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Gedanken zur ORF-Doku: „Auf der Suche nach Hitlers Volk“

Gut, sagte ich mir, dann guck ich mir eben den heimischen UNIVERSUM-Dokumentarfilm Auf der Suche nach Hitlers Volk: „Siegen oder Untergehen“ an, wenn er schon in der ORF-TVThek für eine Woche auf Abruf bereit steht. Die Inhaltsangabe hat freilich mein Interesse geweckt hat:

»Als Angehöriger der Abteilung für Psychologische Kriegsführung der US-Armee kam Saul Kussiel Padover, 1905 in Wien geboren, Ende 1944 nach Deutschland. „Ich komme mir vor wie ein Ethnologe, der in das Gebiet eines unbekannten Stammes eindringt“, schrieb er damals.«

Dieser gute Mann veröffentlichte 1946 seine Erlebnisse im Buch Experiment in Germany: The Story of an American Intelligence Officer (deutsche Ausgabe: Lügendetektor. Vernehmung im besiegten Deutschland 1944/45). In der respektablen Wochenzeitung Die Zeit lesen wird, dass niemand geringerer als der deutsche Dichter und Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger eine „leicht gekürzte“ Übersetzung im Jahr 1999 herausgab. Warum er gerade dieses Buch für eine Veröffentlichung auswählte, geht aus dem Artikel nicht hervor. Scheinbar dürfte der Text des Exil-Wieners einen Nerv im 1929 geborenen deutschen Dichter getroffen haben, der sich politisch nicht gerne festlegen möchte. Der Dokumentarfilm nimmt das Buch überraschenderweise für bare Münze und lässt uns an den damaligen Interviews, zwischen amerikanischen Offizieren und deutschen Bürgern bzw. Militärs, teilhaben. Um der dokumentarischen Inszenierung den nötigen ernsthaften und wahrheitsgetreuen Anstrich zu geben und – vor allem – um zu bestätigen, was damals geschrieben wurde, holte man Zeitzeugen und Historiker vor die Kamera und ins Boot.

So weit, so gut.
Sehen wir uns jetzt die Details an.

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‚Finis Germania‘, ‚Vergesst Auschwitz!‘ und ‚Der Treppenwitz der Geschichte‘

Broder-Sieferle

Conclusio für den eiligen Leser: Rolf Peter Sieferles Buch Finis Germania ist eine Empfehlung. Mit Einschränkung. Henryk M. Broders Vergesst Ausschwitz! eine Zumutung. Ohne Wenn und Aber.

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Alles beginnt damit, dass ein Spiegel-Redakteur das posthum erschienene Büchlein des deutschen Historikers Rolf Peter Sieferle mit dem recht pessimistischen Titel Finis Germania der breiten Leserschaft empfiehlt. Das wiederum stößt einigen anderen Kollegen der journalistischen Zunft säuerlich auf, weshalb das Buch wieder von der Empfehlungsliste verschwindet. Dieses Verschwinden lassen – ein Zaubertrick unserer Zeit  – erweckte aber in manchem Medienkonsument den Eindruck der blanken Zensur, weshalb diese „Auslese“ damit begründet wird, dass das Buch rechtsradikal, antisemitisch und geschichtsrevisionistisch sowie eine völkische Angstfantasie sei.

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So it goes: Hiroshima & Dresden 1945

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Die letzten Tage jährte sich der Atombombenabwurf auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki. So it goes, wird später der US-Schriftsteller Kurt Vonnegut in seinem Roman Slaughterhouse Five seinen stoischen Protagonisten in den Mund legen. Was soll man da tun? Es ist, wie es ist, im Krieg. Vonnegut erlebte die Feuerhölle in Dresden, anno 1945, als deutscher Kriegsgefangener mit. Das Erlebnis dürfte ihn ordentlich mitgenommen haben. Am besten, man höre aus seinem Munde, was er zu den damaligen Geschehnissen zu sagen hatte, beispielsweise im Gespräch mit Catch-22 Autor Joseph Heller: link.

Ist Ihnen schon aufgefallen, dass demokratisch gewählte Politiker, bedachte Generäle und vertrauensselige Friedensnobelpreisträger das Leben vieler Menschen retten wollen, in dem sie auf viele Menschen Bomben und Granaten regnen lassen? Begonnen hat ja alles mit einem gewissen Winston Churchill und seinem Luftwaffen-Chef Arthur „Bomber“ Harris, die kurzerhand von militärisch-wirtschaftlichen Zielen auf zivile umschwenkten. Es ist nun mal leichter, eine ganze Stadt von der Luft zu treffen als einen Rüstungsbetrieb. Wer den ersten Stein bzw. die erste Bombe auf Zivilisten warf und wie sich von da an die Sache entwickelte, wird selten im Detail besprochen. Man möchte keine schlafenden Hunde wecken und die Schuldigen sind längst gefunden, sozusagen.

Über die dramatischen Auswirkungen einer Flächenbombardierung, auch darüber gehen Historiker und Politologen gerne hinweg. So it goes. Weil nach 1945 die angloamerikanische Propaganda darauf abzielte, den Weltkrieg zu einem „good war“ zu machen, mussten die negativ-kontroversen Themen unter den Teppich gekehrt werden. Es darf einen also nicht wundern, wenn sogar noch heute, am Beginn des 21. Jahrhunderts, ganze Städte in die Steinzeit gebombt werden dürfen. By the way, Richard Nixon und Friedensnobelpreisträger Henry Kissinger ließen während des Vietnamkrieges in aller Heimlichkeit Kambodscha bombardieren. Rund vier Jahre dauerte diese (un)heimliche Bombardierung, die am Ende das Land destabilisierte und mit ein Grund war, dass die Khmer Rouge an die Macht gelangten. Die fürchterlichen Auswirkungen sind bekannt, nicht?

Übrigens, haben Sie sich schon mal die Fotos angesehen, die das zerstörte Hiroshima und Nagasaki zeigen. Verblüffenderweise findet man so gut wie keine Unterschiede zum Zerstörungsgrad anderer japanischer Städte, beispielsweise Tokyo. Vergessen wir nicht, dass zu jener Zeit der allergrößte Teil der japanischen Häuser aus Holz bestanden haben. Die wenigen Steinbauten haben die Feuer-Bombardierungen genauso wie die Nuklearexplosionen zur Gänze oder als Ruine überstanden. Hätte man also Hiroshima und Nagasaki mit herkömmlichen Brandbomben bestrichen, das Resultat würde nicht anders ausgesehen haben. Ein Schelm, wer Skeptisches dabei denkt. So it goes.

Mai 1945: Der Sieg der Vermögensassekuranz über das Vaterland

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Man meine ja nicht, der Amerikaner liebe sein Vaterland, aber er habe ein Vaterland. Jeder Einzelne lebt und wirkt in dem republikanischen Verbande, weil dadurch und so lange dadurch sein Privatbesitz gesichert ist. Was wir Vaterland nennen, ist hier bloß eine Vermögensassekuranz.

Nikolaus Lenau in einem Brief, März 1833
entn.: Lenau’s Leben, Großentheils aus des Dichters eigenen Briefen von seinem Schwestermanne Anton X. Schurz. Erster Band. J. G. Cotta’scher Verlag, Stuttgart/Augsburg 1855, S. 206ff.

70 Jahre ist es bald her, das Ende des zweiten Dreißigjährigen Krieges. Die Zeitungen und Zeitschriften sind natürlich voll von Erzählungen und Rückblicken, von Gedanken und Erläuterungen, gehalten in einem vorwurfsvoll-nüchternen Ton, angereichert mit dem obligat erhobenen Zeigefinger: „Nie wieder!“.

Die Unfähigkeit kriegführender Mächte, einen dauerhaften Frieden zu schließen, scheint ein Charakteristikum unserer Zeit zu sein. Ein eklatantes Beispiel für die Tatsache, daß heute ein Friedensschluß mit einem ehemaligen Gegner schon fast nicht mehr möglich erscheint, bietet Deutschland: es hat im Mai 1945 kapituliert und wartet heute noch immer auf einen Friedensvertrag.

Hans von Hentig, Der Friedensschluss: Geist und Technik einer verlorenen Kunst, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1965, Über dieses Buch.

Es mag müßig sein, über ein „Was wäre wenn“ zu theoretisieren, weil die Dinge nun mal sind, wie sie gemacht wurden. Beeindruckend beängstigend ist es, wenn man sieht, hört und fühlt, dass der Mainstream nur eine Wahrheit kennt, nämlich die offizielle, d.h. die von oben verordnete. Meinungen und Überlegungen, die davon abweichen, werden ignoriert, lächerlich gemacht oder verurteilt. Scharf verurteilt. Weil: „Nie wieder!“.

Wenn ich  an die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurückdenke, erscheint sie mir in ein Licht getaucht, wie es die Sonne seither nie wieder gespendet hat. Dieser Glanz ging von einer unbeschwerten Jugend aus, und wir alle, die wir damals um die Zwanzig waren, hatten die feste Überzeugung, daß es immer so bleiben werde.

Luis Trenker, Sperrfort Rocca Alta, Verlag Josef Berg, München 1977, S. 9.

Wer hinter die Kulissen der von oben verordneten Illusion blicken möchte, ist angehalten, jede Publikation mit kritischem Blick zu begegnen. Es gilt dabei die Schuldvermutung, d.h., jede Veröffentlichung nach 1945 ist per se die Literatur der Verfechter und Gutheißer der Vermögensassekuranz. Ausnahmen bestätigen diese Regel. Kurz: Mind the gap!

Dieses Buch hat einen Indizienprozeß gegen Unbekannte geführt. Wir können nicht sagen, wer es war. Aber wir können sagen, dass es so, wie die Wissenschaftler rings um ‚Ötzi‘ vermuten oder behaupten, nicht war. Eine archäologische Sternstunde wurde arrangiert, die ‚Ötztal-Fälschung‘ ist offenkundig

Michael Heim u. Werner Nosko, Die Ötztal-Fälschung: Anatomie einer archäologischen Groteske, Rowohlt Verlag, Hamburg 1993, S. 197.

Manstein und Miller oder Eros & Tanathos

Ein wenig seltsam mutet es auf dem ersten Blick an, wenn ich mir meine Bücher so besehe, die ich gerade lese. Zum einen Erich von Mansteins Verlorene Siege über seine Erfahrungen als Oberbefehlshaber Deutscher Truppen im Zweiten Weltkrieg, zum anderen Henry Millers Sexus über seine Erfahrungen als brotloser Herumtreiber im New York der frühen 1920er Jahre. Das eine Buch ist ein »origiastischer Hymnus auf die physische Liebe« (sagt der Klappentext, nicht ich), das andere eines der »bedeutendsten Werke über die Operation des Zweiten Weltkriegs« (sagt International Affairs, London). Wie das jetzt zusammenpasst kann ich nicht sagen, aber vielleicht hatte Reich-Ranicki ja recht, wenn er meinte, dass sich der Leser (vorrangig) nur für Liebe und Tod interessieren würde.

Eigentlich wollte ich auch über den Franz-Onkel schreiben, der als Soldat am Zweiten Weltkrieg teilnahm und in Kriegsgefangenschaft geriet. Er meinte, so hörte ich es jedenfalls, dass er das Schlimmste für Europa befürchte, würden die Deutschen (BRD & DDR) wieder zusammenkommen. Ich schätze, die bodenständige niederösterreichische und die weitausholende germanische Mentalität haben sich nicht wirklich vertragen. Aber eigentlich erwähne ich ihn an dieser Stelle nur deshalb, weil er nach dem Kriege bei einem Möbelgeschäft in St. Pölten gearbeitet hat. Sein Chef, ein gewisser Herr Leiner, wusste scheinbar Möbel zu verkaufen. Jahrzehnte später habe ich meine schmucke Sofa-Landschaft in einem seiner (für damalige Verhältnisse) luxuriös anmutenden Einkaufstempel erstanden. Aber auch das wäre jetzt keine sonderliche Erwähnung wert, würde ich mich nicht von der einen Hälfte trennen. Was mich wiederum zu allerlei Gedanken verführt, nämlich der Frage, warum es so einfach ist, Dinge zu kaufen, aber um so schwieriger und aufwändiger, diese Dinge wieder zu verkaufen oder (warum auch nicht?) zu verschenken?

Würden wir ein intaktes wirtschaftliches und gesellschaftliches System leben, dann würde sich unser Dasein nicht nur um das Produzieren und Konsumieren drehen, sondern, wie bestehende Dinge im Kreislauf verbleiben können, um Ressourcen und Nerven zu sparen. Aber da wir uns vorrangig Gedanken um Eros und Tanathos machen, tja, werde ich wohl auf meiner halben Couch sitzen bleiben. Hübsches Wortspiel, nicht?