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Feminismus in der Sackgasse

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber Sie sollten bereits bemerkt haben, dass die so hoch geschätzte liberale Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts alles auf den Kopf zu stellen scheint, was uns einmal lieb und teuer war. Unten ist oben, oben ist unten, Männer sind Frauen, Frauen sind Männer und dazwischen gibt es allerlei geschlechtliche Identitäten, die er oder sie oder es annehmen darf.

Im freiesten und liberalsten Land aller Länder, in den Vereinigten Staaten von Amerika, sehen wir, wohin die gender identity-Reise geht. Junge Männer, also Burschen, die im Athletikfach gerade einmal zum Durchschnitt zählten, haben keine sonderliche Mühe als „Frauen“ sportliche Bewerbe zu gewinnen. Wenn es nach den Demokraten geht, soll die – sich selbst gegebene – geschlechtliche Identität gesetzlich geschützt werden. Damit ist der Feminismus, was man auch immer unter diesem alten Kampfbegriff versteht – leere Schlagworte können bekanntlich mit Sinn und Unsinn gefüllt werden – in der Sackgasse gelandet. Dumm gelaufen, nicht?

Sollte es keinerlei Ein- bzw. Beschränkungen bezüglich der geschlechtlichen Identität geben, kann jedermann, jedefrau, jedesetwas jederzeit in eine Rolle, pardon, Identität schlüpfen und damit die etwaigen Vorteile genießen. Am Ende dieser Veränderung werden die Frauen wieder zu ihrer ureigenen Domäne zurückkehren müssen, dort, wo sie unter sich bleiben können, weil biologische Mannsbilder keinen Gewinn darin sehen, sich dort zu behaupten. Während also der gestrige Feminismus den Frauen die Tür zur Sportwelt öffnete, wird der zukünftige diese wieder schließen. Die „Frauen“-Sportbewerbe werden dann von Männern dominiert, die sich als „Frau“ identifizieren und eine Zeit lang Hormonpillen schlucken.

Der amerikanische Video-Blogger The Amazing Lucas machte sich auf seine amüsant-spitzzüngige Weise Gedanken über diese Entwicklung: High School Girl says NO Ma’am! Darin zu sehen und zu hören ist auch jenes Mädchen, das bei einem Laufwettbewerb von zwei „Frauen“ geschlagen wurde, die biologisch als Männlein zur Welt gekommen sind. Diese Form der Ungerechtigkeit ist förmlich zum Greifen und doch getraut sich niemand der Erwachsenen diese anzusprechen. Was ist nur aus unserer Gesellschaft geworden? Nun, für die globale Elite läuft freilich alles nach Plan. Je mehr Unsicherheit im Kopf der Bürger herrscht, um so leichter sind diese zu beeinflussen.

Abschließend sei aus dem Historienlexikon der Durants zitiert, wo es an einer Stelle heißt:

Doch Beschränkung ist das Wesen der Freiheit, denn sobald sie vollkommen wird, geht sie unter in Anarchie.


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Das Foto zeigt die drei Medaillengewinnerinnen des Hochsprungs bei den Olympischen Spielen des Jahres 1936: Links die Siegerin Ibolya Csák (HUN), in der Mitte Elfriede Kaun (DEU), rechts die Britin Dorothy Odam [Wiki] — Urheber: Bundesarchiv, Bild 183-G00985 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5363162

Was facebook mit der Psyche macht

Zugegeben, in den letzten fünf oder sechs Jahren habe ich facebook recht stiefmütterlich behandelt, mich im virtuellen Freundschaftsverband nur kurz aufgehalten und zumeist nach wenigen Minuten schnell das Weite gesucht. Das wird sich wohl so schnell nicht ändern, weil mir bewusst ist, dass facebook und all die anderen interaktiv-sozialen Medienkanäle mit der Psyche der Nutzer jonglieren. So kommen Studien zum (vorläufigen) Schluss, dass eine erhöhte Nutzung von facebook depressive Symptome verstärken. Aber wie mit allen abhängig machenden Substanzen – seien sie stofflich oder virtuell – so sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass die stärkste Wirkung jene erfahren, die – einfach gesagt – psychisch/seelisch am instabilsten und damit am empfänglichsten sind.

Wussten Sie eigentlich, dass in der griechischen Mythologie die gute Psyche so liebreizend war, dass man sie für die Göttin Venus hielt? Weshalb Venus – recht eifersüchtig, die Schöne – ihren Sohn Cupido (Eros/Amor) beauftragte, die Psyche zu einer unanständigen Liebe zu verleiten. Doch Cupido verliebte sich in Psyche und von da an ging es drunter und drüber. Aber am Ende wurde Psyche in die Gesellschaft der Götter aufgenommen und gebar dem Cupido eine Tochter, die Wolllust hieß. Sollten Sie also in Zukunft mal wolllüstige Gedanken hegen, schieben sie es einfach auf die Psyche.

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EUROVision Song Contest 2015: FINALE #ESC

Ja, die Sache mit dem Copyright
Ja, ja, die Sache mit dem Copyright.

update: So haben Juroren und Publikum abgestimmt! LINK

Yep. Die Pop-Überflieger ABBA wussten es bereits in den 1980ern: The Winner takes it all. Ihr Landsmann Måns Zelmerlöw gewann für Schweden das große Finale des europäischen Gesangswettbewerbs. Ziemlich klar auch noch dazu. Nur der russische und der italienische Beitrag konnten anfänglich dagegen halten. Aber am Ende setzt sich nun mal Qualität durch. Wirklich? Nope. Natürlich nicht. Das war ein Witz. Wenn Sie ernsthaft an dieses Märchen glauben, gehen Sie womöglich mit Lipizzaner-Scheuklappen durch die Welt da draußen. Jede Massenveranstaltung – Betonung liegt dabei auf Masse – wird von den Veranstaltern auf den Millimeter geplant. Überraschungen gibt es nur dann, wenn die Macher im Hintergrund eine solche zulassen wollen. Falls Sie mir nicht glauben, schlagen Sie nach bei Sigmund Freuds Neffe Edward Bernays und lesen Sie in seinem in den USA im Jahre 1928 erschienenem Werk Propaganda, wie wichtig es für die Elite ist, die Masse zu lenken und zu führen.

»Unsere muss eine Herrschafts-Demokratie sein, administriert von der gebildeten Minderheit, die weiß, wie man die Massen kontrolliert und führt«.

Mit anderen Worten, die europäische Song-Contest-Veranstaltung ist nichts anderes als gut gemachte Massen-Manipulation. Denn egal, ob Sie sich für den Event interessierten oder nicht – Sie hatten keine Chance, nicht nicht an dieses Ereignis erinnert zu werden. Längst ist der Mainstream-Medien-Apparat übermächtig und gibt vor, worüber wir zu reden und nachzudenken haben.

Zurück zum Singsang-Biz. Der österreichische und der deutsche Beitrag gingen ohne Punkte nach Hause. Hm. Derweil fackelten wir Ösis sogar das Klavier auf der Bühne ab. Der brennende Dornenbusch rund um einen Jünger Jesu lockte keinen Zuschauer hinterm Smartphone hervor. Ja, nicht einmal die erzkatholischen Italiener oder Polen oder Iren (okay, seit gestern müssen Sie diese von der Liste streichen) beschenkten uns für diese Darbietung mit einem Pünktchen. Enttäuschend. Einziger Trost, wie so oft, ist das geteilte Leid mit Deutschland. Das war bekanntlich vor vielen Jahrzehnten nicht anders, wenn ich mich recht erinnere. Kann mich aber auch täuschen.

Musikalisch fand ich den Beitrag von Zypern äußerst gelungen. Sehr sympathische Old-School-Trällerei. Der Mann hat – in meinen Ohren – eine formidable Stimme. Im Gegensatz dazu haben mich die zwei drei kleinen Italiener nicht gerade von der Couch geworfen. Macht nix, die Tenöre haben ihre Fangemeinde und das ist ja bekanntlich alles, was zählt, im Musik-Biz, nicht? Der Beitrag von Slowenien hat mir übrigens auch gefallen, Kopfhörer hin oder her. Und die ungarische Gesangstruppe erinnerte seltsamerweise mehr an Irland als an Ungarn.

Zu guter Letzt stellt sich mir die Frage, woher die Buchmacher wussten, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Schweden und Russland geben würde. Ist mir schleierhaft. Zugegeben, die beiden Gesangsstücke sind nicht schlecht, aber sind sie um so vieles besser als all die anderen? Ja, wie verflixt noch mal können Journalisten und Buchmacher überhaupt den musikalischen Geschmack Europas auf die letzte Note kennen? Ist mir ein großes Rätsel. Gestern wusste ich noch nicht mal, wo Aserbaidschan liegt oder dass Georgien guten Wein produziert oder dass die geographische Grenze Europas nicht klar definiert ist und ziemlich weit nach Osten reicht. Früher einmal, lange ist es wohl her, lernte ich, dass die eine Hälfte von Istanbul in Europa, die andere in Asien liegt. Am Bosporus schieden sich nicht nur die Geister, sondern auch die Kontinente. Erst mit der Zerbröckelung der UdSSR in den 1990ern wurden die Grenzen neu gezogen – man reiche mir ein Lineal!

Also. Haben Sie eine Erklärung, wie die Wettquoten und Favoriten für diesen Wettbewerb zustande kamen? Und ist es nicht ein wenig schockierend, zu erfahren, dass Italien, Belgien, Polen und Australien dem späteren Siegerlied die maximalen Punkte gab? [Hier die Liste] Ich meine, ist es vorstellbar, dass Polen und Australier, Belgier und Italiener den gleichen Musikgeschmack haben?

Dass die Punktevergabe irgendwie mit den nachbarschaftlichen Beziehungen zu tun haben soll, hört man ja immer wieder. Die Indizien sprechen eine klare Sprache, dass dem tatsächlich so ist (okay, sehen wir mal von der Ösi-Piefke-Hassliebe ab). Mit anderen Worten, die Leutchen, die zum Telefon gegriffen haben – vermutlich aber auch die Jury-Mitglieder – stimmten aus persönlich-geographischen Gründen, nicht unbedingt aus musikalischen. Somit bleibt am Ende des Tages nur der Gedanke, dass die Qualität des Gesangsmaterials so gut wie wurst ist. Anders gefragt: Hätte Zypern das schwedische Lied im Programm gehabt, hätte man sie gewinnen lassen?

P.S.: Wie mir gerade aufgefallen ist, haben einige Länder aus finanziellen Gründen am Song-Contest 2015 nicht teilgenommen, beispielsweise Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Andorra oder Luxemburg (Bankenkrise?). Wir sehen: Am Ende regiert immer noch das Geld, nicht die Musik. Kurz: Wer zahlt, schafft an, darf singen.

Gedanken zum Bachmannpreis 2011

Bachmannpreis 2011 3sat Web-TV
Das TV-Bild ist flöten gegangen!

Heute hat also der »Lesemarathon« zum Bachmannpreis begonnen. 14 Autoren lesen ihre Wettbewerbstexte einer Jury vor und hoffen auf gnädige Akzeptanz. Aha. Im TV und im Web wird dieser literarische Event live-haftig ausgestrahlt und der geneigte Literaturzampano in spe kann somit an den Lippen der Autoren hängen. Aha.

Heute standen demnach 5 Autoren im Rampenlicht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich gehe davon aus, dass diese Angelegenheit explizit gegen die Genfer Konvention verstößt, aber das juckt natürlich niemanden. Wir wissen doch, wozu solche Casting-Shows in erster Linie dienen, oder? Wenn es also den Verantwortlichen des Bachmannpreises um Literatur und die (ernsthafte, also längerfristige) Auseinandersetzung mit literarischen Texten ginge, dann würden sie alles daran setzen, die Veranstaltung in der bücherfreundlichsten Stadt durchzuführen und nicht in Klagenfurt, die laut Schriftsteller Winkler keine einzige Stadtbibliothek hat. Das ist, man verzeihe mir diese brachiale Wortmeldung, erbärmlichst. Wirklich.

Der Wettbewerb sieht vor, dass der Autor seinen Text vor Publikum, Jury und laufenden Kameras vorliest. Danach wird diskutiert. Also, die Jury befindet über den Text – und damit natürlich auch über den Verfasser. Das erinnert mich an jene Eltern, die im Beisein ihrer Kinder über ihre Kinder erzählen. Ich finde dieses Verhalten ziemlich grotesk. Weil es ja den Kindern anzeigt, dass sie wie eine stumme Sache wahrgenommen werden, über die man sprechen kann. Genauso verhält es sich auch in Klagenfurt. Die Jury lästert sich einen ab, beflegelt Sätze und Komposition und zieht allerlei literarische Querverweise. Die Eitelkeit der Jury-Mitglieder findet jedenfalls Raum und Zeit sich hübsch hässlich zu entfalten. In Zeiten der Casting-Shows sind die Jury-Mitglieder ja die heimlichen Stars. Jedenfalls wollen sie das glauben.

Über die Texte will ich nicht viel sagen. Ich finde das ganze Getue irgendwie seltsam übertrieben. Gewiss, ein bisschen Trommelwirbel im sonst so leisen Literaturbetrieb kann nicht schaden. Aber die Ernsthaftigkeit geht dabei flöten. Ich meine, man stelle sich vor, es käme, sagen wir, Ernest Hemingway auf die Bühne und liest einen seiner Texte. Würde er im Anschluss duckmäuserisch den Kommentaren der Jury lauschen? Würde er sich vielleicht eingestehen, dass er besser Journalist bleiben sollte? Nope. Ich würde mir wünschen (und das ist jetzt natürlich dem Mythos Hemingway geschuldet), der junge Hemingway steht langsam auf, geht zu einem der Jury-Mitglieder, nimmt diesen am Kragen und zischt ihm ein »An intelligent man is sometimes forced to be drunk to spend time with some fools.« – Und dann würde er langsam aus dem Saal gehen und in die nächste Bar. Ja, das würde ich mir wünschen. Das ist nämlich gelebte Literatur. Die heutigen Schreiberlinge sind brav und angepasst und entwickeln sich zu seltsam langweiligen Bürokraten ihrer Texte. Gut. Das muss wohl für viele so sein. Texte entstehen nicht in der Bar, sondern am Schreibtisch und vor allem im Kopf. Punkt.

Der Bachmannpreis hat so viel mit Literatur zu tun wie Catchen am Heumarkt (Wrestling) mit Sport. Amüsanter Nervenkitzel. Aber am Ende tut sich keiner wirklich ernsthaft weh. Schließlich geht es um Show. Und Verkaufszahlen. Aber nicht um Bücher und Bibliotheken.

Ich habe mir schon oft Gedanken darüber gemacht, wie es sein kann, dass in einem Land, das von sich behauptet einer aufgeklärten kulturell hochstehenden Zivilisation anzugehören, dass in diesem Land es zwar hunderte von Glücksspiel-Lokalitäten gibt, die rund um die Uhr offen haben, aber keine einzige kulturelle Einrichtung, die dem Bürger 24/7 offen steht. Wer jetzt mit der Erklärung kommt, dass es dafür kein Geld gäbe, wird sofort und auf der Stelle ausgepeitscht. Wirklich. Wofür in einer Gesellschaft Geld da ist, bestimmt die Gesellschaft, also die Bürger. Niemand sonst. Wenn morgen die Finanzwelt kollabiert, mit all ihrem virtuellen Derivat-Spielgeld, dann werden die Bürger gebeten, ihrer Bürgerpflicht nachzukommen und die horrenden Verluste der privatwirtschaftlichen Banken- und Finanzwelt zu tragen. Ohne dass darüber lang und breit befunden werden würde. Was sein muss, muss wohl sein. So heißt es. Tja. Schöne neue Welt.