Ich weiß jetzt nicht, ob Sie sich noch daran erinnern können, als damals, vor 15 Jahren, die ÖVP mit der FPÖ koalierte. Bundesregierung Schüssel I nennt sich das in Wikipedia. Die Wahl im Oktober 1999 lief ordnungsgemäß ab. Und auch die Koalitionsverhandlungen der beiden Großparteien blieben im Rahmen des Erlaubten – jedenfalls gab es weder ein juristisches Vor- noch ein juristisches Nachspiel. Ergo, der Demokratie wurde Genüge getan. Sollte man meinen. Denn was folgte, war ein Lehrstück gelebter Demokratie, sprich, vierzehn Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verhängten unisono Sanktionen gegen die Regierung, weil man befürchtete, dass fremdenfeindliche und rassistische Aussagen führender FPÖ-Funktionäre auf die Regierungspolitik abfärben könnten. Heißt es in Wikipedia.
Damals, ich erinnere mich noch genau, verspürte ich zum ersten Mal den Drang, mich mit Politik näher auseinanderzusetzen und blätterte immer wieder virtuell in der Schweizer Tageszeitung Neue Zürcher Zeitung (NZZ) – da diese für mich noch am ausgewogensten berichtete, während in allen anderen europäischen Medien nur noch von einer „Hitlerisierung Österreichs“ gesprochen wurde. Ich verstand damals, zum ersten Mal, wie chancenlos eine Regierung sein muss, wenn sie gegen alle großen westlichen Medienhäuser anzukämpfen hat. Es ist beinahe ausgeschlossen, dass sich Vernunft und Verstand gegenüber dem medialen Geschrei und Gezeter durchsetzen kann. Die Frage ist also, ob diese politischen und medialen Vorgänge im In- und Ausland, die darauf abzielten, einen legitimen Wahlausgang in einem souveränen Staat rückgängig zu machen, ob diese Vorgänge nicht völkerrechtswidrig, in jedem Fall aber undemokratisch gewesen waren.
Wäre das Land Österreich nicht in Europas Mitte, sondern an der Peripherie gelegen, wer weiß, ob man nicht mit aktionistischeren Maßnahmen die Regierung zum Einlenken gezwungen hätte. Sehen Sie, Washington und London sind wahre Meister, wenn es darum geht, unbequeme Regierungen von souveränen Staaten abzusetzen und durch Marionetten zu ersetzen. Klingt nach einer Verschwörungstheorie, ist aber längst historisches Wissen. Falls Sie mir nicht glauben, schlagen Sie in Wikipedia nach – eine Auflistung aller geheimdienstlicher Operationen, die von Washington zwischen 1945 und 1993 durchgeführt wurden, finden Sie hier.
Wer wissen möchte, was es mit dem ersten geheimdienstlichen „Demokratisierungsprozess“ auf sich hat, der kann sich den äußerst aufschlussreichen Blog-Eintrag von BBC-Dokumentarfilmer Adam Curtis zu Gemüte führen: THE BABY AND THE BAATH WATER. Darin beschreibt Curtis, wie der spätere CIA-Mitarbeiter Miles Copeland die Meinung vertrat, dass das arabische Volk längst reif für Demokratie sei. Washington griff seinen Vorschlag für Syrien auf – und der Rest ist Chaos. Das war 1947.
Kommen wir wieder nach Österreich zurück. Falls Sie der Meinung sind, dass Demokratie die beste aller Herrschaftsformen ist, nun, dann sollten Sie diese auch leben und, bei Gefahr, verteidigen. Das heißt, sorgen Sie dafür, dass niemand für seine Meinung, die er ausgesprochen hat, bestraft oder ausgegrenzt wird. Achten Sie darauf, dass Gespräche und Diskussionen sachlich bleiben – Vorwürfe und Anschuldigungen lösen keine Probleme, sondern emotionalisieren die Teilnehmer. Und zu guter Letzt gilt, dass es keine absolute Wahrheit geben kann.