Nur der Spalt einer Tür

Es ist schon recht seltsam. Wenn die Sonne am frühen Morgen aufgeht, werden erst jene Gedanken und Gefühle geweckt, die einen die Augen öffnen. Im Inneren wie im Äußeren. Alles beginnt damit, dass der Schreiber dieser Zeilen den Spalt in einer Tür erkennt, vielleicht auch nur zu erkennen glaubt. Wenn Enttäuschung in Verzweiflung übergeht und Verzweiflung in Enttäuschung, setzt der alles zerfressende Zweifel ein. Dieser Zweifel lässt ihn vergessen. Er erinnert sich nicht mehr an jene Momente, als es ihm gesagt wurde. Er blendet aus, dass eine Tür geöffnet wurde. Von beiden Seiten. Er vergisst ganz einfach, dass ihm dieses Öffnen so eindringlich vor Augen geführt wurde, dass sein Herz zu zerspringen drohte. Ja, dieser Spalt, der so unscheinbar wirkt, müsste für ihn doch das größte Glück darstellen. Aber der Zweifel lässt den klaren Blick nicht zu.

Erst wenn die Morgensonne die zweifelnden Gedanken verscheucht, wenn das Blau des Himmels wie ein schützendes Dach über einen steht und die Stille in das Innerste dringt, dann wird eine gedankliche Ordnung wiederhergestellt, die man längst verloren dachte und der Zweifel aus dem Haus gewiesen.

Es ist dieser sehnsüchtige Wunsch nach mehr, der am Ende im Wenigen endet. Geschrieben wurde diese Zeile vor vielen, vielen Jahren – vielleicht in einem anderen Zeitalter – von des Schreibers jüngerem Ich. Was wusste dieser schon vom Leben und vom Leiden? Sein Leben war Andeutung. Aber er schöpfte bereits aus dem Inneren, dem Instinkt und wusste vom Kleinen auf das Große zu schließen. Eine Wahrheit hört niemals auf Wahrheit zu sein.

Und so war es, dass in der wiederhergestellten gedanklichen Ordnung die Dinge an ihren Platz zurückkehrten. Vereinfacht gesagt, der Dichter bemerkte die Trugschlüsse, die viel Poesie – was für Poesie! – entstehen, aber das gelebte Leben außer Acht ließen.

Wie einfach alles ist, wenn die Erkenntnis um sich greift, einem die nötige Ohrfeige anträgt und den Dichter aus einem längst vergangenen Gestern und einem noch nicht gelebten Morgen in das Hier und Heute versetzt. Diese Tür, die nur einen Spalt geöffnet wurde, diese Tür, die in ein ganzes Universum führt, diese Tür wurde vom Dichter berannt. Er, der sich in der Illusion zu Hause fühlt, konnte nicht verstehen, warum diese Tür nicht zu öffnen war. Bis es ihm heute schlagartig ins Bewusstsein stieg, dass diese Tür niemals nach innen, vielmehr nach außen aufschwingt. Solange er also in der Tür steht, solange er also die Tür nicht freigibt, wird diese auch nicht geöffnet werden können. Ursache und Wirkung. Wirkung und Ursache.

Gewiss, mit dieser Erkenntnis ist für ihn nichts gewonnen, bedarf es doch immer eines Zweiten, will man sich im Ringen um die Gunst des anderen messen.

Aber am Ende des Tages, wenn sich der Reisende zur Nachtruhe begibt, wenn der Dichter über Ursache und Wirkung befunden hat, wird das gelebte Leben um eine Antwort reicher sein.

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