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Dürfen wir Fleisch noch essen? Zwei Studien und eine Richtlinie geben die Antwort.

Wenn ich mit X. einen ausgedehnten Spaziergang mache, irgendwo im Süden Wiens, kommen wir immer wieder auf das Thema Ernährung zurück. Während sie ihren Fleischkonsum stärker einschränken und vermehrt auf pflanzliche Nahrung setzen möchte, ist es bei mir umgekehrt. Die Frage, die sich nun stellt, ist, welche Herangehensweise ist die richtige. Beide zitieren wir Studien bzw. Medienberichte, in denen Studien genannt werden, beide sind wir überzeugt, den richtigen, sozusagen gesünderen Ernährungsansatz gefunden zu haben. Kurz, wir drehen uns im Kreis, werfen mit Verdächtigungen und Anschuldigungen um uns und befürchten, der andere könne seine zukünftige Gesundheit aufs Spiel setzen.

Zucker vs. Tierfett

Ich möchte nicht behaupten, dass in der Frage der Ernährung das letzte Wort überhaupt gesprochen werden kann, vielmehr stehen wir gesellschaftlich am Anfang einer weiteren Grundsatzdiskussion, die ernsthaft in den 1970er Jahren (in den USA) ihren Anfang nahm, als (staatliche!) Gesundheitsorganisationen tierischem Fett die Schuld an allerlei Krankheiten gab. Auf diese Weise konnte die Industrie das teure Tierfett gegen billigen Zucker (corn syrup) austauschen, sowie industrielle Abfallprodukte (Schmiermittel Pflanzenöl) als „gesund“ vermarkten. Konzernmanager und Aktionäre rieben sich erfreut die Hände, während die Fälle schwerer Zivilisationskrankheiten (z.B. Diabetes II, Fettleibigkeit) sowie Herzerkrankungen Jahr um Jahr zunahmen. Finden Sie es nicht ebenfalls merkwürdig, dass die in den 1970er Jahren empfohlene „gesunde“ Ernährungsweise (weniger tierisches Fett, mehr Kohlenhydrate) genau das Gegenteil erreicht hat? Das westliche Gesundheitssystem steht nach 50 Jahren am Rande eines Kollaps. Aber niemand scheint dafür verantwortlich zu sein.

Das Dilemma all dieser Diskussionen rund um die „richtige“ Ernährung ist der Umstand, dass sich jeder Interessierte eine Studie bzw. Expertenmeinung herauspicken kann, die seine Vorstellung von einer richtigen Ernährung bestätigt. Nichtsdestotrotz möchte ich in diesem Beitrag zwei wissenschaftlichen Arbeiten anführen, die zeigen, dass der Konsum von Fleisch keine relevanten gesundheitsschädlichen Auswirkungen hat und die medial-politische Panikmache („Fleisch verursacht Krebs“) völlig überzogen ist. Schließlich verweise ich auf eine klinische Richtlinie, die sich in erster Linie an die Ärzteschaft richtet und eine Reduzierung von Kohlenhydraten als therapeutische Maßnahme empfiehlt.

Im Wissenschaftsjournal Critical Reviews in Food Science and Nutrition gingen die Professoren F. Leroy (Universität Brüssel) und N. Cofnas (Universität Oxford) der Frage nach, ob Ernährungsrichtlinien einen geringe(ere)n Fleischkonsum empfehlen sollten:

Should dietary guidelines recommend low red meat intake?

Im abstract heißt es: „Die gegenwärtigen Ernährungsempfehlungen raten der Bevölkerung dazu, aus Gesundheitsgründen sowie Umweltaspekten, ihren Konsum von rotem Fleisch zu minimieren. Erst kürzlich veröffentlichte die EAT-Lancet Kommission einen großen Bericht, der eine weltweite Ernährung empfahl, die hauptsächlich aus Pflanzen bestehen und nur eine sehr geringe Konsumation von rotem Fleisch (14 g pro Tag) beinhalten sollte. Wir argumentieren, dass die Behauptungen bezüglich der gesundheitlichen Gefahren von rotem Fleisch nicht nur unwahrscheinlich sind – im Licht unserer evolutionären Geschichte betrachtet -, sondern auch, dass die wissenschaftlichen Beweise weit davon entfernt sind, dies klar und deutlich zu bestätigen.“ [meine Übersetzung]

In der Zusammenfassung heißt es: „Wir behaupten, dass ein großer Teil der Fälle gegen Fleisch(konsumation) auf Basis von speziell herausgepickten (cherry-picked) Beweisen und qualitativ minderwertigen (low quality) Beobachtungsstudien entstanden sind. Die kühne Behauptung, dass rotes Fleisch ‚ungesunde Nahrung‘ (unhealthy food) sei, ist völlig (wildly) unbegründet.“

Ein wissenschaftliches Konsortium stellte sich ebenfalls die Frage, welche Rolle der Fleischkonsum in den Ernährungsrichtlinien spielen sollte und veröffentlichte vor kurzem seinen Bericht, der sogar der New York Times einen Artikel wert war: Eat Less Red Meat, Scientists Said. Now Some Believe That Was Bad Advice. Natürlich kommt hier die Gegenseite ebenfalls zu Wort. Hier nun der Link zum Bericht:

Unprocessed Red Meat and Processed Meat Consumption: Dietary Guideline Recommendations From the Nutritional Recommendations (NutriRECS) Consortium

Wie bereits in der vorigen wissenschaftlichen Publikation kommt das Konsortium ebenfalls zum Schluss, dass es keine starken Beweise gibt, die zeigen würden, dass der Konsum von Fleisch gesundheitsschädlich sei. Nebenbei stellt das Konsortium Ernährungsstudien generell in Frage, da diese entweder nicht realisierbar (klinische Blindstudien über einen langen Zeitraum) oder unzureichend (empirische Beobachtungsstudien) sind.

Während also Fleisch- sowie Zuckerkonsum in den Medien und in der Medizin immer wieder hinterfragt werden, bleiben die Kohlenhydrate (kurz: carbs) unbehelligt. Manche Experten sehen aber gerade in der übermäßigen Zuführung von Kohlenhydraten in der Ernährung eine bestimmende Ursache vieler Zivilisationskrankheiten. Die Vereinigung Low Carb USA hat nun eine Richtlinie für die Ärzteschaft (in mehreren Sprachen) publiziert, die von etwa 45 Ärzten und Wissenschaftler unterstützt wird, darunter auch jene, die sich für Low Carb über viele Jahre eingesetzt haben und dabei einem starken Gegenwind ausgesetzt waren: Tim Noaks, Garry Fettke, Georgia Ede …

Klinische Richtlinien für die therapeutische Kohlenhydratrestriktion

In Punkt 5.2. heißt es: „Eine kohlenhydratarme Ernährung ermöglicht die Aufnahme natürlicher Fette zur Sättigung. Dazu gehören alle Nicht-Transfette wie Olivenöl, Kokosnussöl, Avocado-Öl, Vollmilchprodukte und Butter, sowie die Fette, die von Natur aus in Vollwertproteinquellen enthalten sind. Die Kohlenhydratrestriktion schränkt die Aufnahme von Getreide (Reis, Weizen, Mais, Hafer) und Getreideprodukten (Getreide, Brot, Kekse, Haferflocken, Nudeln, Cracker), gesüßte Milchprodukte (Fruchtjoghurt, aromatisierte Milchprodukte) und gesüßte Desserts (Gelatine,Pudding, Kuchen) stark ein. Geringe Mengen von stärkehaltigem Gemüse, Hülsenfrüchten und Obst können in einer wenigen restriktiven Kohlenhydratreduktion verwendet werden, wenn die Mengen innerhalb der täglichen Kohlenhydrataufnahme liegen. Nicht stärkehaltiges Gemüse, Samen und Nüsse werden in Verbindung mit oder anstelle von Obst als Quelle für lösliche und unlösliche Ballaststoffe und Mikronährstoffe empfohlen.“

Ist damit alles gesagt?

Natürlich nicht. Nur ein weiterer Tropfen in den Weiten des Meinungsmeeres.

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