Der Film Lore

Ich habe bereits eine Weile darüber nachgedacht, wie ich ein äußerst spitzzüngeliges Zitat vom guten alten Schopenhauer unter das lesende Volk streuen würde können. Und nach dem ich den australisch-deutschen Film LORE gesehen habe, der fünf junge Geschwister im Mai 1945 auf die Reise quer durch Deutschland schickt, wusste ich, dass sich nun eine gute Gelegenheit dafür bot. Voilà.

„Zu den … wesentlichen Unvollkommenheiten der Geschichte kommt noch, daß die Geschichtsmuse Klio mit der Lüge so durch und durch inficirt ist, wie eine Gassenhure mit der Syphilis. Die neue, kritische Geschichtsforschung müht sich zwar ab, sie zu kuriren, bewältigt aber mit ihren lokalen Mitteln bloß einzelne, hie und da ausbrechende Symptome; wobei noch dazu manche Quacksalberei mit unter läuft, die das Uebel verschlimmert.“ [S. 480f]

Arthur Schopenhauer’s sämmtliche Werke – Band 6
Hrsg. Julius Frauenstädt, Brockhaus, Leipzig 1874

Man beachte an dieser Stelle, dass mich alleine schon die Verlinkung auf das internationale Kinoplakat in des Teufels juristische Küche bringen könnte. Überhaupt ist eine Kinorezension für Filme und Bücher, die zwischen 1933 und 1945 angesiedelt sind, eine Gratwanderung für unsereins. Auf der einen Seite warten Zustimmung und Lob, auf der anderen Existenzgefährdung und Knast. Es ist ein imaginäres Minenfeld, das sich vor einem ausbreitet – freilich ohne Ende in Sicht. Wer unvorsichtig ist, eine Mine auslöst, kann bei der Explosion die Hand zum Schreiben und die Stimme zum Sprechen verlieren. Allein die Vorstellung darüber, nun ja, lässt mich nicht gerade freimütig werden, wenn Sie verstehen.

Über den Film möchte ich eigentlich keine Worte verlieren, jeder kann sich selbst ein Bild machen.

Was ich jedenfalls nicht verstehe, warum ausgerechnet eine australische (!) Produktion mit deutschen Fördermitteln ausgestattet wurde. Gab es im ganzen deutschsprachigen Raum keinen einzigen Kreativen, der sich dieser so traumatischen Periode annehmen wollte? Und noch unverständlicher, warum der geförderte Film auf dem Buch einer Autorin basierte, die rund 25 Jahre nach Ende des Krieges das Licht der Welt erblickte!? Es gibt doch eine Vielzahl an authentischer Berichten und wahren Lebensbeschreibungen, von Autoren und Autorinnen, von Zeugen und Zeuginnen, die aus jener Zeit stammen, warum also das Märchen einer australischen Regisseurin fördern?

Dass im Film eine unterschwellige sanfte Pornographie lauert, möchte ich nicht ungesagt lassen. Das Thema pubertärer Sexualität hätte frau vielleicht besser in einem anderen Kontext behandeln sollen. Oder aber, wenn frau schon diese Route im Nachkriegsdeutschland einschlagen möchte, dann bitteschön mit schonungsloser Offenheit.

„Altogether at least two million German women are thought to have been raped, and a substantial minority, if not a majority, appear to have suffered multiple rape“, schreibt die britische Tageszeitung The Guardian im Jahr 2002.


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