Archiv der Kategorie: about blog

Spreeblick? Geschrieben an der Donau, um 8 Uhr 28.

update: Beitrag nun online.

Wer möchte ins Wasser?

Wer es nicht weiß, Spreeblick ist ein im Web recht bekannter Berliner Blog, auf dem sich mehrere Autoren tummeln und dabei über allerlei Themen schreiben. Im Sommer haben Sie nun die Aktion Open Spreeblick eingeführt; damit ist es jedermann und jederfrau möglich, ebenfalls einen kurzen oder langen Blog-Beitrag auf Spreeblick zu veröffentlichen. Ich konnte nicht umhin, einen langen Beitrag zu fabulieren. Natürlich wird jeder Beitrag redaktionell geprüft. Ich gehe mal nicht davon aus, dass es an meinem Artikel etwas zu beanstanden gäbe, aber wer weiß. Die Donau und die Spree sind zwar beides bekannte Gewässer, aber sie unterscheiden sich dann doch erheblich. Wie dem auch sei, ich gebe Bescheid, wenn der Beitrag online geht – und werde mein Geschreibsel natürlich auch hier einstellen. Ist ja mein Geschreibsel. Und das gehört mir. Wirklich.

Eine Verlegerin über ihre Branche, anno 2011 oder Die verfluchte Hoffnung

 Expect more shake-up in the traditional publishing world.  Expect to hear more gloom and doom from that quarter. Remember, as you do, that publishing is changing, and traditional publishers aren’t the only game in town.  In fact, they haven’t just lost their monopoly.  They’re also losing the battle for the consumer’s eyeballs.
Kristine Kathryn Rusch
US-Autorin

Die Verlegerin Li­sette Buch­holz hat den per­sona Verlag in Mann­heim 1983 gegründet, um Le­sern un­be­kannte Texte aus dem deut­schen und öster­rei­chi­schen Exil 1933-1945 zugäng­lich zu ma­chen. 2011 denkt sie kritisch über den gegenwärtigen Literaturbetrieb nach und schreibt sich eine über die Jahre angesammelte Frustration von der verlegerischen Seele. Ihr offener Brief ist absolut lesenswert und sollte als kritische Reflexion gegenüber den Zuständen der Buchbranche verstanden werden.

Wir leben in einer turbo-kommerziellen Epoche. Alles bewegt sich schneller und schneller. Man ist als kleiner Unternehmer gezwungen (wenn man sich zwingen lässt), mehrere Themen gleichzeitig zu behandeln. Da eine E-Mail, dort eine Rechnung, schnell noch eine Twitter-Meldung absetzen, diesen Link anklicken, einen scheinbar wichtigen Artikel lesen, das lustige Video angucken, ein interessantes Facebook-Posting beantworten, die XING-Statusmeldung erfassen, einen neuen Kontakt hinzufügen, einen Termin ausmachen, ein Telefonat entgegennehmen, eine E-Mail lesen, die gerade eingegangen ist und sich dabei Gedanken über einen neuen Blog-Artikel machen. Dass der Kaffee seit 13 Minuten am Herd vor sich hinköchelt und zu einem schwarz zähen Gebräu wird, äh, ja, das merkt man gar nicht. Richtig, das nennt man Realität.

Jede Branche ist von diesem Turbo-Schub betroffen. Die Buchbranche ist nur eine unter vielen. Und vermutlich trifft es sie deshalb so hart, weil sie eine der älteren Branchen ist, deren Strukturen über die Jahrhunderte und Jahrzehnte gewachsen und erstarrt sind. Es gab eine klare Rangordnung, eine eindeutige logistische Abfolge, die jeder, der in der Branche zu tun hatte, befolgen musste, um zu bestehen. Aber in den letzten Jahren hat sich vieles verändert. Wir wissen es. Wir spüren es. Aber wer profitiert schlussendlich davon? Und wer zahlt drauf?

Meine Überlegungen gehen dahin, dass sich die großen Publikumsverlage noch keine großen Sorgen machen müssen. Ja, noch haben sie den Apparat im Griff. Vielleicht stottert der Motor kurz, aber primär läuft alles wie gehabt. So lange die Leute Konsumenten sind, so lange sie sich beeinflussen lassen, braucht sich keiner in den Vorstandsetagen graue Haare wachsen zu lassen. Sie haben die Mitteln und die Wege, um neue Kampagnen ins Leben zu rufen. Sie haben die Kontakte, um mit anderen Medienunternehmen gemeinsam ein neues Produkt zu lancieren. Auf Messen treten die Großen groß auf. Und sollte es tatsächlich einmal der Fall sein, dass eines der großen Verlagshäuser leckt, nun, dann sind bestimmt die anderen so freundlich, um sich diesen einzuverleiben. Geld kommt zu Geld, hat schon mein Großvater gewusst und der war Kammerdiener bei einem Grafen. Wirklich.

Kürzen wir eine lange Geschichte ab: um die großen Publikumshäuser muss man sich genausowenig Sorgen machen wie um die großen Banken, die too big to fail sind. Irgendwie ist auf dieser Welt scheinbar immer genügend Geld vorhanden (man lese richtig: die Bürger erklären sich bereit, die Schulden zu übernehmen, die Politiker machen), um große Konzerne am Leben zu erhalten. Natürlich für das Gemeinwohl der Bürger, heißt es dann in den hübsch formulierten Presseaussendungen (die eine Kaste von Autoren schreiben muss, deren Bücher sich nicht verkaufen).

Sorgen machen muss man sich für die mittleren Verlage. Während die Klein(st)-Verlage schon immer stürmischen Zeiten begegnet sind und mit geringen Mitteln nicht untergegangen sind (strampeln, strampeln, strampeln), müssen die mittleren Verlage ordentlich Luft haben, um schwierige Zeiten zu durchtauchen. Banken sind freilich nicht gerade belesen, wenn es um Literatur geht. Für sie zählt die Aussicht auf finanziellen Erfolg in den nächsten Jahren. Und welcher Verlag kann behaupten, er würde im nächsten Programm einen Bestseller landen? Große Verlage können es. Sie haben internationale Autoren an der Hand, die Vielversprechendes abliefern werden (tatsächlich wird es Vielversprechend gemacht); Verfilmungen aus Hollywood erfreut das Banker-Herz und Merchandising sowieso. Gewiss, manche der vielversprechenden Produkte erwiesen sich dann als Flop oder Eintagsfliege. Egal. So ist das Bizness. Für die Großen. Für die Mittleren hingegen heißt es: sparen! Die Frage ist nur: Wo setzt man den Sparstift an? Beim Lektorat? Beim Korrektorat? Beim Marketing? Bei den Autoren? Bei der Herstellung? Hmm. Schwierig, oder?

So mag es nicht verwundern, wenn der Verlag Eichborn zur Eintagsfliege (Wortwitz!) mutiert und in der Versenkung verschwindet. Und so mag es nicht weiter verwundern, wenn die Verlegerin Lisette Buchholz für 2011 kein Buch neu verlegen möchte.  Ja, auf sie alle werden harte Zeiten zukommen. Die Großverlage, ein wenig nervös ob der E-Books-Misere und des Social Webs (und der Tatsache, dass die Computerspiel-Industrie Unsummen umsetzt), blasen zum letzten Angriff und fluten das Web und die Buchhandlungen mit massig Content. Wie soll da ein mittlerer Verlag auf die Dauer nicht absaufen?

Gab es das Problem früher nicht auch, fragt man sich unwillkürlich? Nun, sagen wir: die Verlage, große wie kleine, ritterten einst mit Inhalt und Autorenschaft um die Gunst des Lesers, des Buchhändlers und des Feuilletons. Aber als die Verlage zu Medien-Konzernen zusammenwuchsen, da war dann Schluss mit einem fairen Kampf. Die Konzerne sahen das Buch als Produkt an, und meinten, es genauso wie Waschmittel oder Suppenbrühe bewerben und verkaufen zu können. Das Dilemma ist, dass die Buchhändler und Kritiker davon nicht verschont blieben und verschont bleiben. Immer geht es auch um die Existenz. Wer sich weigert, mitzumachen, steht vielleicht alsbald vor der Insolvenz. Tja.

Das Ganze ähnelt – leider – der Spirale der Gewalt. Wer damit angefangen hat, man weiß es nicht, aber es hat Auswirkungen auf alle Beteiligten. Keiner kann sich dieser Gewalt entziehen. Jeder ist Teil davon. Und wer nicht mitmacht läuft Gefahr unter die Räder zu kommen. Gewiss, immer hat man die Möglichkeit, stehen zu bleiben. Aber ich befürchte, der Zug ist für uns alle schon längst abgefahren. Vereinzelt gibt es einen Hoffnungsschimmer. Hin und wieder meint man ein kleines Licht am Ende des Tunnels zu sehen, nur um wenig später in völliger Dunkelheit herumzuirren und sich den Kopf zu stoßen. Gibt es denn keine Hoffnung? Hm. Hoffnung gibt es immer. Deshalb sitzen wir gelassen in unserem Bürostuhl und zucken mit der Schulter. Morgen wird sich alles zum Besseren ändern, sagen wir uns leise. Tatsächlich ist es eine Illusion, die sich als Hoffnung verkleidet. Verfluchte Hoffnung.

***

Die US-Autorin Kristine K. Rusch plaudert aus dem Nähkästchen. Ich denke, es lohnt sich, ihren Blog http://kriswrites.com/ zu verfolgen.

Zwillingsleiden: ein Blog über erotische Literatur #Empfehlung

eine Empfehlung

Vermutlich habe ich es schon mal geschrieben, aber hin und wieder muss man sich einfach wiederholen. Wirklich. In diesem Falle geht es um den wunderbaren Blog Zwillingsleiden, der sich auf eine ernsthafte, aber gleichzeitig auch lockere Art und Weise mit erotischer Literatur beschäftigt. Die Wienerin Evi macht es wirklich ausgezeichnet. Freilich, ihr Zielpublikum darf als weiblich vorausgesetzt werden, aber als interessierter männlicher Zaungast fühlt man sich rundum wohl, in ihren zahlreichen Besprechungen und Rezensionen von Taschenbüchern und E-Books!

Dass sich Evi auch mit meiner hübschen Fiktion Die Erotik des Erik van der Rohe auseinandersetzt, freut mich besonders. Demnächst gibt es eine Besprechung. Wir dürfen gespannt sein.

Sechs Jahre und zwei Glaserln Wein später

@ 2005-04-25 – 19:13:55 das war er also, mein erster Blog-Eintrag auf blog.de – damit hat Vieles, nicht Alles begonnen. Für den geschätzten Leser ist das freilich nicht von Bedeutung. Geburtstage kommen und gehen. 

***

Von meinem Schreibtisch kann ich die Donau sehen. Ja, sie fließt bei mir vorbei. Nicht blau, nicht braun, nicht grün. Von allem ein bisschen. Und damit sind wir auch schon bei der Seele des Wieners angekommen. Von allem ein bisschen – aber eben nichts Ganzes. In meinem ersten Roman »Azadeh oder die 13 Tage des Leutnant Johann Gottfried von Märwald« – eine Theaternovelle, die im Wien der Jahrhundertwende (1899) spielt, spazieren der alte Graf von Popovic und der junge Leutnant von Märwald durch die Wiener Innenstadt und kommen (freilich, freilich) zum Stephansplatz.

[Popovic:] »Ich wundere mich immer wieder, Märwald, wie man diese große Kirche mögen kann, mit ihrem halben zweiten Turm. Sie ist ein steinerner Krüppel, unfertig, nichts Ganzes. Hier, auf einem Platz, wo keiner ist, zwischen kleinen Gassen und Straßen, in Mitten des stinkenden Pferdemists, hat man ihn eingepfercht, ragt er hervor und auch wieder nicht. Andere, sogar kleinere Städte haben imposantere, beeindruckendere Dome! Aber bevor ich mich in hässliche Worte versteige, muss ich gestehen, dass er mir ans Herz gewachsen ist, in seiner so wehleidigen, melancholischen Art. Er entspricht dem Wiener Gemüt vortrefflich, das sich so mächtig und besonders glaubt, bis man über die Unzulänglichkeiten, zuweilen großen Schwächen befindet, sie aufdeckt. Was bleibt? Wehmut! Aber mit ein oder zwei Glaserln Wein sehen die innere Befindlichkeit und der Steffl wieder besser aus. Und wisst Ihr warum? Weil er uns zu verstehen gibt, dass man es nicht zu einer begnadeten Vollendung bringen muss, um berühmt und sagenumwoben zu werden!«

das erste Mal: 20. April 2007 oder Die bloggende Unschuld

der kleine Dichter ein bisserl nervös, ein bisserl fickrig, aber sonst geht es ganz gut, mit dem wordpress.blog. Es wird freilich seine Zeit brauchen, bis ich es in meine Website einbinde und darin schreibe.

***

Das war er. Der erste Eintrag auf dem wordpress.blog. Nicht gerade weltbewegend. Natürlich nicht. Die Entscheidung, dem deutschen Community.blog nach zwei Jahren den Rücken zu kehren, war wohl eine gute, eine erwachsene, eine notwendige. Hier, in meinem blog, da ist meine Welt. Komme, was wolle. Ich habe das Recht und die Pflicht, zu schreiben, was mir im Kopf herumspukt. Ja, ja.

Ich werde deshalb kein bisschen eitel sein, weil ich weiß,
dass die Publikumsgunst den schlechtesten Büchern zu teil wird.
Marcel Proust an Gaston Gallimard, 1919

Das Web2.0 und die Möglichkeit, blog-Artikel zu schreiben und (wichtig) zu kommentieren und (noch wichtiger) zu verlinken, hat die schreibende Welt näher zusammenrücken lassen. Plötzlich konnte sich jeder als Journalist oder Kinokritiker sehen. Da fällt mir ein: meine Blog-Seite mit den Kinokritiken ist irgendwo im virtuellen Äther verschwunden. Andererseits, man sagt ja, dass im Internetz nichts verschwinden kann, demnach müssen also meine Ergüsse noch irgendwo sein. Aber so wichtig sind sie auch wieder nicht. Gut. Zurück zum Web2.0. Die Blogs waren anfänglich überschaubar. Es gab sogar junge und ältere Menschen, die sich nicht getrauten, so öffentlich zu schreiben. Es war mit einmal eine seltsame Situation: Leute, die irgendwo und nirgendwo zu Hause waren, konnten sich nun Gehör verschaffen. Grenzübergreifend. Weltweit. In jeder Sprache. Vielleicht auch nur mit Fotos. Bewegend!

Aber man erkannte bald, wie es um die Euphorie bestellt war. Ein Auflodern. Kurz. Kräftig. Dann die Ernüchterung. Weil so einen blog zu machen, einen gehörigen Aufwand darstellt. Man muss konsequent sein. Darf sich nicht zu lange Zeit lassen, mit dem nächsten Eintrag, ansonsten geht man unweigerlich verloren, in der Masse der anderen aktuelleren Seiten. Und dann die Frage, was man denn schreiben soll. Vermutlich machte sich anfänglich kaum einer Gedanken darüber. Hauptsache die Möglichkeit ausschöpfen, zu publizieren. Egal was. Egal wie. Und so sahen sie auch aus, die hingerotzten Blog-Artikel. Fehlerhaft. Verstümmelt. Mäßig. Erbärmlich. Und heute? Jahre später? Ich kann nicht sagen, in letzter Zeit einen grottigen Blog angeklickt zu haben. Ist es Zufall? Oder hat sich hier einfach die Spreu vom Weizen getrennt? Hat hier tatsächlich die Gemeinschaft von selber nachgeholfen? Oder haben die Blogger bemerkt, dass es keinen Spaß macht, wenn die hingeschmierten Beiträge einerseits nicht gelesen, oder, wenn doch, nicht beachtet, nicht kommentiert werden?

Wie dem auch sei. Zu guter Letzt, da fällt mir ein, dass es heißt, dass jeder Blogger auch Journalist ist bzw. sein kann. Gewiss. Aber noch mehr wird er bemerken, dass er nun auch eine Zeitung zu stemmen hat, die nach eigenen Gesetzen und Vorgaben geführt werden muss. Leserzahlen! Einfluss! Interaktion mit anderen Journalisten/Zeitungen! Ja, der Blogger rauft sich alsbald die Haare. Soll er jenen Artikel verfassen, der ihm zwar am Herzen liegt, der aber wenige Klicks und kaum Interesse mit sich bringen wird? Hm. Bald ertappt sich der Blogger, bewusst kontroverse, absichtlich übertriebene Themen aufzugreifen und, hie und da, ein kleinwenig zu provozieren (nur die harmoniesüchtigen Wesen unter den Bloggern, die sträuben sich noch). Ja, das Web2.0 hat den Menschen die Augen geöffnet und gezeigt, was es heißt, eine Zeitung zu führen. Citizen Kane im Mikroformat. Und am Ende zählt nur eines. Rosebud.