Der Untergang der sächsischen Barockresidenz Dresden, 13. Februar 1945

Heute jährt sich zum 73. Mal die Einäscherung der deutschen Stadt Dresden durch alliierte Bomberverbände. Ich habe mir darüber immer wieder den einen oder anderen – zuweilen verbotenen – Gedanken gemacht. Beispielsweise Dresden im Feuersturm oder Kurt Vonnegut und The Firebombing of Dresden oder So it goes: Hiroshima & Dresden 1945 Übrigens betitelte die damalige Britische Wochenschau ihren Bericht großspurig mit Dresden bombed to Atoms. Der süffisant menschenverachtende Ton des Kommentators ist natürlich der Propaganda geschuldet.

Nun bin ich auf den Hamburger Arzt Wolfgang Schaarschmidt gestoßen, einem Zeitzeugen des Dresdner Infernos, der noch in seinem Ruhestand Geschichte studierte und diesen mörderischen Stunden im Februar 1945 akribisch nachspürte. Dazu muss man freilich wissen, dass Gelehrte und Laien, Laien und Gelehrte über die Opferzahl der Bombardierung seit vielen Jahren mal sachlich, mal emotional streiten. Für die einen sind die veranschlagten 25.000 Menschenleben zu niedrig, für die anderen sind 300.000 viel zu hoch gegriffen. Schaarschmidts Schätzung, die er in seinem Buch Dresden 1945: Daten Fakten Opfer darlegt, dürfte zwischen 100.000 und 150.000 Toten liegen. Wer mag nun Recht, wer mag Unrecht haben?

»Das menschliche Urteil über Vergangenes steht nie still; alle historischen Gestalten schwanken in der Vorstellung der Nachwelt; es gibt keinen endgültigen Spruch über Gewesenes.«

Jacob Christoph Burckhardt
Schweizer Kulturhistoriker
Bildnisse. Fischer, Frankfurt/Main 1958

An und für sich wäre dieser Gelehrtenstreit unter Historikern und aufgeklärten Weltbürgern, geführt mit den humanistischen Waffen des Diskurses, das gesunde Zeichen einer zivilisierten Gesellschaft und nicht weiter der Rede wert. Aber weil die Epoche des sogenannten Zweiten Dreißigjährigen Krieges (1914-1945) schwer beladen und besetzt ist, gilt Vernunft und Wahrheit nichts.

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Es mag der Treppenwitz der Geschichte sein, dass der Toleranzgedanke* erst nach dem infernalischen  Schrecken des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) seine weitläufige Akzeptanz erfuhr. Vierhundert Jahre später ist von Toleranz jedoch keine Rede mehr: Du hast eine Seite zu wählen!

Ist es nicht geradezu erschütternd, erkennen zu müssen, dass unsere Gesellschaft Gesetz und Strafandrohung nötig hat, um verdächtiges Gedankengut – wer mag es festlegen? – aus der historischen Forschung auf ewig zu verbannen? Es erinnert – ich wiederhole mich – an George Orwells menschenverachtende Zukunftsvision, wo die Vergangenheit nach dem Willen der Obrigkeit nach Belieben manipuliert und für alle Ewigkeit festgeschrieben werden konnte.

»Und wenn alle anderen die von der Partei diktierte Lüge akzeptierten – wenn alle Berichte gleich lauteten -, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.  »Wer die Vergangenheit kontrolliert«, lautete die Parteiparole, »kontrolliert die Zukunft! Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit!«

 

Auf den springenden Punkt gebracht

Kurz und gut, ich möchte mich – ganz im Sinne der Toleranz – weder für die eine noch für die andere Seite aussprechen, mir geht es darum, dass die Meinungsäußerung unangetastet und frei bleibt, dass kontroverse historische Fakten, Indizien und Widersprüche nicht umgebogen oder gänzlich ignoriert werden, dass Geschichtsforschung nicht mittels Gesetz und Gefängnis, mittels Existenzgefährdung und Rufschädigung bedroht wird.

Wohin die Reise gehen kann, sehen wir nun in Polen, wo die Regierung ein Gesetz verabschieden möchte, das eine Strafe von bis zu drei Jahre Gefängnis vorsieht, sollte jemand »öffentlich der polnischen Nation oder dem polnischen Staat faktenwidrig die Verantwortung oder Mitverantwortung für Verbrechen zuschreiben, die durch das Dritte Deutsche Reich begangen wurden«. Als Gegenmaßnahme denkt nun die israelische Regierung über ein Gesetz nach, das ein klein Reden der polnischen Mitverantwortung an den damaligen Verbrechen unter Strafe stellt.

Edna Friedberg kritisiert im amerikanischen Magazin The Atlantic die Auswüchse dieser von oben verordneten Geschichtsdarstellung:

»Ja, die Dokumentierung der Vergangenheit unterlag schon immer der Interpretation und ideologischen Voreingenommenheit. Aber der Geschichtsschreibung sollte niemals durch Politiker Grenzen gesetzt werden.« Yes, the documentation of the past has always been subject to interpretation and ideological bias. But the writing of history should never be circumscribed by politicians.

Sollten mich die Sittenwächter heute oder morgen in die dunkle Ecke stellen wollen, weil ich mich nicht für deren helle Seite entscheide, dann ist es wohl nur der Beweis, dass der Toleranzgedanke am Beginn des 21. Jahrhunderts dem religiösem Hass des 16. Jahrhunderts gewichen ist. Quod erat demonstrandum.

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*) Der Toleranzgedanke besagt, dass man sich nicht für die eine oder andere Seite – z. B. Protestant oder Katholik – entscheiden muss und dass man durch diese Nicht-Wahl keinerlei Repressalien der beiden Gegenseiten ausgesetzt wird. George Bush jr. lehnte freilich diesen Gedanken seinerzeit ab, als er den Krieg gegen den Terror ausrief : »Entweder ihr seid mit uns oder gegen uns.«

5 Kommentare zu „Der Untergang der sächsischen Barockresidenz Dresden, 13. Februar 1945“

  1. Danke für die Erinnerung an einen der abscheulichsten militärischen Massenmorde an Zivilisten und danke für das Plädoyer für freie Geschichtsforschung. Du hast recht, die gesetzlichen Eingriffe in die Geschichtsdarstellung nehmen bedenkliche Formen an, alles natürlich im Sinne politischer Korrektheit – auch so ein Verdummungsbegriff.

    1. Die Ironie des Ganzen ist ja, dass Orwell diesen Prozess der Unterwerfung nahezu perfekt vorausgesehen hat. Ist nur eine Frage der Zeit, bis auch er und seine Werke in die Ecke gestellt und diskreditiert werden. Deshalb ist es die Pflicht eines jeden aufgeklärten Bürgers, diesem Unterwerfungsprozess (und damit verbunden „political correctness“ bzw. kulturmarxistische Ideologie) entgegenzuwirken.

      Am Ende der Reise wirkt dann für die unermüdlichen Aufklärer der Welten Lohn 😉

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