Gedanken zu Peter Roseggers Roman ›Weltgift‹

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Jürgen Schutz vom Septime Verlag reichte mir das neu aufgelegte Rosegger-Buch Weltgift (1903) mit den Worten: »Das könnte dich interessieren, ist sozialkritisch.« Nun gut, dachte ich mir, wenn er es mir ans Herz legt, der mutige Verleger, dann schau ich mir das an. Gesagt, gelesen.

Ich habe mich jetzt nicht extra schlau über Autor Rosegger, dem Waldbauernbub goes Schriftsteller (1843-1918), gemacht, weiß nur, dass es da einen dunklen Fleck in seiner Vita gibt, dem ich gerne nachspüren möchte. Aber wie so oft, braucht jedes Forschen seine rechte Zeit und die ist wohl noch nicht gekommen. Nichtsdestotrotz könnte Weltgift ein erster Schritt in diese Richtung sein, gewissermaßen der Anstoß.

Der potenzielle Leser sei gewarnt. Der Text hat seine Tücken. Ist es Roseggers Stil oder die authentischen Dialoge seiner Zeit? Es braucht eine Weile, bis man in der Gedanken- und Lebenswelt eines Hadrian Hausler junior vorankommt und sie zu verstehen lernt. Aber hat man endlich Faden und Stricke aufgenommen, wird man mit einmal in eine längst vergangenen Epoche hineingezogen, lernt zu begreifen, wie sich das städtische Weltgift langsam, aber beständig in das leichtgläubige Bauerntum fraß und es von innen zu zerstören begann. Die Flucht der Knechte und Mägde in die Städte, in die Fabriken, endete selten in einem besseren, glücklicheren Leben. Sie wurden gelockt und verführt – am Ende halfen sie mit, das Kapital der Fabrikanten zu mehren und Kriege zu führen. Wer von alledem profitierte, muss nicht erwähnt werden. Auch nicht, wer die Krot fressen und als Kanonenfutter herhalten musste.

Roseggers Text zeigt in Ansätzen, wohin die Reise ging. Da die glänzenden Herren des Schornsteinwaldes, dort die armseligen Knechte, die nun Arbeiter heißen und sich Proletarier nennen. Die einen drücken, die anderen fordern. Aber das natürliche Gleichgewicht, wie es noch auf den Bauernhöfen und Landgütern bestanden hat, ist nicht mehr. Während der Gutsherr oder Bauer mit seinen Leuten am Hof auszukommen hatte, konnte sich der Fabriksdirektor auf die staatliche Gewalt berufen, um Streiks oder Proteste niederzuwerfen oder die Arbeiterschaft auszusperren und damit auszuhungern.

Der junge Rosegger, der in der Störschneiderei von Bauernhaus zu Bauernhaus zog, lernte die Industrialisierung als Fremdling kennen. Im Text fasst er nicht weiter aus, vielmehr zieht er die Schlinge enger. Nicht das Kapital, nicht die Stadt, nicht das Geld ist es, dass dieses Weltgift ins Land trägt, sondern jener Mensch, der das Gute will, aber letztendlich an der Realität scheitern und daran zerbrechen wird. Noch heute gibt es sie, all diese Geistesmenschen, die bestrebt sind, das Gute in die Welt zu tragen – ohne rechten Sinn, aber dafür mit viel Verstand, zwingen sie anderen ihre Sichtweisen auf und lösen damit das Unglück für sich und die anderen aus.

Roseggers Text zeigt, wie einfach das Leben sein und wie zufrieden es machen kann, so man sich nicht in philosophische Phantastereien versteigt, sondern mit seinen beiden Händen den Garten bestellt. Es erinnert an Candide von Voltaire, der all die erlebten pompösen Abenteuer eintauscht für ein Stück Erde, das es zu bestellen gilt. Freilich, Rosegger zeigt aber auch, dass Arbeit mühsam und schwer, weil sinnlos, sein kann, vor allem und im Besonderen dann, wenn sie nicht von klein auf mit der Muttermilch aufgesogen wurde. Hadrian Hausler junior, Sohn eines Unternehmers, in Buchführung und Börsenkurslesen ausgebildet, findet keinen Sinn im Bestellen seines eigenen Gartens, obwohl er sich nichts anderes so sehnlichst wünscht. So sprengte er die Fesseln, die ihn an das Unternehmen (und seinen Vater) banden, nur um später zu erkennen, dass durch Freiheit allein noch lange nicht Glück und Sinn das Herz aufsuchen. Die Möglichkeit ist das schönste Produkt der Freiheit, schrieb meine Wenigkeit vor vielen, vielen Jahren in ein Notizbuch, bereits damals ahnend, dass einem die Freiheit nicht automatisch ein erfülltes Leben gewähren würde – vielmehr müsste man es sich ver-dienen.

Roseggers Buch Weltgift ist eine Empfehlung, so viel kann ich sagen – mit der Einschränkung, dass der Text seine Tücken hat und deshalb den Lesefluss hie und da hemmt. Auf der anderen Seite tut es gut, in eine längst vergangene Zeit eintauchen zu können – mit allem Drum und Dran. Ist dann die letzte Seite gelesen, heißt es Abschied nehmen, von Gut Finkenstein, vom Lindwurmhof und fühlt noch eine Weile mit Hadri und dem Saberl.

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