Mein junges Ich und die besondere Attraktivität von B.

Gestern war es, als mir M. ältere Fotos schickte, über die sie in ihrem Archiv gestolpert ist. Eines davon zeigt mein junges Ich – geschätzt dürfte ich Mitte der 20 gewesen sein – mit B., deren besondere Attraktivität auf jedem fotografischen Abbild zu erkennen, beinahe zu greifen ist. Ganz anders mein junges Ich, das auf dem Foto ausgesprochen unmännlich, um nicht zu sagen, jungfräulich platt daherkommt. Rund 30 Jahre sind seither vergangen. Viel Zeit. Viel Schicksal. Damals, da träumte ich davon, wenigstens ein Buch zu schreiben und mich als Schriftsteller präsentieren zu dürfen (und damit die Frauenwelt zu erobern) – aber ich war meilenweit davon entfernt. Meine Muse, die mich auf einer schnöden Holzbank, irgendwo beim Wiener Jörgerbad, küsste, ließ lange auf sich warten. Gottlob tat sie es. Hätte ich mit meiner damaligen Unerfahrenheit überhaupt die Kraft und die Ausdauer gehabt, gegen den gesellschaftlichen Strom zu schwimmen? Ich wäre kurzerhand abgesoffen und mit vielen Träumen und Wünschen beschwert auf den Grund des Ozeans gesunken, dort, wo all die verlorenen Seelen über die Unmöglichkeit eines erfüllten Kunsterlebens klagen. Gewiss, ein Künstlerleben zu führen, wenigstens in Ansätzen, ist weder einfach noch billig. War es nicht vor Tagen, als ich erneut bemerken musste, wie zähflüssig und mühselig der kreative Arbeitsprozess sein kann, wenn die externe Unterstützung nur trippelt, nicht trabt? Oder A., die eigentlich P. ist, die für den Schriftsteller niemals zu fassen war und – vielleicht, vielleicht auch nicht – ein einzigartiges literarisches Vorhaben achselzuckend beiseite schob? Ja, dieses Buch wäre sicherlich etwas ganz Besonders gewesen. Aber niemand, der das Schicksal herausfordern und zwingen darf. Seufzend blicke ich zum blauen Himmel, wissend, dass die Zeit längst nicht mehr für mich tätig ist und jede gute Gelegenheit, die sich vor mir auftut und ungenutzt verstreicht, nie mehr wieder kommt. Das mag vielleicht der größte Unterschied zur Jugend sein, eine Phase, in der die Zukunft weit offen steht, alles möglich, nichts unmöglich scheint. Freilich, die Realität ist zumeist nicht sehr gnädig mit Traumtänzern. Die Butter muss aufs Brot. Natürlich. Während ich des Sonntagvormittags im Café Konversation mit meiner Muse führe, das Tagebuch vollkritzle und, wenn die Umstände passende sind, ich die Idee für einen Blogbeitrag in die schreibende Tat umsetze, dürfte sich B. mit Kind und Kegel der familiären Wochenendplanung hingeben. So kommt eines zum anderen. Wir gehen auf unserem Weg weiter. Die Weichen wurden längst gestellt. Damals. Heute.

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