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Das Credo der Französischen Revolution von 1789: „All Lives Matter“

Heute, vor 231 Jahren, wurde vom Pariser Volk bekanntlich die Bastille gestürmt. Wobei, zu Erstürmen war da eigentlich nichts, die dicken Mauern, von einem tiefen Graben geschützt, hätten von den wenigen im Inneren stationierten Invaliden und Schweizern gut verteidigt werden können, so man es denn vor gehabt hätte. Aber der alte Gouverneur, ängstlich bemüht kein Blutbad anzurichten, versuchte, mit den Angreifern zu verhandeln. Doch diese wollten von einer Kapitulation, das heißt, freies Geleit der Besatzung, nichts wissen. Der Mob hatte Blut geleckt und wollte Blut sehen. So kam es, dass der alte Gouverneur die Zugbrücke herunterließ und auf Gnade hoffte, die ihm freilich nicht gewährt wurde. Die wütende Menge schnitt ihm auf den Stufen zum Rathaus die Kehle durch und pflanzte seinen Kopf auf eine Pike.

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Wo stand der Schreibtisch des Kaisers in der Hermesvilla? Über Macht, damals und heute.

update: Kaiser Franz Josef II. ist eine Mischung aus dem Franzl und Josef II. 😉

Gestern den ehemaligen kaiserlichen Wohnsitz, die Hermesvilla im Tiergarten Lainz aufgesucht und innwendig erkundet. Dabei auch Pläne und Fotos von einst betrachtet. Man bestaunt den kaiserlichen Mobiliarbombast (etwa das Schlafzimmer von Kaiserin Elisabeth) genauso wie das feinsinnige Kunstgespür des Ehepaars. Dann stand ich im Arbeitszimmer des Kaisers. Oft war er ja nicht in Lainz, aber trotzdem, wo ein Kaiser Franz Josef II. ist, da wird auch gearbeitet. Das Zimmer stand bis auf die Bilder leer. Ich wollte schon weitergehen, da erinnerte ich mich, im Vorraum eine Fotografie des Arbeitszimmers, aufgenommen um die Jahrhundertwende, gesehen zu haben. Auf dem Foto stand demnach alles auf seinem Platz – so, wie es der Kaiser einrichten ließ, so, wie es der Kaiser zu benutzen trachtete. Hier eine Skizze des Arbeitszimmers, die ich schnell mal mit dem empfehlenswerten Raumplaner von Icovia auf das virtuelle Papier brachte. Das Zimmer liegt im ersten Stock. Gegenüber vom mittig angebrachten Kamin war eine (schmale) doppelflügelige Tür auf den Laubengang, daneben zwei große Fenster. Was meinen Sie, wo der Kaiser seinen Schreibtisch aufstellen ließ?

Hermesvilla_Schreibtisch

Der Schreibtisch stand in der rechten unteren Ecke des Zimmers, die Längsseite des Tisches geht zur Eingangstür, die Vorderseite schließt direkt an die Wand ab. Der Kaiser saß somit nicht nur mit dem Rücken zum Fenster, sondern überhaupt mit dem Rücken zum Raum. Wie ich mir die Fotografie so ansah, wurde mir mit einem Schlag bewusst, dass die Anordnung des Tisches mehr über den Kaiser aussagt als alle Biographien.

Überlegen Sie mal, wie Generaldirektoren oder Manager oder der Präsident der Vereinigten Staaten ihre Schreib- und Arbeitstische aufstellen? Sie sind für gewöhnlich so arrangiert, dass der Besucher, der Eintritt, vor Ehrfurcht erstarrt – das heißt, der Tisch steht zentral im Raum und blickt zur Eingangstür. Die Anordnung lässt keinen Zweifel zu: Hier sitzt ein Mensch, der Macht hat und sie ausübt. Warum also ließ der mächtigste Mann einer europäischen Großmacht seinen Tisch in eine Ecke stellen?

Die Antwort liegt darin, dass ein Generaldirektor, ein Manager, ein Präsident, sie alle, nur für eine geraume Weile eine Machtposition innehalten. Ein Kaiser ist, wenn man so will, als Kaiser geboren und wird von niemandem in seine Machtposition gebracht. Gott allein ist es, der über ihm steht. Niemand sonst. Falls Sie das jetzt erschreckt, dann befürchte ich, dass Sie bereits zu sehr dem liberalen Demokratiegeschwätz ausgesetzt waren. Der springende Punkt bei alledem ist nämlich jener, dass Könige und Kaiser seit jeher für ein Gleichgewicht zwischen Adel und Bürger- bzw. Bauerntum zu sorgen hatten. Graf Mirabeau, Enfant terrible der politischen Umwälzung des späten 18. Jahrhunderts, schrieb in einem Brief, datiert mit 16. August 1788:

»Was meine private Anschauung angeht, so will ich sie Ihnen – für Sie persönlich – rund heraussagen: Krieg den Privilegierten und den Privilegien, da haben Sie meine Losung. Die Privilegien sind nützlich gegen die Könige; aber sie sind verabscheuenswert gegen die Nationen, und niemals wird unsre Nation öffentlichen Geist haben, solange sie nicht von ihnen befreit ist; da haben Sie den Grund, warum wir bleiben müssen, was ich persönlich in hohem Grade bin: monarchisch. Ah, gestehen wir’s doch ehrlich, was wäre eine Republik, die aus all den Aristokratien zusammengesetzt wäre, die an uns nagen? Der Hort der allerrührigsten Tyrannei

Setzen Sie dem Wort Aristokratie das Wort Geld hinzu und schon ist es eine akkurate Bestandsaufnahme der letzten Jahrhunderte. Mit anderen Worten, all diese Revolutionen, die im Namen des Volkes Kaiser und Könige vom Thron fegten, haben am Ende nicht dem Bauern, nicht dem Bürger das versprochene Erdenglück gebracht. Im Gegenteil. Die Geldaristokratie herrscht mit absoluter Strenge und Graumsamkeit. Diese Tyrannei kennt keine Gnade.

Falls Sie jetzt die Augen rollen und meinen, ich würde nur Blödsinn schreiben, weil jedes Kind weiß, dass die westliche Welt eine friedliebende Demokratie ist, tja, dann sollten Sie sich den Vortrag von Prof. Martin Gilens, Princeton University, angucken, in dem er seine Studie Testing Theories of American Politics: Elites, Interest Groups, and Average Citizens präsentiert und zum Schluss kommt, dass „unsere Gesellschaft nur eine Demokratie auf dem Papier ist“ [„our society is a democracy in name only.“] und dass der Durchschnittsbürger keinen politischen Einfluss hat:

»When the preferences of economic elites and the stands of organized interest groups are controlled for, the preferences of the average American appear to have only a minuscule, near-zero, statistically non-significant impact upon public policy.« [S. 575]
 .
Sollten Sie also das nächste Mal den amerikanischen Präsidenten im Oval Office – oder den Manager des Jahres – hinter seinem Schreibtisch sitzen sehen, denken Sie an die Hermesvilla und Kaiser Franz Josef II., denken Sie daran, dass die einen von Geldaristokraten in die Machtposition gehievt wurden und nur so lange dort verweilen dürfen, wie es die Fürsten Mammons wollen, während die anderen nur vor Gott und ihrem Gewissen Zeugnis ablegen mussten. Faites vos jeux.

 

Eine Unterstützungserklärung für F.

F. ist bei der Piratenpartei und bat mich, eine Unterstützungserklärung für diese abzugeben. Gut, gut, dachte ich, hin und wieder sollte der Bürger ja von seinem demokratischen Recht Gebrauch machen. Die Prozedur ist freilich nicht mit einem ‚like‘-Klick im virtuellen Internetz zu vergleichen – ganz im Gegenteil! Man muss seine sterbliche Hülle in eines der Wiener Magistratsgebäude bewegen, dort einen Beamten ausfindig machen, sich ausweisen, vor  ihm die Unterschrift auf der ausgedruckten Erklärung leisten und diese schließlich der real existierenden Parteizentrale zukommen lassen. In der gegenwärtigen Smartphone-Ära mutet dieser Unterstützungs-Ritt sicherlich kafkaesk an – damit meine ich nicht, dass ein Unterstützer am nächsten Morgen als Käfer aufwacht, sondern vielmehr, dass er im Magistratsgebäude umherirrt und niemals den Beamten findet, der ihm die Unterschrift beglaubigt. Freilich, tendieren Sie zu einer pessimistisch-orwellschen Einstellung, gehen Sie vermutlich davon aus, dass der Unterstützer am nächsten Morgen von stummen Herren zwar nicht verhaftet, aber trotzdem fortgebracht wird.

Kommen wir wieder in die Realität zurück. Einen launigen und zuweilen den wahren Kern treffenden (Gast)Beitrag mit dem Titel ›Wie kommt die Partei auf den Zettel?‹ können Sie im Literaturteil (!) der Zeitung Der Standard lesen. Aus dem Inhalt geht hervor, dass der Schreiber des Beitrags, ‚Kommandant der Bewegung KOCMOC / Gruppe Gagarin‘, ein wenig Bauchweh mit der SPÖ und den Grünen hat und von einer neuen Partei spricht, die es probieren will: ›sozialdemokratisch, linksgrün, integre junge Leute‹. Da ich ja keine Tagespresse mehr lese und für die Innenpolitik nicht mal Interesse heucheln kann, weiß ich jetzt natürlich nicht, wer diese eine neue Partei sein soll – vielleicht entspringt sie aber auch nur dem Wunschdenken des Kommandanten, wer weiß, wer weiß.

Im Übrigen ist mir am Sonntag aufgefallen, dass sich die ›Qualität‹ der Sonntagszeitungen im Verkaufspreis widerspiegelt. Der Marketing-Trick – was teuer ist, wird vom Kunden als gut und qualitativ hochwertig angesehen – funktioniert also auch am freien Markt der Presselandschaft. Ja, freier Markt ist überall. Das gilt freilich auch in der Politik, wenn man so will. Darf man nicht laut sagen. Ist aber trotzdem so.

Als ›erklärender Unterstützer‹ einer Partei ist man freilich nicht gezwungen, diese am Wahltag zu wählen. Ich erwähne es deshalb, damit man mir später nicht einen Strick aus dieser einen Offenlegung dreht und meint, ich hätte mich jetzt politisch geoutet und politisch verortet. Als querdenkender und allseits skeptischer Verschwörungstheoretiker mit dem Hang zu einer pessimistisch-orwellschen Geisteshaltung habe ich mir untersagt, einer Gruppierung oder Partei oder Religion oder Anschauung meine Seele zu geben. Zumeist ist es schwierig, diese unbeschadet wieder zurückzubekommen.

Dass wir in Österreich in erster Linie in einer Republik und erst in zweiter Linie in einer Demokratie leben, dürfte ich sicherlich schon einmal erwähnt haben. Nach Chomsky bedeutet es nichts anderes, als dass in einer Republik die besitzende Minderheit alles unternimmt, um sich vor der besitzlosen Mehrheit zu schützen. Nun, würde ich etwas besitzen, tät ich vielleicht auch für eine Republik plädieren. Am Ende läuft die Historie dieser Welt – und damit die politischen Gegebenheiten – immer auf eines hinaus: der Kampf zwischen den Alleshabenden und den Habenichtsen.