Schlagwort-Archive: wall street

Revolution? Okay. Morgen hätte ich noch einen Termin frei. Sagen wir um 12 Uhr?

Eigentlich könnte man friedlich abhängen, an diesem kühlen Samstag. Es sieht nach Regen aus. Was gibt es besseres, um zu schreiben? Eben. Für die nächsten Stunden habe ich mir vorgenommen, einen Beitrag zu fabulieren, der in seiner Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit nicht aufgeschoben werden darf. Wird sich etwas ändern, wenn ich ihn geschrieben habe? Nope. Wird sich etwas ändern, wenn Sie ihn gelesen haben? Nope. Also, wozu der Aufwand? Tja. Darauf kann es keine befriedigende Antwort geben. Vielleicht ist es einfach nur das kreative Ego und das schlechte Gewissen, die zusammen wirken und mich förmlich bedrängen, endlich einmal Klartext zu reden. Gut. Dann machen wir das.

Übrigens, wer sich nicht mit trockenen Ausführungen zu diesem Thema herumschlagen möchte, für den gibt es meine kleine feine Parabel Der blaue Smaragd von gerade einmal 10 Seiten. Darin werden meine Überlegungen auf erzählerische Weise auf den Punkt gebracht. Hier ist das PDF zum Herunterladen.

M. sieht der Zukunft optimistisch entgegen. Sie ist jung, steht auf ihren eigenen Füßen und glaubt daran, dass die Menschen auch die größten Probleme lösen werden können. Auf meine bisherigen bloggenden Ausführungen, die sich mit einem „halb leeren“ Glas beschäftigen, hat sie mir vorgehalten, Schwarz zu malen und untätig zuzusehen, wie sich meine so negativ hoffnungslos postulierte Prophezeiung bewahrheitet. Doomster, heißen dann diese Leutchen, die ein Lied von Weltuntergang und Hoffnungslosigkeit singen. Ich habe mich hie und da gefragt, ob sie recht hat, die gute M. Könnte es sein, dass es eine Gruppe von Menschen gibt, die sich wohl fühlt, wenn sie die Leichen der Gesellschaft aus dem Keller holt und ins Rampenlicht stellt. Gewiss. Es gibt sie, hat sie immer gegeben, diese selbsternannten Propheten, die Ängste schüren und das Heil in der Entsagung im Diesseits sehen. Aber wer möchte heutzutage entsagen? In einer Zeit des stetigen Überflusses. Gut, das gilt nicht für alle Menschen auf dieser Erdkugel. Ach ja! Uns fällt ein, dass wir nicht allein sind. Dass es noch viele viele andere Menschen gibt, deren Leben aber gänzlich anders strukturiert ist, als das unsrige. Die Angst haben müssen, den nächsten Morgen nicht mehr zu erleben. Die nicht wissen, wie es morgen weitergehen wird. Die zum Spielball anderer Menschen werden. Ausgenutzt und benutzt.

Gut. Ich habe nun drei Artikel gefunden, die sich intensiv mit dem halb leeren Glas beschäftigen.

Al Gore ist vermutlich vielen ein Begriff. Er war US-Vizepräsident, Präsidentschaftsanwärter und hat sich mit Umweltfragen auseinandergesetzt. Schließlich gipfelten seine Anstrengungen in der Dokumentation An Inconvenient Truth – Eine unbequeme Wahrheit aus dem Jahre 2006, das sogar mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.

Für kurze Zeit war Al Gore und seine Bewegung gegen Globale Erwärmung in aller Munde. Und heute? Rund fünf Jahre später können wir feststellen, dass sich nichts Wesentliches verändert hat. Nicht auf politischer Ebene. Nicht auf medialer Ebene. Al Gore hat es zum Anlass genommen, noch einmal  auf den Tisch zu hauen. Im Rolling Stone Magazine hat er einen hitzigen Artikel, eine giftige Tirade geschrieben. Herrlich! Weil es an der Zeit ist, die Glacé-Handschuhe auszuziehen und Klartext zu reden. Wirklich!

Die Frage, die man sich natürlich stellen kann, ist, ob die globale Erwärmung von Menschen oder vielleicht am Ende doch nur durch kosmisch-physikalische Prozesse (zum Beispiel Sonnenwinde) verursacht wird. Es sind zwei unversöhnliche und gegensätzliche Positionen, die sich da gegenüber stehen. Während die eine Position die Schuld bei jedem Einzelnen sucht (ja, auch bei Ihnen, auch bei mir), weist die andere Position jede Schuld brüsk von sich. Wir können uns vermutlich gut vorstellen, welche der beiden Positionen in den Medien und in der Politik am besten wegkommt, oder? Kein Wunder also, wenn Al Gore eine Breitseite auf die „Kopf-in-den-Sand“-steckenden Mainstream-Medien abfeuert. Mehr noch, die Medien sind es, so sagt Al Gore, die absichtlich Zweifel und Verunsicherung schüren. Kein Wunder also, wenn wir allesamt nur mit den Schulter zucken. Niemand weiß etwas Genaues. Also tun wir, was wir immer getan haben. Nichts. Und das können wir ja bekanntlich am besten. Freilich, wer sein schlechtes Gewissen beruhigen möchte, der wählt Öko-Strom und nimmt mal den Zug, statt des Flugzeugs. Vielleicht.

Die Ironie in der Geschichte ist, dass Al Gore in jedem Fall recht hat, auch wenn er unrecht hätte. Fakt ist nämlich, dass wir mit der Verbrennung und Verarbeitung fossiler Brennstoffe das Ökosystem und die Gesellschaft an den Rand des Kollaps führen. Man sehe sich jene Gegenden an, wo Öl oder Erdgas gefördert oder verarbeitet wird. Man sehe sich jene Gegenden an, in denen Pipelines ganze Landstriche halbieren. Man sehe sich jene Gegenden an, in denen um die Ressourcen gekämpft wird. Bürgerkrieg. Milizen. Terror. Und hier, im reichen Westen? Was haben wir mit dem Reichtum, der nur, wirklich nur auf billige Energie zurückzuführen ist, was haben wir also mit diesem Reichtum, den es nicht ewig geben wird, angestellt? Wir haben Monster-Städte geschaffen, die nur noch für eine gehobene Bürgerschicht angenehme Lebensverhältnisse bieten, während der größte Teil der Einwohner in Wohnsilos dahinvegetieren. Das Auto hat innerhalb von fünfzig Jahren das Stadtbild dermaßen ins Negative verändert, das man es nicht mehr mit einem menschenwürdigen Ort zu tun hat. Während ich diese Zeilen schreibe, brausen am Handelskai, direkt unter mir, die Autos vorbei. Kaum einer stellt sich die Frage, welche Auswirkungen Lärm und Abgase auf die Menschen haben. Oder dass stark befahrene Straßen kleinere und größere Stadt-Gebiete regelrecht zerteilen. Oder dass durch das Auto die Nahversorgung obsolet geworden ist und dörflich-gesellschaftliche Strukturen vernichtet wurden. Von Unfallzahlen und Umweltverschmutzung will ich hier gar nicht erst reden. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Aber um es auf den springenden Punkt zu bringen: auch wenn die globale Erwärmung nicht durch den Menschen verursacht werden würde, so ist die bedingungslose Abhängigkeit gegenüber billiger fossiler Energie für die Menschheit verheerend.

Wären wir Menschen allesamt aufgeklärt und vernünftig, man hätte schon längst erkannt, dass der Zug gegen die Wand knallen wird, wenn wir nicht rechtzeitig abbremsen und unsere Bedürfnisse (Gier) zügeln. Statt dessen wird noch immer von Wirtschaftswachstum gesprochen, in einer Welt, auf einem Planeten, mit endlichen Ressourcen. Wie passt das zusammen? Würde man sich kurz einmal zurücklehnen und darüber nachdenken, man müssten den Kopf schütteln, ob all der vielen Experten und Politiker, die nur das Wirtschaftswachstum im Kopf haben („Geht es der Wirtschaft gut, geht es auch dir gut!“). Erbärmlich!

Wenn wir wissen wollen, welche Alternativen wir in den nächsten 30 Jahren zum Erdöl als Energiequelle haben, tja, dann sieht es nicht sonderlich gut aus. Michael T. Klare geht davon aus, dass es nun einen 30jährigen Krieg um die Energie-Vormachtstellung auf diesem Planeten geben wird. Das ist nur logisch, oder? Und wer jetzt wieder mit Solar- und Wind-Energie kommt, der muss leider hören, dass die IAE schätzt, dass im Jahre 2035 der Anteil dieser erneuerbaren Energie etwa 4 % (in Worten: VIER) des gesamten weltweiten Energieverbrauchs ausmachen wird. Äh. Ja. Das ist wahrlich bescheiden, oder?

Gemäß BP (ja, das sind die netten Leute, die in den Golf von Mexiko gepinkelt haben) hat die Welt Energie in einem Ausmaß von 13,2 Milliarden Tonnen Erdöl-Äquivalent konsumiert. Die  Energie-Konsumation setzt sich wie folgt zusammen:

  • 33,6 % Erdöl
  • 39,6 % Kohle
  • 23,8 % Erdgas
  • 6,5 % Wasserkraft
  • 5,2 % Atomkraft
  • 1,3 % erneuerbare Energie

Zusammen decken die fossilen Brennstoffe (Kohle, Erdgas, Erdöl) rund 87 % des gesamten Energiebedarfs. Hm. Das ist nicht gerade wenig, oder? Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass Erdöl als Ausgangsmaterial für Trillionen von Produkten (Pestizide, Düngemittel, Medikamente, Kunststoff, Textil usw.) notwendig ist, dann könnte einem schon schwindlig werden, wenn man sich vor Augen führt, dass dieses schwarze Gold knapper und knapper wird. Und wir sollten wissen, was sich Menschen alles antun, um zu ihrem „gerechten“ Anteil zu kommen, oder?

Dass US Präsident Jimmy Carter bereits 1977 eine Fernsehansprache hielt, in der er die Öl-Abhängigkeit der USA anprangerte und zur Feststellung gelangte, dass seine Landsleute alles tun müssten, um den Energie-Verbrauch in Zukunft zu senken. Er ging mit gutem Beispiel voran und montierte am Weißen Haus eine Solaranlage. Ronald Reagan hat sie wenige Jahre später wieder abmontieren lassen und das Credo ausgegeben: Öl ist für alle (US-Amerikaner) da. Punkt.

*

There’s No Housing Bubble to Go Bust
Ben Bernanke
Vorsitzender der US Notenbank
[die US Notenbank ist eigentlich eine Privatbank!]

Aber wenn dieser Cocktail aus globaler Erwärmung und Energie- und Rohstoffknappheit nicht schon giftig genug ist, dann kommt noch eine hübsche künstliche Erfindung ins Spiel, die aus dem giftigen ein explosives Gemisch macht: Geld aus dem Nichts. Äh. Ja. Die Münzen, die Scheine, die Sie in der Tasche haben, wurden aus dem Nichts gezaubert. In den 1970ern wurde die Gold- und Silberdeckung aufgehoben. Das bremste nur die Wirtschaft, sagten sich die Experten. Und hatten vermutlich recht. Irgendwie. Man erklärte lapidar, dass der Staat für das ausgegebene Geld bürgen würde. Haha. Lustig, nicht? Der Staat sind wir! Nicht mal die Revolutionäre von 1789 getrauten sich Geld aus Nichts entstehen zu lassen. Nope. Sie besicherten ihre ausgegebenen Geldscheine mit dem konfiszierten Eigentum von Kirche und Adeligen. Wie dem auch sei, die Aufhebung der Gold- und Silberdeckung hatte eine unbeschreibliche Sogwirkung. Geld kam zu Geld. Geld kommt zu Geld. Mehr und mehr. Als Beispiel sei die US-Bank Goldman Sachs zu nennen, die ihren Managern Bonuszahlungen im Wert von $ 17, 5 Milliarden ausschüttet. Deren CEO Llyod Blankenfein streift satte $ 12,6 Millionen ein. Wir können davon ausgehen, dass es in anderen Banken ähnlich aussieht. Jetzt müssen wir kurz inne halten. War es nicht so, dass die Bürger der westlichen Welt den zusammenbrechenden Finanzmarkt mit Bürgschaften und Krediten stützten? Mit anderen Worten: dass Blankenfein einen Scheck einsteckt ist nur dem Umstand zu verdanken, dass der Automechaniker ums Eck seine Unterschrift auf eine Bürgschaft gesetzt hat, in der steht, dass er für alle Schulden aufkommen würde, die sich da so ansammeln. Aha. Wir sehen: wenn es um Profite geht, greifen alle Blankenfeins dieser Finanzwelt ungeniert zu, geht es aber um Verluste, dann müssen die anderen, muss die Gesellschaft gerade stehen. Der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz nennt dieses System Ersatz-Kapitalismus.

Diese obszöne Gier, die Wall Street (und alle anderen Finanzplätze) und die Konzerne gepackt hat, schreckt vor nichts mehr zurück. Durch die astronomischen Profite, die in den letzten Jahrzehnten erzielt wurden, konnten sich die Banksters und Wirtschaftsmoguln alles leisten: Politiker genauso wie Medienhäuser. Wie soll es da jemals zu einer notwendigen ernsthaften Diskussion um die Zukunft dieser Welt kommen, wenn im Hintergrund nur die Maxime „Profit!“ gilt? Es ist natürlich ein Klischee, wenn wir sagen: Geld und Macht korrumpiert. Aber dieses abgedroschene Klischee bewahrheitet sich. Immer und immer wieder.

Wen wundert es also, wenn Einzelne mit dem Mut der Verzweiflung gegen den Wahnsinn anschreiben? Hervorzuheben natürlich der Pulitzer-Preisträger Chris Hedges, der in seinem letzten Artikel eindringlich die Forderung stellt, dass die Revolution in den USA beginnen müsse. Wirklich.

Bin ich, sind wir, die wir auf diese dunklen Punkte hinweisen, Doomsters? Ist das Glas in Wirklichkeit halb voll? Ich schätze, es liegt an Ihnen, die Seite zu wählen. Wählen werden sie müssen. Vielleicht nicht heute. Vielleicht nicht morgen. Aber wählen werden Sie müssen.