ebooks und das Verschwimmen der Grenzen

[von meinem blog auf freitag.de] Bevor ich mich daran mache, den folgenden Beitrag zu schreiben, muss ich einen Hinweis anbringen: ich bin Eigenverleger mehrerer Bücher. Ja, ich schreibe die Bücher nicht nur selbst, sondern verlege sie auch nach professionellen Gesichtspunkten. Ich achte auf Qualität und versuche mit den Büchern mein Einkommen zu bestreiten. Wie gut oder schlecht das funktioniert, tut hier nichts zur Sache, aber ich mühe mich redlich. Nur damit der geneigte Leser Bescheid weiß, woran er ist. Punkt.

Bleisatz - Foto von Wikimedia
Bleisatz - Foto von Wikimedia

[TWITTER: via @JaneFriedman]
Stat BEA: 7% of books published generate 87% of book sales.
93% of all published books sell less than 1,000 copies each.

Meine Bücher sind auch als ebook erhältlich. In allen gängigen Formaten (pdf, epub, mobi, kindle). Zu einem moderaten Preis. Deshalb schiele ich seit geraumer Zeit über den großen Teich und verfolge dort die Stimmung im digital publishing Bereich. Bei amazon.com und ihrer (ihrem?) digital text platform (dtp), das 2009 beinahe 80 % des gesamten ebook-Umsatzes in den USA machte, biete ich ebenfalls meine (deutschsprachigen) ebooks an (aber wer besitzt in diesen Breiten schon einen kindle?). Mit Interesse beobachtete ich den Schlagabtausch zwischen MacMillan und amazon. Die großen US-Publikumsverlage wollten ihre ebooks nicht „unter Wert“ verkauft wissen und zwangen amazon dazu, höhere Preise zu verlangen (ausgewählte Spitzentitel gab es bereits für $ 9,90). Dies führt zu einer regen und intensiven Diskussion, vor allem bei den Lesern, die sich in den Foren Luft verschafften. Es zeigte deutlich, dass die Buchkäufer sehr kritisch auf das Thema „Preisgestaltung bei ebooks“ reagierten und den Publikumsverlagen die Rute ins Fenster stellten (interessanterweise werden Preise generell nicht in Frage gestellt, sind sie einmal etabliert; das sollte einem auch mal zu denken geben).

Neben der Preisgestaltung rückte das ebook aber auch eine neue Form des Publizierens in den Vordergrund: self publishing. Jeder, mit ein wenig technischer Hingabe und ein klein wenig Geduld, ist nun in der Lage sein Geschreibsel aufzubereiten und als ebook nicht nur zu verschenken, sondern auch gegen Münzen zu verkaufen. Die Qualität dieser selbst erstellten Bücher lässt oftmals zu wünschen übrig, liest man immer wieder, da ein ordentliches Lektorat bzw. Korrektorat eingespart wurde. Siehe dazu den Beitrag und vor allem die Kommentare: On Words & ebooks: Give Me a Brake!

Ob fehlerhafter Text die Leser stört, nun, das steht wiederum auf einem anderen Papier geschrieben. Wenn ein pubertierender Sprössling seine ersten sexuellen Erfahrungen als ebook veröffentlich und dieses von Gleichaltrigen gelesen wird, wage ich zu bezweifeln, dass Rechtschreibfehler und grammatikalische Ungenauigkeiten die Freude am Voyeurismus trüben würden. Und Deutschprofessoren sind definitiv nicht die Zielgruppe des elektronischen Buches. Ich denke, dass all jene, die heute in Verlags- und Medienhäusern arbeiten oder mit diesen zu tun haben, die Welt da draußen nur bedingt verstehen können. Oder hätte man vorhergesehen, dass es einmal SMS-Romane geben wird, die sich in Japan ganz gut verkaufen? Oder dass man – mittels eines Mausklicks – seine Twitter-Meldungen in ein ebook (PDF) konvertieren kann? Wir sollten nicht vergessen, dass Generationen heranwachsen, die mehr in der virtuellen, denn in der realen Welt zu Hause sind (dass die ältere Generation dafür verantwortlich ist, sollte nicht unerwähnt bleiben). Wer also heute in Fachkreisen vom „Buch der Zukunft“ spricht, kann in Wirklichkeit keine Ahnung vom „Leser der Zukunft“ haben.

Wie steht es nun um die großen Publikumsverlage? Sie tun, was sie schon immer getan haben: sie bedienen sich der Medien, um ihre Botschaft an den Käufer zu bringen. Das kostet natürlich Geld – dabei geht es in erster Linie gar nicht so sehr um Werbung, sondern um die Beschäftigung eines Stabes an Mitarbeitern, die die richtigen medialen Kanäle zu nutzen wissen. Eine Hand wäscht die andere. Diese Verschränkung zwischen Verlags- und Medienhäusern hatte bisher wie eine geölte Maschine funktioniert. Aber diese Maschine grenzte bedingungslos ab. Bücher und Autoren von kleineren Verlagen wurden und werden gnadenlos ausgesiebt, wenn sie nicht mit etwas Herausragendem, etwas Besonderem aufwarten können, während die Autoren der Publikumsverlage so „modelliert“ werden, dass sie dem Leser besonders herausragend scheinen. Auf diese Weise wurde ein in sich funktionierendes System gebildet, in dem sich die großen Verlage gut einrichteten und sich (lange Zeit) keine Sorgen machen mussten, während die ausgesiebten Verlage ihr Heil in einer Event- und Sensationskultur sahen.

Dann kam das Internet. War das eine Gefahr für das verschränkte Verlags-Medien-System? Nein. So lange die Medienhäuser ihre Hausaufgaben machten und einen Webauftritt zu Wege brachten, war alles in Ordnung. Ob die Rezension oder das Autoreninterview in der gedruckten Tageszeitung oder im Web erschien, machte keinen großen Unterschied. Wichtig war, dass der Artikel wahrgenommen wurde.

Dann kam das Web 2.0 und die Blogs schossen aus dem Boden. Auch da setzten die Verlage auf die Medienhäuser. Doch diese waren mit der Interaktivität weitesgehend überfordert. Es brauchte und braucht viel Zeit, bis man das richtige Maß zwischen statischem Berichten (zeitsparend) und interaktivem Diskutieren (zeitraubend) findet. Viele haben es heute noch nicht gefunden.

Der Aufstieg der Sozialen Netzwerke, sei es facebook, sei es myspace (für die Musikbranche), in denen die Medienhäuser (anfänglich) keinen Zugriff hatten, brachte das funktionierende Verlags-Medien-System in arge Bedrängnis. Und Twitter? Löste nur viele Fragezeichen aus.

Mit einmal waren die großen Verlage gezwungen, sich Gedanken zu machen. Wie erreichen wir die Leserschaft, die Käufer im Web? Wie machen wir auf unsere Autoren, auf unsere Bücher aufmerksam, wenn es die Medienhäuser nicht mehr schaffen?

Anfänglich fiel ihnen dahingehend keine rechte Antwort ein, bis sie bemerkten, dass es da und dort gut besuchte Literatur-Blogs mit einer funktionierender Community gab, die sich um das Thema Buch drehten. Sehr ambitionierte Projekte mit Menschen jedes Alters, die dem gedruckten Buch viel Liebe entgegen brachten. Die Verlage bemerkten den Einfluss von positiven Empfehlungen in den Foren und fragten sich, ob man da nicht etwas Ähnliches auf die Beine stellen könnte. Gesagt, getan. Nun sehen wir eine Reihe von hübschen Buch-Communitys, sehr gut gemacht, mit einer Reihe engagierter Leute, die sich wohlwollend um neue Mitglieder kümmern, die Interessierte ansprechen und die ein Netzwerk an Lesern und potenziellen Käufern aufbauen. Nun könnte man meinen, dass dies eine gute Sache ist. Es findet ein Austausch über Bücher statt. Es wird diskutiert und vorgestellt. Autoren eingeladen und interviewt. Einzig, es geht um bestimmte Verlage, um bestimmte Bücher, um bestimmte Autoren, die herausgestellt und ins rechte Licht gerückt werden. Der unbedarfte, man möchte beinahe sagen: „naive“, Teilnehmer glaubt sich in einer objektiven Welt und merkt gar nicht, wie er oder sie manipuliert wird. Wenn wir uns nun vorstellen, dass diese Buch-Communitys nur die Spitze des Eisberges sind, befürchte ich, dass wir über kurz oder lang eine Ver-Kommerzialisierung des Webs entgegen sehen. Wo wir nicht mehr wissen, wer ist Freund und wer ist gekaufter Freund. Die Grenze zwischen PR und Werbung und Ankündigung und Meinungsaustausch und Diskussion verschwimmt zusehends. Freilich, das ist nicht neu. Das gab es schon immer. Aber den großen Verlagshäusern steht nun viel Geld zur Verfügung (weil die klassischen Medien eine immer geringere Werbewirksamkeit aufweisen, werden die Gelder umgeleitet). Und dieses Geld fließt in eine Welt, in der viele, sehr viele Freelancer hoffen (beten?), dem Prekariat entfliehen zu können. Man möchte erst gar nicht wissen, welche Auswirkungen dieser „Geldsegen“ auf die bestehenden sozialen Netzwerke haben wird.

Wir halten also fest: Große Publikumsverlage arbeiten daran, ihre Bücher und ihre Autoren nun auch verstärkt im Web 2.0 und den Social Networks zu „bewerben“. Am Ende, so sagen sie sich, wenn alles rund läuft, werden sie wieder die Platzhirschen und alleinigen Kontrolleure im Verlagsgeschäft sein. Klein- und Eigenverleger sind keine ernsthafte Konkurrenz mehr, weil es für diese noch schwerer wird, aus der Unzahl an Veröffentlichungen im Web herauszustechen und aufzufallen.

Eigentlich dachte ich bis jetzt, dass es den großen Verlagshäusern an den Kragen gehen würde, wenn sich die ebooks einmal etablierten. Aber ich befürchte, es wird die kleineren und mittleren Verlage treffen, wenn diese es nicht schaffen, rechtzeitig eine funktionierende Fanbasis aufzubauen. Denn die Selbstverleger harren in ihren Startlöchern und werden früher oder später den deutschsprachigen ebook-Markt mit günstigen (gratis?) Büchern überschwemmen (in den USA geht es gerade los). Alles in allem wird es noch heiß hergehen, in den Monaten und Jahren, die da kommen. So viel ist mal sicher.

Apropos.

Sollte jemand nach einer lukrativen Geschäftsidee suchen, hier gibt es eine umsonst: ein Portal nur für selbstverlegte ebooks/pbooks, die von einer Jury nach objektiven Kritierien bewertet werden. Diese Jury sollte den einen oder anderen hochkarätigen Autor, Journalist, Verleger … aufweisen. Für die Überprüfung müsste der Autor pro Buch natürlich eine Aufwandsentschädigung leisten, bekommt dafür aber die Möglichkeit eingeräumt, die „Auszeichnung“ auf seinem Cover anzubringen bzw. diese für Marketing-Zwecke zu erwähnen. Falls dieses Portal seriös geführt wird (und man erkennen kann, dass die Prüfungen unparteiisch erfolgen), dann kann die Sache „very big“ werden. Bedeutet aber, dass man den großen Verlagen einen hübschen Gefallen tut. Denn sollte eines der Bücher wirklich einmal „outstanding“ sein, na, dann kauft der Verlag eben mal die Rechte oder den Autor oder gleich das ganze Portal. Ich sagte ja, die Geschäftsidee ist lukrativ 😉

Foto von Wikimedia

2 Kommentare zu „ebooks und das Verschwimmen der Grenzen“

  1. schade, ich wollte dir eigentlich einen link zu einem spannenden podcast senden, aber bin nicht sicher, ob du das noch nachhoeren kannst:

    http://pod.drs.ch/reflexe_mpx.xml

    Das E-Book – Jungbrunnen oder tödliche Bedrohung? 29:14 2009/12/8 Das E-Book – Jungbrunnen oder tödliche Bedrohung?

    sehr spannende diskussion. ich habe es bei mir auf dem ipod, weiss aber nicht, wie ich es dir zur verfuegung stellen kann.
    herzlichst, m

  2. Hab gerade danach gesucht, Maureen, aber nix gefunden. Du könntest mir natürlich das File zukommen lassen, aber das ist natürlich wieder ein bisserl kompliziert. Na, vielleicht fällt es mir ja mal in die Hände. Wer weiß, wer weiß 😉

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