Denkverbote #5: Dresden im Februar 1945

Falls Sie einmal die Gelegenheit haben, einen Geschichtslehrer oder Historiker zu treffen – ob Mann oder Frau spielt keine Rolle -, fragen Sie ihn, warum eigentlich keiner der Verantwortlichen für die flächendeckende Brandbombardierung (firebombing) von Dresden, im Februar 1945, als der Krieg längst entschieden war, vor Gericht gestellt wurde. Zivilisten, darunter Frauen, Kinder und alte Menschen, mit Absicht und Vorsatz bei lebendigem Leibe zu verbrennen*, ist bekanntlich kein Kavaliersdelikt. Wie wir wissen, wurden Kriegsverbrecher für weit weniger (Tote) an die Mauer gestellt.

Ich gehe davon aus, dass Lehrer und Historiker von der Frage unangenehm berührt werden und dieses unangenehme Gefühl mit einer Gegenfrage zu vertreiben versuchen, beispielsweise: „Worauf wollen Sie mit dieser Frage hinaus?“ **)

Im Zuge des nun folgenden Gesprächs, wird Ihr Gesprächspartner – ob Mann oder Frau spielt keine Rolle, aber das sagte ich bereits – immer wieder Haken schlagen, um sich einer Antwort zu entziehen. Sie können gerne das Unvorstellbare dieser „in der Geschichte bis dahin einzigartige Vernichtungsaktion“ schildern: Vom 13. bis 15. Februar fanden im Raum Dresden vier Angriffswellen mit über 1200 Bombern statt, die durch Abwurf von Sprengbomben und Luftminen städtische Infrastruktureinrichtungen – Wasser- und Gasleitungen, Straßen, Brücken usw. – zu zerstören sowie Türen, Fenster und Dächer der Häuser ‚einzuschlagen‘ und schließlich mit Brandbomben und Phosphorkanister einen Feuersturm zu entfachen versuchten. Unten, zwischen den Kellern und der Elbe, entfesselte sich eine Feuerhölle, die jenseits der Vorstellungskraft liegt. Der amerikanische Autor Kurt Vonnegut jr. weiß davon zu berichten, war er doch zu jener Zeit in deutscher Kriegsgefangenschaft und arbeitete in den Schlachthöfen von Dresden. Der Titel seines Buches Schlachthof 5 spielt darauf an.

Ein Verbrechen war diese künstlich erzeugte Feuerhölle in den Augen der Alliierten freilich keines. Im Gegenteil. Der britische Luftwaffenchef Sir Arthur ‚Bomber‘ Harris, der für Planung und Ausführung der Raids mitverantwortlich war, bekam in London ein Denkmal und Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte Ike Eisenhower die Präsidentschaft. Churchill und Roosevelt wiederum gingen als Retter des Abendlandes in jene Geschichtsbücher ein, die seit 1945 auf den Tischen der Schüler und Studenten liegen.

Über die Zahl der Toten, die durch diesen ‚Militärschlag‘ erzielt wurden, gibt es keine gesicherten Angaben oder Statistiken, da die Stadt mit nicht registrierten deutschen Flüchtlingen aus den Ostgebieten überflutet war. Wer von der Mainstream-Wikipedia-Angabe (ca. 25.000) nach oben hin abweicht, gerät in den Verdacht, rechtsnationales Gedankengut in die Öffentlichkeit tragen und die Nazi-Barbarei verharmlosen zu wollen. Besser, das Thema gar nicht erst anzudenken, nicht?

Dadurch aber, dass über all die alliierten Flächenbombardements während des Zweiten Weltkriegs – in Deutschland wie in Japan – nicht ernsthaft befunden werden durfte und darf (die Japaner schaffen es wenigstens, dieses Thema kreativ zu verarbeiten), haben die heutigen Kriegsplaner freie Hand, wenn es darum geht, Städte und Länder in die Steinzeit zu bomben. Das ist eigentlich die Crux daran. Während also die Sittenwächter jeden vor Gericht zerren, der die Bombardierung Dresdens als einen ‚Holocaust‘ (ursprüngliche Bedeutung: ‚Brandopfer‘) darstellt (und damit zum Kriegsverbrechen erklärt), beklatschen sie No-Fly-Zonen und Drohnenangriffe auf zivile Einrichtungen, wenn es den „guten“ Zweck heiligt.

»Gegenwärtig bestehen politische Reden und politische Schriften im Großen und Ganzen darin, das Inakzeptable zu rechtfertigen. Deshalb muss Politsprech größtenteils aus Euphemismen (Beschönigungen), falschen Umkehrschlüssen und vagen Unklarheiten bestehen. Wehrlose Dörfer werden aus der Luft bombardiert, die Bewohner vertrieben, die Rinder mit Maschinengewehren abgeknallt, die Hütten mit Leuchtspurmunition in Brand gesetzt: das nennt man ein Land befrieden (pacification).«
George Orwell
Politics and the English Language, April 1946 [meine Übersetzung]

Hätte man nach 1945 die Verantwortlichen auf die Anklagebank verfrachtet, all der Bomben-Wahnsinn, der später die zivilen Gesellschaften in Korea, Vietnam, Kambodscha, Serbien, Afghanistan, Irak, Palästina, Libyen, Yemen, Syrien usw. geistig und körperlich auf Jahrzehnte verstümmeln sollte, hätte so niemals stattfinden können.

Aber dank Social Engineering (Denkverbot #4) gibt es junge und junggebliebene Aktivisten – ob Mann oder Frau spielt keine Rolle –  die meinen, dass die Einäscherung deutscher und japanischer Städte während der „Nazi-Zeit“ eine notwendige Sache war. Auf diese Weise – bewusst unbewusst – geben diese Menschen den Kriegstreibern in London und Washington Carte blanche. Siehe Barack Obama und Hillary Clinton, die beide bereit waren, auch ohne UN-Mandat, Libyen kurz und klein zu bomben, um einen „Verrückten„, der mehr für sein Volk getan hatte als alle Clintons zusammen und der über die größten afrikanischen Ölvorkommen verfügte, vom Thron zu stoßen. „We came, we saw, he died“, lachte Frau Clinton in die Kamera. Ja, wirklich lustig, diese Leute in den Zentren der Macht. Ob sich Churchill und Roosevelt auch ins Fäustchen gelacht haben, damals?

* „Denn damals ging es laut Kampfauftrag der Royal Air Force tatsächlich darum, Wohnstätten und Menschen zu zerstören, letztere physisch oder mindestens moralisch […]“, siehe Artikel in der Die Zeit, 1999.

* Vielleicht wird er oder sie auch auf ein Detail im Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg hinweisen, nämlich, dass „Turquoque-Argumente – Beweisführungen durch Gegenbeschuldigungen – nicht zugelassen“ waren. D. h. „Rechtswidrige Handlungen der Deutschen durften gegen entsprechende Maßnahmen der Sieger nicht aufgerechnet werden.“ siehe S. 278, Nürnberg: Tribunal der Sieger, Werner Maser

Ab 1954 war es schließlich gar nicht mehr möglich, für ein deutsches Gericht bezüglich alliierter Kriegsverbrechen Recht zu sprechen. Der »Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen«, kurz »Oberleitungsvertrag« genannt, am 23. Oktober 1954 in Paris unterzeichnet und am 31. März 1955 im Bundesgesetzblatt II, Seite 405 ff, veröffentlicht, legte diesen Einwand fest. Siehe Seite 13.

3 Kommentare zu „Denkverbote #5: Dresden im Februar 1945“

  1. die deutschen haben damals von dem moment als es in die diktatur ging, jede anerkennung für gleichberchtigung verspielt.

    man hat sich ein eigentor geschossen und muss mit dem schmerz leben, dass das verbrechen von dresden, hamburg u.a, dann nicht mehr anerkannt werden kann. das ist so. die chinesen müssen auch damit leben, dass mao der größte verbrecher der geschichte war, obwohl in seiner zeit es auch fortschritte gab, aber trotzdem verbrecherisch.

    ich bin sicher kein fan britischer politik, aber da haben sie leichtestes spiel gehabt.
    diktatur so finde ich soll sich nicht auszahlen, dass man dann am ende abrechnen kann und sagt: ihr wards aber auch verbrecherisch. es gibt auch die sicht, die ich teile, sadistische, autoritäre systeme sind sehr wehleidig, was auch immer passiert, sie sind immer das opfer, so sehen sich doch alle nackkommen.

    am schluß heißts der versailles vertrag war schuld, und was hat deutschland im ersten weltkrieg den russen für einen super friedensvertrag aufgezwungen..nicht einen spur besser. nachkommen von dresden müssen leise gedenken und drauf schauen dass kein radikalisums mehr entsteht. nur gerade dort sind die populisten stark, was für ironie

    1. Ich würde liebend gerne über dieses Thema plaudern, Ali, aber es gibt nun einmal die unumstößliche Geschichtsauffassung, die nach 1945 festgelegt wurde und die der gewöhnliche Bürger zu folgen hat. Tut er es nicht, kann es zu Ausgrenzung, Ächtung und Anklage kommen.

      Bezüglich Großbritanniens ‚leichtestes Spiel‘:

      „Großbritannien ist im Laufe ihrer Zeit gegen so gut wie alle Ländern dieser Welt militärisch vorgegangen. Die Ausnahmen bilden 22 Länder, darunter Luxemburg und Tadshikistan. Siehe dazu: Jasper Coping, British have invaded nine out of ten countries – so look out Luxembourg, in: The Telegraph vom 4.11.2012.

      Es war übrigens die Britische Armee, die im „südafrikanischen“ Burenkrieg von 1899 unzählige Familien in Sammellager steckte. Davon hört man heutzutage freilich nichts. Auch nicht über ihre imperial-koloniale divide-and-conquer-Strategie oder das bewusste Steuern von Hungersnöten und Opiumlieferungen (China). Die Liste der britisch-imperialen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist lang – aber darüber zu schreiben oder zu reden könnte einen bereits in Schwierigkeiten bringen – als deutschsprachiger Europäer.

      Gewiss, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland war keine Diktatur, sondern eine parlamentarische Monarchie, wo jeder Bürger Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik nehmen konnte. Oder so hatte es jedenfalls den Anschein.

      Der amerikanische Entrepreneur und Stahltycoon Andrew Carnegie schreibt 1893 über Großbritannien, dass »sechs oder sieben Männer das Land in den Krieg stürzen oder es in eine Allianz verstricken können, ohne dabei das Parlament konsultieren zu müssen.« – »[…] six or seven men can plunge the nation into war, or, what is perhaps equally disastrous, commit it to entangling alliances without consulting Parliament at all«, übers. n. Andrew Carnegie, Triumphant Democracy: Sixty Years’ March of the Republic, Charles Scribner’s Sons, New York 1893, s. 434.

      Kurz und gut:

      „[…] do we really know what the past was, what actually happend, or is history ‚a fable‘ not quite ‚agreed upon‘? Our knowledge of any past event is always incomplete, probably inaccurate, beclouded by ambivalent evidence and biased historians, and perhaps distorted by our own patriotic or religious partisanship.“

      „Most history is guessing, and the rest is prejudice.“

      Will and Ariel Durant, The Lessons of History, H. Wolff, New York

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