Gedanken zur Netflix-Serie ‚Messiah‘ (2020)

Stellen Sie sich vor, in unsere verrückte Welt würde ein Messias herabsteigen und das Wort Gottes verkünden. Aber ist er der wahre Prophet – oder doch nur ein Schwindler, der die gutgläubigen Menschen täuschen und sinistre politische Pläne verfolgen will? Mit dieser Prämisse geht die empfehlenswerte Netflix-Serie Messiah an den Start und lässt nichts unversucht, den Zuschauer an diesem verworrenen Glaubensdilemma teilzuhaben. So fragt man sich immer wieder, ist er es oder ist er es doch nicht. Und hat uns Matthäus nicht gewarnt, vor falschen Propheten, die es faustdick hinter ihren Ohren und sicherlich nichts Gutes im Sinne haben?

Wenn dann einer zu euch sagt: Da ist der Messias oder dort, so glaubt es nicht. Denn es wird mancher falsche Messias und mancher falsche Prophet aufstehen, und sie werden große Zeichen und Wunder tun, um wenn möglich sogar die Erwählten in die Irre zu führen. Matthäus 24

Nach zehn spannenden Folgen ist man um keinen Deut schlauer. Freilich, der springende Punkt bei alledem ist, dass wir (und die Protagonisten) hören und sehen, was wir glauben. Wer ungläubig ist – es geht hier um den Glauben, nicht um eine Religion! -, wird auch jedes Wunder als simplen Taschenspielertrick abtun und jegliche Hoffnung auf eine bessere Zukunft belächeln. In diesem Dilemma liegt die Stärke der Story, die sich vorrangig um die Hauptcharaktere dreht und wie diese das Mosaik ihres Glaubens und Lebens neu zusammensetzen. Hie und da stört jedoch eine gewisse Langatmigkeit. Die Filmemacher wollten wohl nicht zu schnell all ihr spannendes Pulver verschießen.

„What everyone is feeling in the world that we’re living in, right now, is a need for some meaning.“ Creator Michael Petroni im Interview

Überraschenderweise stellten die Autoren den Konflikt zwischen Israel/USA und Palästina/arabische Welt nicht völlig einseitig dar, man lernt, dass es auf beiden Seiten Gewinner und Verlierer gibt. Die ersten TV-Folgen zeigen, was geschehen könnte, würde in diesen schwelenden Konflikt ein wahrer Messias bzw. ein revolutionärer Aufwiegler geworfen werden. Dabei muss man wissen, dass in der jüdischen Religion Jesus Christus weder als Prophet (im Gegensatz zum Koran) noch als Sohn Gottes gilt, sondern vielmehr als Verbrecher, der seine gerechte Strafe erhielt. Komödiantin Sarah Silverman brachte diese Einstellung in einer Stand-Up-Routine auf den humoristisch spitzfindigen Punkt: „I don’t care. I hope the Jews did kill Jesus Christ, I’d do it again, I’d f*ing do it again in a second“. (laughter)

Es ist Netflix hoch anzurechnen, dass der folgende Dialog zwischen einem israelischen Agenten und einer amerikanischen CIA-Angestellten mit jüdischen Wurzeln nicht ausgespart wurde:

„What was Jesus, after all? Just a populist politician with an ax to grind against the Roman Empire.“
„Wow. Spoken like a true Jew.“

Diese Dialog-Stelle in der 7. Episode ist natürlich aus dem Zusammenhang gerissen und soll vor allem die beiden Protagonisten näher charakterisieren, die ihr gegenwärtiges Privatleben nicht auf die Reihe bekommen und von sich selbst behaupten: „we are f*cked up“.

Übrigens gibt es auch in der jüdischen Glaubensgemeinschaft Mitmenschen, die Yeshua als Heilsbringer anerkennen: ONE FOR ISRAEL Ministry

Die Serie Messiah ist jedenfalls eine Empfehlung. Weil die darin erzählte Geschichte uns zum Nachdenken anregt. Es geht um Glaube und Hoffnung in einer Zeit, die jeden Optimismus verloren hat. Doch der größte Trumpf, den die Story ausspielt, ist dieser (Vorsicht, SPOILER!):

In der letzten Episode der ersten Staffel ist es der TV-Sender „CNN“, der ein vertrauliches und absichtlich geleaktes Dossier über die Person hinter dem Messias veröffentlicht. Darin wird gezeigt, dass es sich um einen iranischen Trickster handelt, der Kontakte nach Russland unterhält. Diese Nachricht schlägt wie eine Bombe ein und mit einmal verlieren die Menschen ihren Glauben, ihre Hoffnung. Es geht sogar soweit, dass ein amerikanischer Reverend zum Benzinkanister greift und seine kleine Kirche abfackelt, angewidert darüber, dass er von „seinem Heiland“ hintergangen wurde. Seltsamerweise stellt sich niemand die Frage, ob diese Nachricht überhaupt wahr ist oder ob es sich nicht um „fake news“, also um gezielte Falschinformation handeln könnte.

Gegenwärtig vertrauen immer weniger Menschen den Medien. Warum also sollten die Menschen (in der Netflix-Serie) gerade in dieser nicht gerade unwichtigen Angelegenheit einem Nachrichtensender vertrauen, der Beziehungen zu Politikern, Geheimdiensten und Beamten unterhält und vom Establishment finanziert wird? Noch dazu, wo ein wahrer Messias nicht gerade in die Karten der Politiker und der „Oberen 10.000“ spielen würde. Aus Sicht der Autoren macht es natürlich Sinn, die Auswirkungen einer harten „Glaubens“-Bruchlandung schnell und zügig voranzutreiben, sich gar nicht erst in einen „Lügenpresse“-Plot zu verlieren – aber als Zuseher, der weiß, wie das Spiel da draußen gespielt wird, ein zu simpler Zieleinlauf.

Man darf jedenfalls gespannt sein, wohin sich die Story entwickeln wird. Der Schöpfer der Serie soll jedenfalls Ideen für weitere Staffeln haben. Amen.

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