aktionären verpflichtet, niemals der Gemeinschaft. Nebenbei werden Großkonzerne oftmals durch Steuererleichterungen „subventioniert“. Es kann demnach gut sein, dass ein staatliches Unternehmen der Gemeinschaft weniger kostet als ein privatisiertes – wenn man alle Kosten externer Effekte (Umweltverschmutzung, geringere Sicherheitsauflagen, Arbeitsplatzeinsparungen, Wartungsmängel, usw.) in die Gleichung einbezieht. Und sollte ein Konzern so groß geworden sein, dass er nicht mehr in Konkurs gehen darf, weil sonst die ganze Wirtschaft eines Landes zusammenbrechen würde (too big to fail), hat wiederum der Staat, also das Volk, einzuspringen. So geschehen in den USA 2008, als eine Reihe von privaten Finanzinstitutionen mit Steuergelder gestützt werden musste. Kurz und gut: Die Profite werden privatisiert, die Verluste verstaatlicht. [Wirtschaftsnobelpreisträger Prof. Stiglitz nennt das Ersatzkapitalismus]

X: Ach, du siehst alles so negativ. Die Griechen sind ein faules Pack. Die wollen nicht arbeiten und möchten es sich auf unsere Kosten gut gehen lassen. Steht doch so in der Zeitung. Muss ja stimmen. Du bist nur ein Doomster, ein Schwarzseher.

Ein merkwürdiges Gefühl: Die Umzugsdepression in der mütterlichen Welt

Alles Gute kommt von oben.
Alles Gute kommt von oben. Es kommt nur auf den Spin an.

Vielleicht kennen Sie auch dieses merkwürdige Gefühl, seine nähere Umgebung nicht mehr verstehen zu können. Beispielsweise fahren Sie mit dem Autobus von A nach B und dann mit der U-Bahn von C nach D und meinen, ausgeschlossen, ja förmlich ausgegrenzt, zu sein. Das Fremdartige der Szenerien löst ein Gefühl der Unsicherheit aus – gleichzeitig jedoch versuchen Sie dieses unangenehme Gefühl mit vernünftigen Argumenten zu vertreiben. Gewiss, an Argumenten fehlt es nicht, aber am Ende der Reise ist man trotzdem ein Zerrissener. Hin- und hergeworfen zwischen dem inneren Erlebnis und einer äußeren Erkenntnis, die aufgezwungen wirkt.

Wäre mir nicht durch Zufall das Buch des Psychoanalytikers Horst-Eberhard Richter (1923-2011) in die Hände gefallen, ich wäre noch heute ein Zerrissener, verzweifelt nach einer Antwort suchend, warum mein Inneres sich dem Diktat der Vernunft nicht unterwerfen möchte. Und sollten Sie vielleicht ähnlich mit sich ringen, könnte ich mir vorstellen, dass Sie nun endlich zur Ruhe kommen werden. An­ti­de­pres­si­vum kann ich Ihnen aber keines verschreiben.

Die Psychiatrie kennt eine Form von Depression, die durch einen banalen Umzug ausgelöst wird und spricht in diesem Fall von einer „Umzugsdespression“. Hierbei handelt es sich um eine Verunsicherung durch ein Isolierungserlebnis, die bei manchen Personen eben das extreme Ausmaß einer regelrechten depressiven Verstimmung annimmt: Jemand verzieht in eine ihm bis dahin völlig unbekannte Gegegend, in der alles anders ist als in seiner bisherigen Wohnwelt. Die Häuser sind anders, die Menschen sprechen möglicherweise einen fremden Dialekt und benehmen sich in ungewohnter Weise. Man vermißt plötzlich eine Fülle von bekannten Leuten, Gegenständen, Geräuschen, Gerüchen, von denen man bisher umgeben war. […] Alle Einzelheiten der ehemaligen Umgebung hatten zusammen so etwas wie eine mütterliche Welt gebildet, in der man sich geschützt gewußt hatte. Das Gefühl der Sicherheit war einer Art Dialog entsprungen, den man kontinuierlich mit den belebten und unbelebten Objekten der heimatlichen Szenerie geführt hatte. Diese Verläßlichkeit und Berechenbarkeit der äußeren Welt hatte geholfen, daß man sich auch selbst stabil und verläßlich fühlen konnte. […] und gleitet in eine längere Periode von Niedergeschlagenheit und Lethargie hinein, ehe man sich am neuen Platz zurechtfinden kann. Andeutungsweise zeigen nicht wenige Menschen ähnliche scheinbar paradoxe Reaktionen im Verlauf einer Urlaubsreise in ein ihnen bislang unvertrautes Feriengebiet.

Flüchten oder Standhalten
Prof. Dr. med. Dr. phil. Horst E. Richter
damaliger Direktor des Zentrums für
Psychosomatische Medizin an der Uni Gießen
Rowohlt TB Verlag 1985, S. 45f.
Originalausgabe 1978